Pilotfilm Deep Space Nine: Der Abgesandte

 

Ungewöhnlicher, tief schürfender Auftakt

 

Endlich: Nach fünf Jahrzehnten der Besatzung und des Leidens ist Bajor frei, die Cardassianer sind abgezogen. Zurückgelassen haben sie nicht nur Elend, Zerrüttung und Verwüstung auf dem Planeten, sondern auch eine große Raumstation im Orbit, die sie vor ihrem Rückzug noch ordentlich ausgeschlachtet und demoliert haben. Auf Einladung der Provisorischen Regierung Bajors soll die Sternenflotte die Leitung der Station – in Deep Space Nine umbenannt – übernehmen, denn ihrer Ansicht nach kann das gerade erst befreite Volk in dieser Zeit des Umbruchs die humanitäre, logistische, politische, wissenschaftliche und militärische Unterstützung durch die Föderation gut gebrauchen. Doch nicht alle Bajoraner sind hiervon begeistert, wittern bereits die nächste sich ankündigende Besatzung. Commander Benjamin Sisko wird für das Kommando und die harte Wiederaufbauarbeit ausgewählt – eine Stelle, um die ihn sicher kaum jemand in der Sternenflotte beneidet. Auffällig ist von Anfang an, wie vergleichsweise wenige Ressourcen die Sternenflotte Sisko und seinen Leuten zur Verfügung stellt. Glaubt die Sternenflotte vielleicht nicht an den Erfolg seiner Mission? Immerhin scheint ein Bürgerkrieg auf Bajor zu drohen. Denkt die Föderation, dies sei ein aussichtsloses Unterfangen?

 

Alles andere als begeistert vom Herbeieilen der Föderation ist Major Kira Nerys, Siskos neuer XO und Verbindungsoffizier zur wackeligen bajoranischen Administration. Die Wiederbegegnung mit Captain Jean-Luc Picard reißt alte Wunden in Sisko auf, und er beginnt zu zweifeln, ob er auf DS9 richtig aufgehoben ist – die Aufgabe scheint zu groß. Da wird er vom religiösen Oberhaupt Bajors, Kai Opaka, auf den Planeten eingeladen und dort, im Herzen eines Tempels, mit einem sonderbaren Artefakt konfrontiert: einer Träne der Propheten. Der Doppelkörper, der mit der spirituellen Mystik Bajors tief verbunden ist, setzt Sisko einer Vision aus. Opaka ist überzeugt, dass es sich bei Sisko um den lange prophezeiten Abgesandten handelt, der den Himmelstempel der Propheten (bajoranische Götter) finden wird. Und tatsächlich wird Sisko mit Unterstützung seiner Crew wenig später das erste stabile Wurmloch entdecken, zu jeder Zeit beäugt von den alten Peinigern Bajors, den Cardassianern und dem ehemaligen Präfekten Gul Dukat…

 

Das 'andere' Trek nimmt Fahrt auf

 

Das Budget für den Pilotfilm betrug 12 Millionen US-Dollar und war damals, zu Beginn der 1990er Jahre, das höchste unter Auftaktfolgen dramatischer Fernsehserien. Das DS9-Debüt aus der Feder von Rick Berman und Michael Piller ist unter bestimmten Gesichtspunkten das wohl beste aller ST-Serien. Der Pilotfilm ist geistreich, mit Informationen gespickt und geht mit Blick auf Siskos Trauma doch ans Herz. Zweifellos ist der Auftakt von DS9 mehr Exposition; hier werden neue, sehr diverse Charaktere gesetzt (einige der Figureneinführungen passieren noch ein wenig mit dem Holzhammer, man denke insbesondere an Kira oder Odo), ein für ST-Verhältnisse überraschend unwirtliches Setting und ein ungewohnt politischer Gesamtkontext etabliert. Auch wenn die zweite Hälfte des Pilotfilms unnötigerweise die Actionkarte zückt, stand DS9 mit dieser Aufmachung von vorneherein im scharfen Kontrast zu den Abenteuern von Picard und Co. Das ist nur richtig so, denn nichts wäre schlimmer gewesen als ein direkter Vergleich mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits überlebensgroßen TNG.

 

Etwas merkwürdig finde ich, dass eine so hoch entwickelte Spezies wie die Cardassianer in all den Jahrzehnten der Besatzung nie das Wurmloch im Denorios-Gürtel entdeckt hat. Und dann taucht die Sternenflotte auf und findet im Rekordtempo die Anomalie. Der Pilotfilm lässt jedoch einen interpretativen Ausgang: Vielleicht hat sich das Wurmloch aufgrund von Siskos Anwesenheit geöffnet. Später in der Serie erfahren wir ja noch, dass die Propheten mit Siskos Existenz verflochten sind und daher wussten, er würde eines Tages kommen und die Rolle des Abgesandten übernehmen (auch wenn dies bei ihrer ersten Begegnung noch nicht so wirkt, aber die Propheten haben bekanntlich ihre Geheimnisse). Auch Opaka erkennt in ihm die Erfüllung der Prophezeiung. Der Pilotfilm hätte vielleicht ein wenig stärker andeuten können, dass die persönliche Anwesenheit Siskos etwas mit der Öffnung des Wurmlochs zu tun gehabt hat. Dass die Wurmlochwesen speziell an ihm ein ausgemachtes Interesse haben, zeigt sich später.

 

Trotz der einen oder anderen Unebenheit: Der Start war gelungen, auch wenn er für viele Freunde des optimistischen Star Trek teilweise schwermütig, (macht-)politisch und kopflastig geriet. DS9 sollte sich abgrenzen und auf eigenen Beinen stehen. Zugleich bemühte sich die Serie von vorneherein, deutliche Brücken zu TNG zu bauen, was durch die zentralen Völker und insbesondere O’Briens Figur gelingt. Der Cameo-Auftritt von Picard ist nützlich und ist insofern richtig, als er nicht TNG-Nostalgie aufkommen lässt. Den Piloten mit der Schlacht von Wolf 359 zu beginnen und Siskos Schicksal damit zu verknüpfen, ist ein toller Schachzug, zumal wir von diesen Kampfhandlungen in Angriffsziel Erde nie etwas sahen.

 

Klug vorausgedacht, noch klüger weiter gesponnen

 

Bemerkenswert ist, dass aus nahezu allen Handlungsbögen, die in Der Abgesandte begonnen werden, etwas im Laufe der Serie gemacht werden wird. Ein Problem ist indes, dass der Pilotfilm so viele thematische Fässer aufmacht (Bajor, Cardassianer, Entdeckung des Wurmlochs, Figuren etc.), dass man ahnt, die erste Staffel könnte womöglich nicht alle Erwartungen sogleich einlösen. Tatsächlich wird sich zeigen, dass die Serie sich nur bestimmte Themen nacheinander vornehmen kann. Vielleicht wäre es besser gewesen, das Wurmloch erst ein paar Folgen später entdecken zu lassen? Aber das wäre vermutlich auch nicht gut gewesen, denn der Pilotfilm sollte ja möglichst überzeugen.

 

Produktionstechnisch ist Der Abgesandte noch Lichtjahre von den späteren Schauwerten von DS9 entfernt, die insbesondere ab der dritten und dann vor allem der vierten Staffel einen neuen Standard setzen werden. Dennoch war die Auftaktdoppelfolge für die damaligen Verhältnisse bemerkenswert. Noch nie hat man so viele fremdartige Aliens in einer ST-Serie gesehen (die phlegmatische Kultfigur und Bar-Stammbesucher Morn ist übrigens auch schon mit von der Partie); auch die Kulissen untermauern die Nicht-Sternenflotten-Atmosphäre auf DS9. Sets wie die Ops oder das Promenadendeck samt Quarks Etablissement sind beeindruckend und verströmen exotisch-düsteres Flair. Die cardassianische Raumstation wird leider aufgrund von Budgetlimitierungen nicht in allen Einzelheiten erkundet werden können, doch wir werden noch mehr von ihr zu sehen bekommen.

 

Summa summarum: Der Abgesandte hat seinen Sinn und Zweck erfüllt. Die Grundlage für Kommendes ist gelegt.

 


Gesamtbeurteilung:

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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