Sektion 31: Auf dunklen Pfaden verlieren wir uns

 

„Ich gehöre zu einem anderen Zweig des Geheimdienstes der Sternenflotte. […] Wir suchen und identifizieren potenzielle Gefahren für die Föderation. Wir bitten weder um Zustimmung, noch legen wir Berichte vor.“

- Luther Sloan in Inquisition

 

Die lange, im Nebel liegende Geschichte der ultrageheimen Sternenflotten-Abteilung Sektion 31 mag als aufrichtige Sorge um den bestmöglichen Schutz der Vereinigten Föderation der Planeten begonnen haben. Letztendlich wurde sie aber eine Geschichte der Korruption, Nötigung und Unmoral. Es entstand eine Organisation, der jedes Mittel recht ist, um ihre Ziele zu erreichen. Sektion 31 wurde das glatte Gegenteil von dem, was sie zu protegieren vorgab.

 

Verborgene Finsternis im Herzen der Sternenflotte

 

Als Gene Roddenberry Star Trek erschuf, hatte er eine geläuterte Menschheit vor Augen, die ihre vielen Konflikte hinter sich gelassen hatte und voller Harmonie in die Zukunft ging. In diese Vorstellung passte ganz sicher keine Sternenflotte, in deren Mitte eine verborgene Spionageabteilung sitzt, die ihre eigene Agenda verfolgt. Allerdings haben wir im Laufe der Dekaden, die wir nun schon auf die Roddenberry-Vision zurückblicken, bereits des Öfteren gehört, dass dieser Ansatz für das Schreiben dramatischer TV-Geschichten Probleme mit sich brachte. Ira Steven Behr, langjähriger DS9-Showrunner, war einer der lautstärksten Kritiker einer perfekten Föderationsgesellschaft, die frei von inneren Spannungen und Widersprüchen ist; er hatte auch noch nach Roddenberrys Staffelübergabe an Rick Berman innerhalb der TNG-Autoren immer wieder seinen Unmut über die aalglatte Präsentation der Zukunftsgesellschaft bekundet.

 

Als er jedoch bei DS9 tonangebend wurde, beschlossen er und sein kreatives Team, die moralische Unantastbarkeit der Föderation – die in TNG höchstens in Form einiger fehlgeleiteter Admiräle hinterfragt worden war – erheblich anzukratzen. Der vielleicht schärfste Ausdruck dieses Versuchs, einige der alten Roddenberry-Grundsätze gegen den Strich zu bürsten, wurde die Erschaffung von Sektion 31.  

 

Geheime Geschichte

 

Offiziell existierte besagte Geheimorganisation nicht, die erstmals in der Episode Inquisition zum Ende der sechsten Staffel in Erscheinung trat. Doch schürfte man tiefer, erfuhren wir, dass Sektion 31 so alt ist wie die Föderation selbst und dass ihre Ursprünge sich in einigen allgemeinen Statuten der Sternenflotte finden – oder besser gesagt: dahinter verbergen. Artikel 14, Sektion 31 (daher der Name) räumt für die Sternenflotte als Institution das Recht ein, „in besonders schweren Gefahrenlagen“ zu „außerordentlichen Maßnahmen“ greifen zu dürfen. Was immer das heißen mag. Viele Offiziere haben diesen Artikel vermutlich so eingeordnet, dass diese Maßnahmen bei den Grenzen der Verfassung und anderen grundlegenden Direktiven enden. Aber nicht so Sektion 31 und Jene, die sie schufen. Wie bei vielen Geheimorganisationen sind die Formulierungen „besondere Gefahr“ und „außerordentliche Maßnahmen“ nicht klar definiert und erlauben individuelle, den jeweiligen Umständen angemessene Auslegungen. Dieser Interpretationsspielraum war für die Entstehung und die fortwährende (Selbst-)Legitimation von Sektion 31 essenziell, leistete allerdings immer rigideren und fragwürdigeren Alleingängen Vorschub. Es war die Saat, aus der eine eklatante Missachtung der Ideale und Verfassungsgrundsätze der Föderation sowie der Sternenflotte spross. Im Namen des Kampfes für ein angeblich höheres Gut – den unbedingten und präventiven Schutz der Föderation – nahm Sektion 31 jedes Opfer und jeden Preis in Kauf und ließ sich von nichts und niemandem aufhalten. Dabei waren ihre Handlungen weder von der VFP-Charta gedeckt noch durch die Entscheidungen offizieller Politiker und Sternenflotten-Repräsentanten legitimiert. 

 

Aus der Serie Enterprise, die zeitlich im Vorfeld der Föderationsgründung angesiedelt ist, wissen wir, dass es bereits in den 2150er Jahren eine Art Vorläufer von Sektion 31 gab, und wir sahen, dass auch diese Frühform der Abteilung bereits eigenmächtige Aktionen durchführte, etwa über den Kopf der irdischen Regierung und Raumflotte mit klingonischen Militärs paktierte (ENT: Die Heimsuchung/Die Abweichung). Doch von der Macht und (ideologischen) Rücksichtslosigkeit in der DS9-Ära war diese von einem Mann namens Harris geleitete Gruppierung noch Lichtjahre entfernt gewesen. Das 24. Jahrhundert war in seiner zweiten Hälfte von zahlreichen Kriegen und Konflikten durchzogen, und im Angesicht von Chaos, Nöten und Zukunftsängsten blühte Sektion 31 auf wie ein bösartiger Tumor. Um ihre Ziele umzusetzen, benutzte die Abteilung von ihr als wertvoll identifizierte Amts- und Rollenträger in ganz unterschiedlichen Einsatzbereichen. Sie war entsprechend immer wieder auf der Suche nach neuen Agenten, die sie für ihre gewissenlosen Aktionen (zwangs-)rekrutieren konnte.

 

Ein fruchtbarer Boden für Sektion 31

 

Dabei stieß sie im Jahr 2375 auf Dr. Julian Bashir, den leitenden Mediziner auf DS9. Bashir war vor gut einem Jahr im Hinblick auf seinen verschleierten Hintergrund als genetisch aufgewerteter Mensch enttarnt worden, und ihm war im Zuge gewisser juristischer Voraussetzungen gestattet worden, seine Tätigkeit auf DS9 weiterzuführen. Obwohl Bashir in seiner Freizeit gelegentlich Spionagegeschichten auf dem Holodeck durchspielte, repräsentierte er mit seiner idealistischen Art im Grunde das Gegenteil der durchtriebenen Haltung von Sektion 31, doch genau das machte ihn für die Organisation interessant – zusammen mit seinem medizinischen Wissen (auch über Völker des Dominion) sowie seinen genetischen Erweiterungen. Die Sektion sandte in der Episode Inquisition den ranghohen Agenten Luther Sloan aus, um Bashirs Einstellung und Loyalität zur Föderation zu testen. Sloan konfrontierte ihn mit der Aussicht, zum Kriegsgegner überzulaufen, doch Bashir bewahrte zu jeder Zeit Anstand und Haltung. Daraufhin offerierte der Agent ihm eine Tätigkeit für Sektion 31.

 

Obgleich Bashir sich weigerte, sich von Sloan rekrutieren zu lassen, stellte dieser klar, dass die Sektion den von ihnen auserkorenen ‚externen‘ Agenten keine Wahl lassen werde. Damit zeichnete sich früh ab, dass die Organisation Bashir fortwährend unter Druck setzen und nötigenfalls erpressen würde, um ihn zur Kooperation zu bewegen. Sektion 31 würde ihn dadurch gefügig zu machen versuchen, indem sie ihm vor Augen hielt, dass nur ein kleineres Übel gewählt werden könne, um große Katastrophen abzuwenden. Für den Mediziner würde jeder Einsatz für die verborgene Abteilung eine harte Prüfung seiner Ideale werden. Warum noch Krieg führen, wenn er durch die Mithilfe für Sektion 31 ohnehin wissentlich das Werte- und Gesellschaftssystem zu Grabe trug, das zu verteidigen er geschworen hatte?

 

Als Bashir seinen Vorgesetzten, Benjamin Sisko, ins Vertrauen zog, erkannte dieser eine sich bietende Gelegenheit, mehr über die mysteriöse Organisation aus der Herzkammer der Sternenflotte in Erfahrung zu bringen – und ihr gegebenenfalls das Handwerk zu legen. Er bewegte Bashir dazu, sich tatsächlich der Sektion anzudienen und ihr Mitarbeiter zu werden. Sisko ahnte, dass die Organisation den Mediziner aus irgendeinem guten Grund rekrutiert haben musste, sodass sie ihn demnächst erneut kontaktieren würde, auf dass er für sie Arbeiten erledigte. So gedachte er, Bashir in der Rolle eines Doppelagenten zu nutzen.

 

Intrigen und Beeinflussung offizieller Amtsträger

 

Und tatsächlich: Sektion 31 tauchte wieder auf, ging, wie befürchtet, auf den Stationsarzt zu. Bashir wurde – anfangs unwissentlich – das Werkzeug, mit dem die Geheimtruppe die Weichen für ein föderationsgünstiges Szenario nach Ende des Dominion-Kriegs stellen wollte. In der Episode Unter den Waffen schweigen die Gesetze offenbarte Sloan Bashir die nachdrückliche Sorge der Sektion, nach dem Sieg über das Dominion könne das Romulanische Sternenimperium zu einer großen Bedrohung für die Föderation werden. Deshalb setzte Sektion 31 alles daran, auf höchster Ebene der romulanischen Politik zu intervenieren und in der Hierarchie auf Romulus eine ihr verbundene Person an einflussreicher Stelle zu platzieren.

 

Wie Bashir erst im Nachhinein erfahren musste, trug sein unfreiwilliger Beitrag dazu bei, den Tal Shiar-Vorsitzenden Koval in seiner Macht und seinem Einfluss zu festigen. Entgegen seines vermeintlich föderationsskeptischen bis -feindseligen Auftretens war Koval nicht nur dem romulanischen Imperium gegenüber verpflichtet, sondern engagierte sich auch temporär für den Geheimdienst der Sternenflotte und für Sektion 31. Bashirs Einsatz für Sektion 31 bewirkte, dass diese gemeinsam mit Koval die politische Karriere von Senatorin Cretak beenden konnte, bevor diese Mitglied im Kontinuierlichen Komitee (hohes romulanisches Regierungsgremium) werden konnte. Wie sich herausstellte, wurde der Plan der Sektion sogar von Admiral William Ross gedeckt. In einem vertraulichen Gespräch ließ der Admiral Bashir wissen, dass er überzeugt sei, Cretak hätte nach ihrem Aufstieg ins Kontinuierliche Komitee mit der Aushandlung eines separaten Friedens mit dem Dominion geliebäugelt, was die bestehende Allianz zwischen Erde und Romulus akut gefährdet hätte. Obwohl keine Beweise vorgelegt wurden, schloss sich Ross der Einschätzung der Sektion an, die bislang vermeintlich föderationsfreundliche Cretak habe vermutlich ein falsches Spiel getrieben, sodass ihre politische Beförderung in eine der höchsten Regierungsstellen habe unbedingt verhindert werden müssen.   

 

Bashir war außer sich, zu erfahren, dass er von Sektion 31 benutzt worden war und – mehr noch – dass Größen aus der Admiralität gemeinsame Sache mit ihr machten. Nachdem er von der fatalen Komplizenschaft erfahren hatte, stellte er sich seinem Vorgesetzten und betonte, dass selbst ein rechtschaffenes Ziel nicht die Mittel rechtfertige, derer die Geheimorganisation sich bediene. Auf Basis von Verdächtigungen würden verfassungswidrige, von Paranoia getriebene Intrigen gesponnen und mit dem Leben von Personen gespielt, deren Schuld nicht eindeutig bewiesen worden sei. Der Admiral erwiderte, dass er dies inzwischen in Kauf nehme, um diesen Krieg zu einem möglichst raschen und für die Föderation günstigen Ende zu führen. Für Ross rechtfertigten die Kosten des Krieges sehr wohl die undefinierten „außergewöhnlichen Maßnahmen“, von denen die vermeintlich unscheinbaren Statuten der Sternenflotte sprechen. Dies zeigt die wahre Macht von Sektion 31: In Situationen der Verzweiflung und des Pessimismus diejenigen beeinflussen zu können, die eigentlich an klare Grund-sätze und Prinzipien gebunden sein müssten, allerdings in Extremlagen bereit sind, Abstand hiervon zu nehmen. Admiral Ross‘ Kompromittierung ist ein gutes Beispiel hierfür.

 

Wie verklärt die Selbstsicht von Sloan und seinesgleichen geworden war, offenbarte sich in einem persönlichen Gespräch im Anschluss an Bashirs Einsatz auf Romulus. Er huldigte dem Doktor ob dessen moralischer Integrität und markierte sich und seine Abteilung als diejenigen, die diese guten Leute – die Föderationsgesellschaft – zu einem notwendigen Preis schützen müssten:

„Menschen wie Sie braucht die Föderation. Die mit Gewissen, die mit Prinzipien, Menschen, die nachts schlafen können. Sie sind auch der Grund, warum Sektion 31 existiert. Jemand muss Menschen wie Sie unbedingt vor einem Universum beschützen, das Ihren Sinn für Richtig und Falsch nicht teilt.“ (Luther Sloan in DS9 7x16 Unter den Waffen schweigen die Gesetze)

 

Sektion 31 setzt (fast) ihren großen ‚Coup‘ um

 

Bashir musste erleben, dass die Bereitschaft von Sektion 31, notfalls auch unethische Lösungen zu ergreifen, keine Grenzen kannte. Episoden wie Ein Unglück kommt selten allein, Kampf mit allen Mitteln, Extreme Maßnahmen, In den Wirren des Krieges dokumentieren dies überdeutlich. Der Arzt fand heraus, dass die Sektion heimlich und auf eigene Faust ein morphogenes Virus kreiert hatte, das gegen die Große Verbindung und auch DS9-Sicherheitschef Odo eingesetzt werden sollte – oder besser gesagt zu diesem Zeitpunkt bereits eingesetzt worden war. Während die Gründer im Jahr 2372 die Erde bedrohten und Unruhe unter der irdischen Bevölkerung stifteten, versuchten Captain Sisko und Odo, die Wechselbälger zu entlarven. Als Odo sich bereit erklärte, sich von der medizinischen Abteilung der Sternenflotte genauer untersuchen zu lassen, damit Methoden erarbeitet werden konnten, sein Volk besser aufzuspüren, infizierte Sektion 31 ihn heimlich mit dem experimentellen morphogenen Virus. Die Sektion hoffte darauf, dass Odo im Laufe der Zeit erneut Kontakt zur Großen Verbindung herstellen würde, wodurch auch alle anderen Gründer automatisch infiziert würden.
Dieses Ziel wurde schließlich erreicht, als Odo einige Zeit später aufgrund einer anderen Erkrankung, die durch die Gründer wegen seiner unabsichtlichen Tötung eines Formwandlers als Strafmaßnahme erzeugt wurde, Kontakt mit der Großen Verbindung aufnahm (Das Urteil). Allerdings hatte das Virus eine vergleichsweise lange Inkubationszeit, ehe sich erste Symptome einstellten. Die morphogene Matrix der Wechselbälger nahm dauerhaften Schaden, sodass es ihnen immer schwerer fiel, die Form zu verändern. Erkrankte Wechselbälger vertrockneten im fortgeschrittenen Stadium. Als erstes manifestierte sich die Erkrankung bei der Gründerin, die die Dominion-Truppen im Alpha-Quadranten befehligte; kurz darauf war auch Odo selbst betroffen.

 

Offensichtlich schreckte die Abteilung aus den Schatten nicht davor zurück, einen Genozid zu planen und proaktiv ins Werk zu setzen, wenn sie davon überzeugt war, dass es der Föderation nutzte – ja, dass sie gar keine andere Wahl habe. In dieser Hinsicht offenbarte sie sich als noch perfider als Enabran Tain, welcher dereinst angetreten war, um die Gründer mit einem Präventivschlag auszuradieren (Der geheimnisvolle Garak).  Als das Leichentuch von Sektion 31 fiel, stellte Bashir mit Entsetzen fest, dass sich all seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet hatten. Vor drei Jahren, so erkannte er, hatte die Organisation Odo absichtlich infiziert, weil sie ahnte, dass er das Virus an die restliche Verbindung weitergeben würde. Bashir folgte seiner Gesinnungsethik und seinem Gewissen, als er entschied, nach einem Heilmittel gegen die Seuche zu suchen und damit die diabolischen Taten der Sektion auszugleichen, selbst wenn es dazu beitragen würde, dass der Krieg länger dauerte und mehr Verluste mit sich brachte.

 

Es dauerte nicht lange, bis die Sektion reagierte. Im Bestreben, das Heilmittel zu vernichten, opferte sich Sloan selbst – und tötete dabei beinahe auch Bashir und seinen Freund Miles O’Brien. Bashir musste seine Medizinerethik ignorieren, um dem seiner Ansicht nach größeren Wohl zu dienen: Er drang in Sloans sterbenden Geist ein und suchte dort, vom Hirntod des Anderen bedroht, nach der wahren Medizin für das Virus. Handelte er hier seinen Prinzipien entsprechend? Rechtfertigte dieser Zweck (die Aufspürung des Heilmittels) wirklich die Mittel (den Einbruch ins Bewusstsein eines Sterbenden, überhaupt dessen Tod, der auf die Kappe Bashirs ging)? Hatte Bashir allmählich begonnen, die Denkweise von Sektion 31 zu übernehmen, oder war das hier eine fremdverschuldete Ausnamesituation, in der man extremes Handeln rechtfertigen konnte?

 

Während Bashir und O’Brien im schwindenden Verstand des todgeweihten Agenten unterwegs waren, begegneten sie einem widersprüchlichen Geflecht aus Reue und Unbeugsamkeit. Der reumütige Teil in Sloan machte sein symbolisches Testament und wandte sich, seine Gewissensschuld eingestehend, an Bashir:

„Doktor, Sie waren für mich wie ein Leuchtfeuer. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass Ideologie ein schwacher Ersatz für Freundlichkeit und Anstand ist. Und dass es am Ende des Tages unsere Taten sind und nicht unser Glaube, die definieren, wer wir sind.“ (Luther Sloan in DS9 7x23 Extreme Maßnahmen)

 

Bashir fand zu guter Letzt das Heilmittel, doch der Föderationsrat enthielt es den Gründern strikt vor – immerhin waren diese Todfeinde, und man befürchtete, die totalitären Formwandler würden wieder gestärkt, würde man ihnen helfen. Odo, der außerhalb der VFP und der Sternenflotte stand, hatte bitterlich erkannt, in welche Widersprüche sich die Föderation in Bezug auf Sektion 31 verstrickt hatte. Er brachte dies in der Folge In den Wirren des Krieges auf den Punkt:

„Die Föderation behauptet, die Taktiken der Sektion 31 zu verachten, doch wenn sie jemanden für die Schmutzarbeit braucht, sieht sie nur zu gern in die andere Richtung. Ein nettes, kleines Arrangement, nicht wahr?“ (Odo in DS9 7x24 In den Wirren des Krieges)

 

Ein grauenvoller Gedanke: Eine an sich utopisch-freundliche Gesellschaft lagert ihre schlechten Taten und ihr schlechtes Gewissen – wie im Fall einer Bad Bank – an eine schattenhafte, ruchlose Organisation aus, und sie kann offensichtlich damit leben. Ob die Aussicht eines drohenden Genozids etwas am Kriegsgeschehen geändert hat, kann kritisch diskutiert werden. Einerseits schien die Gründerin infolge ihrer tödlichen Infektion noch verbitterter und entschlossener, den Kampf bis zum Schluss durchzufechten, wirkte dadurch noch irrationaler und aggressiver (was z.B. die brutale Strafaktion gegen die cardassianische Zivilbevölkerung belegt). Andererseits litt die Wechselbälgerin enorm unter der grauenvollen Aussicht, ihr gesamtes Volk an das Virus zu verlieren, und war letztlich sogar bereit, für eine Heilung eine Kapitulationsurkunde zu unterschreiben (so etwas hatte es in der langen Dominion-Geschichte noch nie gegeben).

 

Es war der Außenseiter Odo, der eigene Moralvorstellungen besaß, vertrauensbildende Maßnahmen ergriff und seinem Volk das Heilmittel zukommen ließ. Dadurch beendete er zum einen den Krieg und ersparte beiden Seiten eine letzte, äußerst blutige Schlacht um Cardassia Prime. Zum anderen verhinderte er auch einen Völkermord – der Sternenflotte sichtlich weniger wichtig als der militärische Sieg über das Dominion. Danach war für Odo klar, dass es keinen Platz mehr in der Föderation für ihn geben konnte. Nicht nur, weil er zu seinem Volk zurückkehren wollte und musste, um die Weichen für die Zukunft (und eine hoffentlich friedliche Koexistenz) zu stellen, sondern womöglich auch weil ein Teil von ihm tief verletzt worden war angesichts der brüchig gewordenen Moral jener angeblich so erhabenen Planetenallianz.

 

Der Kriegsausgang hielt demnach eine große Tragik bereit: Die Föderation konnte ein dauerhaftes Kriegsende erzwingen, aber zum Preis der Aufgabe ihrer Grundwerte und indem sie die schlimmsten Ängste und Vorurteile der Gründer vor den Solids bestätigte. Zwar zeichnete Sektion 31 als autarke Schattenmacht für die Entwicklung des Virus verantwortlich, doch die Föderation machte sich durch ihr weiteres Agieren, den Gründern ein Heilmittel zu verwehren, dieses gewissenlose Vorgehen zu eigen. Die Föderation nutzte also die illegitime Waffe, die ihr in die Hand gegeben worden war, und tauchte damit selbst ihre Hände in Schuld. Die Kriegsverbrechen der Geheimorganisation wurde so zu den (Beinahe-)Kriegsverbrechen einer Gesellschaft, die immer von sich behauptet hatte, zivilisatorisch wesentlich weiter zu sein.

 

Sektion 31 kommt davon

 

In DS9 schien es zunächst so, dass die Sternenflotte durchaus beunruhigt über das Bekanntwerden einer autonom agierenden Einheit in ihren eigenen Reihen war. Somit hätte man annehmen können, dass sie spätestens nach Ende des Dominion-Kriegs gegen die Agenten und Sympathisanten der Organisation vorgehen würde, die sich so beharrlich der Befehlshierarchie entzog und auf eigene Faust schwerwiegende und amoralische Entscheidungen traf. Doch schon als Captain Sisko nach Dr. Bashirs erstmaligem Kontakt mit Sloan Nachforschungen über Sektion 31 anstellte, stieß er auf eine eigentümliche Mauer des Schweigens, die ihm signalisierte, dass es eine Reihe von Personen auf hohen Posten gab, die das Treiben der Gruppe heimlich guthießen oder jedenfalls bereit waren, wegzusehen.

„Irgendwo in der Sternenflotte existiert etwas über einen Vizedirektor Sloan. Und was Sektion 31 betrifft, so ist die Lage ein bisschen komplizierter. Das Sternenflotten-Kommando gesteht deren Existenz nicht ein. Aber sie verneinen sie auch nicht.“ (Benjamin Sisko in DS9 6x18 Inquisition)

 

Zum Ende von DS9 hin sahen wir deutlich, wie ranghohe Admiräle und die Föderationspolitik – trotz verbaler Verurteilungen und Distanzierungen von den Aktivitäten des Geheimbundes – die Waffen und Möglichkeiten zu nutzen bereit waren, die ihnen Sektion 31 offerierte, so verächtlich Methoden und Ergebnisse ihrer Arbeit auch gewesen sein mochten. Daher können wir sicherlich die Behauptung aufstellen, dass Sektion 31 die Ethik und Moral der Föderation sukzessive infiltrierte und kompromittierte. Es erscheint insofern wenig verwunderlich, dass ein hartes Vorgehen gegen ihre Akteure nach Kriegsende offenbar ausblieb. Zudem wurde angesichts der schwierigen Ausgangslage nach Kriegsende womöglich dafür plädiert, eine klandestine Organisation wie die Sektion weiterhin beizubehalten. Das heißt, die Problematik einer potenziell eigenmächtig handelnden Fraktion in der Sternenflotte ist nicht verschwunden, ganz im Gegenteil: Es scheint mehr denn je akzeptiert. Eine weit später entstandene Serie wie Star Trek: PICARD wird diesen Verdacht in beklemmender Weise erhärten.

 

Und die Moral von der Geschichte …?

 

Sektion 31 steht sinnbildlich für einen entfesselten Geheimdienst mit eigenen Zielen, eigener Logik, eigener Moral. Haben ihre zweifelhaften Aktivitäten und Interventionen überhaupt Gutes bewirkt, wie sie für sich in Anspruch nimmt? Wie ihre Machenschaften zeigen – und die Rolle, die diese bei der Korrumpierung der Angehörigen der Sternenflotte spielte –, ist die schattenreiche Welt der Spionage ein Irrgarten, in dem man seine Prinzipien nach und nach verliert, seine Motivation vergisst und aus dem nur wenig dauerhaft Positives entstehen kann. Alles hat eben seinen Preis.
Auf dunklen Pfaden verlieren wir uns. Ohne Prinzipien, wie wir Dinge tun und wo wir unbedingte rote Linien setzen, können wir am Ende nicht mal einem höheren Gut dienen. Der Weg ist hier nämlich unmittelbar mit dem Ziel verbunden. Beherzigen wir das nicht, werden wir zu einem dunklen Spiegelbild unserer selbst, ganz schleichend, ohne dass wir es bemerken. Und dann, eines Tages, wachst Du vielleicht in pechschwarzer Uniform und mit düsteren Absichten auf, als jemand anderes, und denkst nach wie vor, Du wärest der Gute.

 

Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Das ist die jahrhundertealte Tragik, die im Monstrum Sektion 31 steckt, einer Gruppe von Agenten, die schließlich zu Eidbrechern wurden – und die gesamte Föderation mit in die Dunkelheit rissen.

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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