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Wie hätte Enterprise weitergehen können?

 

Viele Arten der Fortsetzung wären für Enterprise vorstellbar gewesen. Ausweislich der Ideen und Vorbereitungen zu den nicht realisierten Drehbüchern zeigen sich verschiedene Stoßrichtungen, wie der NX-01 endgültig die Sporen gegeben werden sollten. Werfen wir anhand der wichtigsten Hotspots einen kursorischen Blick auf das, was hätte sein können.

 

Noch mehr Bezüge zu Classic

 

Es war die in Season vier eingeschlagene Prämisse, die in den geplanten Drehbüchern konsequent fortgesetzt werden sollte. Und das bedeutete allem voran: mehr Bezüge zu TOS. So war vorgesehen, die Enterprise einem gewissen unsterblichen Menschen namens Flint begegnen zu lassen. Diesen schillernden Mann kennen wir aus der Classic-Episode Planet der Unsterblichen. Dort stellte sich heraus, dass Flint im 4. Jahrhundert v. Chr. geboren worden ist. Im Laufe der Menschheitsgeschichte tauchte er angeblich in Gestalt vieler herausragender Persönlichkeiten wie Alexander der Große oder Leonardo da Vinci auf. In Enterprise hätten Archer und Co. den von Flint erworbenen Planeten Holberg 917G im Omega-System angelaufen, auf den sich der Unsterbliche in seiner neuesten Identität als Mr. Brack zurückgezogen hat. Gegenüber den Sternenflotten-Besuchern hätte er angegeben, als ein gewisser Abramson gelebt zu haben. Abramson war ein berühmter irdischer Wissenschaftler mit Verbindungen zu Henry Archer und Zefram Cochrane und damit ein Ermöglicher des Warp-fünf-Programms. Im weiteren Verlauf der Folge hätte sich zutragen sollen, dass Flint von nun an mit niemanden mehr über seine Vergangenheit sprechen will, sodass sich die Ereignisse in TOS ohne Bruch hätten vollziehen können. Die Frage ist, ob diese Referenz zu Flint nicht etwas zu sehr zum Selbstzweck geraten wäre. Immerhin hat auch die Organier-Folge in Staffel vier nicht berauschend funktioniert und mündete in das große Vergessen für die Recken der NX-01.

 

Eine weitere Episode – womöglich sogar ein Zweiteiler – der geplanten fünften Staffel sollte laut Manny Cotos Planungen in Stratos City spielen, der ikonischen Wolkenstadt auf Ardana (TOS-Folge Die Wolkenstadt). In diesem Prequel sollte es um die Entstehung des Kastensystems auf diesem Planeten gehen, was dann die Ereignisse hundert Jahre später präformiert hätte. Das klingt schon mehr nach einer Episode mit (sozialkritischer) Substanz, auch wenn dieser Bezug zu den Geschichtsbüchern nie richtig ausgearbeitet worden war.

 

Coto spielte bereits zur vierten Staffel der Serie mit dem Gedanken, das omnipotente Wesen Trelane aus der TOS-Episode Tödliche Spiele auf Gothos wieder in Erscheinung treten zu lassen, fürchtete jedoch die Erstkontakt-Problematik. Erneut sei hier auf Beobachtungseffekt verwiesen, wo die Limitationen des Canons es verboten, mehr aus den Organiern zu machen. Dennoch reizte Coto die Vorstellung, Trelane mit Q in Kontakt zu bringen (Cameo von John de Lancie?). So hätte sich in einer möglichen Episode herausstellen können, dass es sich bei Trelane ebenfalls um einen jungen, abweichenden Q handelt. Peters Davids Roman ging hier in eine ähnliche Richtung. Es bleibt spekulativ, wie gut man tatsächlich mit einer Trelane-Vorgeschichte hätte arbeiten können und wieviel sie am Ende zur Bereicherung von Enterprise hätte beitragen können.

 

Ein weiterer Gedanke bestand darin, die NX-01 auf die hochentwickelte Sonde Tan Ru treffen zu lassen. Phlox wäre von der Sonde genötigt worden, aus verschiedenen Spezies eine Kreatur ähnlich dem Frankenstein-Monster zu erschaffen. Die Sonde hätte sich später mit Nomad aus der TOS-Episode Ich heiße Nomad verbunden. Noch Fragen? Genau, klingt nur mäßig begeisternd.

 

Sogar zu The Animated Series (TAS) war eine Referenz geplant. Eine der möglichen Episoden der fünften Staffel hätte sich um das katzenartige Volk der Kzinti drehen sollen. Es wurden sogar erste Konzepte für das Design eines Kzinti-Raumschiffes erstellt.

 

Fokus: Romulaner- und Föderationsplot

 

Auf der VegasCon 2009 machte Manny Coto Andeutungen, dass zwei Handlungsbögen einer fünften Staffel die Anfänge des Irdisch-Romulanischen Krieges sowie den weiteren Pfad hin zur Föderation hätten enthalten sollen. Konsequenterweise sollten die Romulaner von nun an die Hauptgegner sein und noch mehr Screentime erhalten. Zweifellos wären die intriganten Spitzohren aufgrund ihrer historischen Bedeutung für das Zustandekommen der Föderation eine zentrale Komponente in den letzten Staffeln geworden. Vielleicht hätten wir im Zuge dessen auch noch mehr über diese traditionelle Star Trek-Kultur und ihre geschichtlichen Hintergründe erfahren. Im finalen TNG-Kinofilme Nemesis wurde etwa etabliert, dass die Romulaner das Volk auf ihrer Schwesterwelt Remus, die nosferatugleichen Remaner, dereinst versklavt hatten, damit diese fortan für sie kämpften oder niedere Arbeiten verrichteten.

 

Die Konstruktion einer großen Sternenbasis hätte Gegenstand einer weiteren Episode der geplanten fünften Staffel sein sollen. Der Stützpunkt wäre möglicherweise im Berengaria-System gebaut worden. Eine erste Anspielung hierauf gab es in der Episode Die Verbindung. Vielleicht wäre es nicht nur eine reine Sternenflotten-Station gewesen, sondern man hätte auch die jüngst entstandene Koalition ins Boot geholt. Im Geschichtsbuch Star Trek: Federation – The First 150 Years von Drehbuchautor David A. Goodman wird dies behandelt.

 

In den Zusammenhang der allmählichen Werdung der Föderation gehört auch das weitere Heranreifen der Menschheit. Sie hat am Ende der vierten Season mit der Terra Prime-Krise einen wichtigen Meilenstein absolviert. Coto wollte aber noch mehr interne Herausforderungen präsentieren. So sah er für die vierte Staffel ursprünglich eine Story vor, die die Unabhängigkeitserklärung der Mars-Kolonien zum Gegenstand hätte haben sollen. Die Story hätte Parallelen zur realen Kuba-Krise der 1960er Jahre ziehen sollen. Die Idee konnte letztlich nicht realisiert werden. Der Mars spielte jedoch in der Episode Dämonen eine wichtige Rolle. Gut vorstellbar, dass die Mars-Thematik in einer künftigen Season nochmal aufgegriffen worden wäre.

 

Shran als Hauptcharakter

 

Laut Manny Coto war zudem fest vorgesehen, den bis dato nur gelegentlich auftretenden Andorianer Shran fest an Bord der Enterprise zu installieren. Dies zu erleben wäre vermutlich einer der erfüllendsten Aspekte der Enterprise-Fortsetzung gewesen und hätte den Prä-Föderationscharakter in Archers Crew gestärkt. Außerdem hätte der temperamentvolle Shran die nötige Würze hineingebracht, um neue Dynamiken in der Mannschaft zu entfachen. Doch in welcher Rolle genau wäre der blauhäutige Antennenträger auf die NX-01 gekommen? Als Sternenflotten-Offizier, so wie T’Pol, vermutlich (noch) nicht. Dafür vielleicht als einer Art von mitfliegendem Berater angesichts des Koalitionsbündnisses? Dies wäre denkbar. Vielleicht hätte er aber auch bei Archer ‚abgehangen‘, weil er erst einmal selbst kein eigenes Schiff mehr hat. Für seinen weiteren Lebensweg waren Verstrickungen vorgesehen, die dann teilweise in Dies sind die Abenteuer Erwähnung fanden.

 

Ausbau bestehender Hauptcharaktere

 

Die fünfte Staffel hätte dem Zuschauer mutmaßlich einen Besuch auf Phlox‘ Heimatplaneten Denobula beschert. Hier hätte sein ungewöhnliches Volk noch besser ausgearbeitet und die familiären Hintergründe des Schiffsarztes weiter entfaltet werden können.

 

Besonders aufhorchen lassen aber die Überlegungen in Bezug auf T’Pols weiteren Werdegang. So dachte man im Writers Room offenbar darüber nach, T’Pol schließlich auf ihren totgeglaubten Vater treffen zu lassen. Dieser hätte sich dann als romulanischer Spion entpuppt, der seinen vermeintlichen Tod lediglich vorgetäuscht hatte. Dadurch wäre aus T’Pol, die bereits so viele Veränderungen durchlaufen hat, womöglich eine halbe Romulanerin geworden. Dies hätte neue Erklärungsmuster für ihre Andersartigkeit und ihr Interesse an Emotionen geboten. Vielleicht wäre es aber auch zu viel des Gutes gewesen. Immerhin stand die T’Pol-Figur immer Pate für das Verhältnis zwischen Menschen und Vulkaniern.  

 

Die Borg klopfen wieder an

 

Das Ehepaar Judith und Garfield Reeves-Stevens entwickelte für die geplante fünfte Staffel eine Story, in der die Borg wieder aufgegriffen werden sollten. So gedachten sie, Alice Krige aus dem achten Kinofilm eine Medizintechnikerin der Sternenflotte spielen zu lassen, die dann auf Umwegen zur Borg-Königin hätte werden sollen. Die Idee hat etwas für sich, zumal hier eine schlüssige Erklärung hätte gegeben werden können, warum die Borg so besessen von der Menschheit sind. Allerdings hätte auch die Gefahr bestanden, dass sich die Handlung mit den Schilderungen in Voyager gebissen hätte, wo ja die (dort von Susanna Thompson gespielte) Königin eröffnet, sie entstamme einem anderen Volk (Spezies 125). Insgesamt bleibt damit offen, was die Vertiefung der Handlung aus Regeneration für diese Ära hätte beitragen können.

 

Mit William Shatner zurück ins Spiegeluniversum

 

Für die weitere Zukunft von Enterprise wurde eine ausgiebige Rückkehr ins Spiegeluniversum diskutiert, in dem Hoshi Sato als Imperatorin nun über das Terranische Imperium herrscht. Coto zufolge sollten vier oder fünf Episoden möglicher folgender Staffeln im Parallelkosmos spielen. Mehrmals machten Gerüchte die Runde, es könnte in diesem Zusammenhang zu einem Gastauftritt von William Shatner kommen. Der zu diesem Zeitpunkt bereits über 70-jährige Darsteller des originalen James T. Kirk war dem Gedanken wohl durchaus zugeneigt, doch am Ende kam man bezüglich des Drehbuchs nicht überein. Shatner wünschte sich eine pompöse Rückkehr in die Rolle eines gealterten Imperators Tiberius, wohingegen der Writers Room eher mit dem Gedanken liebäugelte, Shatner einen Vorfahren Kirks spielen zu lassen. Angesichts wichtigerer Themen als einem solchen Cameo oder gar einer Vertiefung des Spiegeluniversums erscheint es nicht als großer Verlust, dass aus beidem nichts wurde.  

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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