Pilotfilm The Next Generation: Der Mächtige/Mission Farpoint

 

Viel Luft nach oben, aber ein unglaubliches Raumschiff

 

Verankerungen lösen, volle Kraft voraus…aber tunlichst nicht zu selbstsicher. Im TNG-Pilotfilm namens Der Mächtige/Mission Farpoint begegnet die funkelnagelneue Enterprise gleich auf ihrem Jungfernflug zum entlegenen Farpoint-Außenposten (Deneb IV) am Ende des erforschten Weltraums einer omnipotenten Lebensform namens Q, die die Menschheit der Barbarei anklagt. Q bezweifelt, dass die Terraner sich in den letzten Jahrhunderten entscheidend weiterentwickelt haben, sondern sieht in ihnen nach wie vor eine brutale, primitive Rasse, die einem ewigen Kreislauf von selbstverschuldetem Leid und Zerstörung unterliege und sich somit trotz ihrer technischen Fortschritte charakterlich nicht weiterentwickelt habe.

 

Q stellt Captain Jean-Luc Picard und den Kommandostab des Schiffes, stellvertretend für die gesamte Menschheit, vor ein Gericht. Falls die Angeklagten den Prozess verlieren, so Q, lautet das Urteil Vernichtung der gesamten Menschheit. Die Farpoint-Mission – genauer gesagt das Rätsel um die eigenartige planetare Station – wird von Q als erster Test für Picard und seine Leute auserkoren. Picard gelingt es zwar, mit dem erfolgreichen Abschluss des nicht ganz einfachen Einsatzes einen Beweis für die Weiterentwicklung der Menschheit zu erbringen, doch Q sieht den Prozess damit nicht als beendet an und verspricht, wiederzukommen.

 

Viel Nostalgie im Spiel

 

Auch beim heutigen Betrachten weckt der Auftakt von TNG eine ganze Menge nostalgischer Empfindungen, selbst wenn die initiale Doppelfolge bei ganz nüchterner Analyse vermutlich längst nicht so gut ist wie in der Erinnerung. So mag die Story zwar in die neue, futuristische Enterprise einführen (inklusive einer Demonstration der Abtrennung der Untertassensektion), eine gottgleiche Rasse vorstellen (Apollon und Trelane lassen grüßen) und ein ominöses Rätsel rund um die titelgebende Station präsentieren. Allerdings wirkt vieles bei näherer Betrachtung noch wenig durchdacht und eilig verrührt. Selbst das Produktionsteam der damaligen Zeit blickt heute durchaus selbstkritisch auf die Startepisode von TNG zurück.

 

Eine besondere Merkwürdigkeit der TNG-Anfangszeit, die sich insbesondere im Piloten manifestiert, ist eine leicht überhebliche Attitüde, mit der die Fortschrittlichkeit der geläuterten Menschheit stets betont wird. Nicht nur Qs Test ist ein Beispiel dafür (natürlich wird ihn die Menschheit eines Besseren belehren und demonstrieren, wie weit sie inzwischen gekommen ist!) – auch Picard trägt seine Haltung in Bezug auf die später so pointiert zusammengefasste „weiterentwickelte Sensibilität“ (Star Trek: Der Erste Kontakt) geradezu wie wie eine Monstranz vor sich her. Wie des Öfteren in der ersten und auch zweiten Staffel trägt der Pilotfilm Gegenwartskritik bzw. Verfehlungen der Menschheit in der Vergangenheit recht oberlehrerhaft vor, sodass damit ein wenig insinuiert wird, als habe die Föderationsgesellschaft inzwischen ihren perfekten Endzustand erreicht (was immer ein sehr schlechtes Zeichen für eine Zivilisation ist).

 

Es ist bekannt, dass Roddenberry die Figur des Q kurz vor knapp ins Drehbuch schrieb, was Autorin D.C. Fontana nicht sonderlich gefiel (überhaupt war ihre Vorlage ganz schön auf den Kopf gestellt worden). Damit praktizierte der eigenwillige ST-Erschaffer im Grunde einen alten Hut, denn TOS war durchzogen von überaus kritischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Religion und (vermeintlich) omipotenten Gestalten. Auch hier scheint es zunächst so, als wären die überheblichen Q bloß ein weiteres Beispiel für ein Volk von omnipräsenten Querulanten. Später würde daraus jedoch noch sehr viel gemacht, doch das war zum Zeitpunkt des Piloten vollkommen offen.

 

Mindestens so irritierend wie die Präsentation der Zukunftsgesellschaft ist die Einführung der Figuren. Dies geschieht oftmals wenig subtil, sondern eher mit dem Holzhammer, was zu unfreiwillig komischen Szenen führt, wenn einzelne Charaktere vortreten und etwas über sich erzählen, was ‚in-universe‘ eigentlich längst bekannt sein dürfte. So erleben wir, wie Data oder Worf abrupt von ihren Stühlen aufspringen und Exposition in ihre persönlichen Hintergründe geben. Ein weiteres Beispiel ist Tasha Yar, die das Bedürfnis hat, „in ihrer Funktion als Sicherheitschefin“ einen Rat abzugeben. In welcher Funktion denn bitte sonst? Ähnlich holperig wird dem Zuschauer aus Doktor Crushers Mund näher gebracht, dass und warum Geordi LaForge ein technisches Gerät zum Sehen trägt. Vermutlich führten die Mechanismen einer 1980er-Jahre-Serie dazu, dass die innere Organik der Handlung noch nicht so ausgeprägt war wie bei heutigen, eher durchgängig erzählten Serien. Dies hatte zur Folge, dass einige Figuren am Serienbeginn sozusagen aus ihrer authentischen Rolle fielen, indem sie sich einseitig ans TV-Publikum wandten und diesem Dinge erläuterten, die ihren Kameraden eigentlich glasklar sein müssten.

 

Wo wir beim Thema Figurenzeichnung sind: So manche Charaktere des Casts kommen zu Anfang noch ziemlich archetypisch daher, was nicht dadurch gemindert wird, dass ihre Eigenschaften als Crème de la Crème der Sternenflotte dem Betrachter unter die Nase gerieben werden. So sehen wir einen sich ziemlich ernst nehmenden, autoritären Kommandanten, einen ehrgezigen XO, einen hoch intelligenten, jedoch kindlich-naiven Androiden, einen furchtlosen Krieger, eine empathisch-emotionale Counselor und einen blinden Mann, der technologisch aufgerüstet wurde. Die Handlung ermöglicht immerhin jedem der Hauptcharaktere seinen definierenden Moment, sodass Konturen für die zukünftige Entwicklung aufgebaut werden, mögen auch viele Hintergründe der Figuren noch im Dunkeln bleiben.

 

Aus heutiger Sicht eher störend ist, dass die Figuren sehr schnell als Alleskönner mit einem übertriebenen Sinn für dramatische Inszenierung geframet werden: Die Posen vor der Kamera sind gewollt heroisch, mögen sie auch gewisse Erinnerungen an den Wildwest-Helden Kirk wachrufen. Beispiele sind Data, der eine Tür mit dem Phaser aufschießt, während Riker wie eine Naturgewalt voranstürmt. Oder wenn die beiden loslaufen auf eine Stadt zu, die gerade aus dem Orbit bombardiert wird. Dadurch entsteht rasch eine gewisse Distanz zum Publikum, weil der Eindruck aufkommt, hier habe man es nicht mit normalen Personen aus Fleisch und Blut zu tun, sondern mit abgehobenen Superhelden. Auch hier ist TNGs Auftakt noch voll im Trend seiner Zeit, in der man keinen Zweifel aufkommen lassen wollte, wer die Guten und Heldenhaften sind. Hinzu kommen die aus TOS bekannten Begrenzungen der ‚Roddenberry-Box‘, die dazu führten, dass persönliche Spannungen und Konflikte unter den Figuren von vorneherein ausgeschlossen sind und eine hierarchisch-kollegiale Atmosphäre auf dem Schiff tonangebend ist.

 

Das neue Schiff steht im Vordergrund

 

Grundsätzlich ist die Geschichte rund um Qs Test und das Geheimnis von Farpoint-Station eher ein Vehikel zur Vorstellung eines neuen Hauptschauplatzes im 24. Jahrhundert und der Figuren, die dieses Setting bevölkern. Mehr als Farpoint-Station (z.B. unterirdische Gänge der Bandi-Stadt) oder die allmächtigen Wesen mit ihrem befremdenden Gerichtssaal ist es das neue, fortschrittliche Raumschiff, das Sense of wonder-Feeling zu wecken weiß. Mag die Enterprise-D Reminiszenzen an Kirks Schiff wecken, so sind die Unterschiede doch erheblich. Sie ist sehr viel größer, ihre Grundform fließender und weniger modular aufgebaut. Das Innere des Schiffes erweitert die aus TOS bekannte Kulisse in einem ganz neuen, eigenständigen Look. Damit einhergehend, ist die Designsprache eine gänzlich andere als in der Classic-Serie, wo es in erster Linie militärisch und damit vergleichsweise schmucklos zuging. Auf der Enterprise-D zeigt man dem Zuseher die angenehmere, luxuriöse Seite der Flotte. Es handelt sich um ein wirklich wunderschönes Raumschiff, das in jeder Hinsicht multimissionsfähig ist und lange Zeit im tiefen Raum autark operieren kann. Die Atmosphäre ist gediegen, und es befinden sich auch Zivilisten und Familien an Bord. Annehmlichkeiten wie das zum damaligen Zeitpunkt wahrhaft faszinierende Holodeck stehen einerseits für technologischen Progress, andererseits eben für einen anderen Schlag von Sternenflotte, die dem Publikum hier vorgeführt wird.

 

Dem Pilotfilm gelingt es unter dem Strich, sich visuell von der klassischen Serie und den damals aktuellen Kinofilmen abzusetzen. Der Soundtrack bietet eine große Bandbreite an Klängen, die von hell bis pompös reichen, und er spielt immer wieder einmal die klassische Fanfare an. Analog zu diesem eigenständigen Profil, das eindeutig Vorsatz war, um zu zeigen, dass mit TNG nicht einfach das alte ST verlängert wurde, halten sich Anspielungen auf TOS in dieser Initiierungsphase sehr in Grenzen. Symbolisch darf ein auf alt gestylter DeForest Kelley als mürrischer, nicht näher spezifizierter „Admiral“ den Staffelstab an die nächste Generation weiterreichen. In dieser Szene kommt auch ein Hauch von Humor auf, aber in dieser Hinsicht hat der Pilotfilm noch längst nicht jene Qualitäten subtiler Unterhaltung zu bieten, die TNG später kultivieren wird.

 

Hauptsache, der Anfang ist gemacht

 

Der Mächtige/Mission Farpoint ist ein erster Schritt, mehr ist er aber auch nicht. Jenseits der offenkundigen Schwachpunkte im Storytelling merkt man dem Pilotfilm seinen Eventcharakter an, der zu einer teils künstlichen Aufblähung der Geschichte führte. Um genügend Exposition für Setting und Figuren leisten zu können und das neue Schiff bzw. spektakuläre gewisse Eigenschaften (z.B. Separationssequenz, Holodeck) vorzuführen, wurde im TNG-Beginn alles Mögliche aufgefahren. Das ist allerdings auch verständlich und schlicht notwendig gewesen, um dem Format eine Chance auf längerfristige Etablierung zu geben. Den Piloten als Doppelfolge vorliegen zu haben, bietet auch eindeutige Vorzüge: Möglicherweise hätte es ohne diese Art der Ausdehnung eine Figur wie Q niemals gegeben, die hier die Möglichkeit bekam, in einigen bemerkenswerten, wenn auch noch lange nicht vollkommenen Szenen gesetzt zu werden.

 

Die Serie trug später von der Gegenwart inspirierte Themen weit subtiler vor als im Pilotfilm; auch die Charaktere wurden weniger aufdringlich präsentiert und gewisse Ansätze aus dem Piloten gänzlich verworfen. Dazu zählen Counselor Trois übertriebene Reaktion auf fremde Emotionen („Ich spüre Freude!“, „Schmerz!“), Commander Rikers übertriebener Diensteifer (er wird mit der Zeit „gesetzter“, wie es Troi bezeichnen sollte) oder die Idee einer kaum besetzten Kommandobrücke, regelmäßige Abtrennung der Untertassensektion und dergleichen mehr. Ähnliches gilt übrigens für eine Unisex-Rockuniform. Man tat gut daran, dass sehr wohl Unisex getragen wurde, jedoch dann eine ‚normale‘ Uniform. Die Basisgarderobe hatte mit Blick auf ihr Einteilerdesign in den ersten Staffeln jedoch noch ihre Tücken, rutschte den Schauspielern ständig hoch und zwang sie zu unnatürlich vorgebückten Posen, sodass sie aufgrund zahlreicher Beschwerden schließlich zugunsten einer zweiteiligen Uniform mit militärischen Anklängen überarbeitet wurde.

 

Zweifellos war der TNG-Pilotfilm nocht längst nicht das, wozu die Serie insbesondere ab dem dritten Jahr finden sollte. An einigen Stellen wird die Moral der Geschichte alles andere als hintergründig transportiert, und manche Dialogzeilen machen den Eindruck, als seien sie nur für den Zuschauer geschrieben worden, um die Figuren und deren Mindset vorzustellen. Dessen unbeommen wird ein solides erstes Abenteuer absolviert, das von allem etwas bietet, den utopischen Charakter von Star Trek stärkt und eine friedliche Lösung präsentiert. Das muss angesichts der Frühphase der Serie und einer Zeit, in der es für Science-Fiction im TV keine großen Vorlagen und Orientierungspunkte gab, unbedingt gewürdigt werden. Vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung von TNG war Der Mächtige/Mission Farpoint so etwas wie ein ungeschliffener Diamant.

 


Gesamtbeurteilung:

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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