Voyager Season 4 - 7:

 

Späte Kurskorrekturen und neue Horizonte

 

Spätestens in Staffel drei drohte sich Voyager, wie es sich bisher entwickelt hatte, totzufahren. Konfliktpotenziale und Charakterkonstellationen sowie der Kampf ums Überleben waren Elemente, die man im Pilotfilm Der Fürsorger eingeführt hatte. Sie waren jedoch zugunsten einer Entdeckungsreise im Delta-Quadranten frühzeitig über Bord geworfen worden. Nun stellten die Autoren fest, dass – auch in Anbetracht sinkender Einschaltquoten – Voyager das spezifische Element fehlte, was die Serie von anderen Star Trek-Shows signifikant unterschied und sie besonders sehenswert machte. Frei nach dem Motto ‚Besser zu spät als nie‘ erinnerte man sich einer Spezies, die eigentlich von Fans mit dem Delta-Quadranten assoziiert wird: die Borg. Nach drei geschlagenen Jahren des Wartens war es also endlich soweit: Man führte – endlich, würden viele Fans sagen – die Borg ein und ging dabei gleich in die Vollen. Nun sollte alles besser werden. Insofern ist der Zweiteiler Skorpion wie eine Art zweiter Pilotfilm, ein Reset für Voyager, zu betrachten.

Zum Inhalt: Janeway und ihre Crew haben den Borgraum – ein gigantisches stellares Gebiet noch viel größer als die Föderation – erreicht und sehen sich in der Not, ihn irgendwie zu durchqueren. Und als wäre das nicht schon genug, gerät die Voyager in einen laufenden Konflikt zwischen dem Kollektiv und der sogenannten Spezies 8472, einem aus einem anderen Universum stammenden, hochentwickelten Volk von Nicht-Humanoiden, das nach einem gescheiterten Assimilierungsversuch der Borg nun auf einem gnadenlosen Rachefeldzug ist. Dem Doktor gelingt es im Zuge eingehender Analysen, Nanosonden der Borg so zu modifizieren, dass diese imstande sind, mit Spezies 8472 fertig zu werden, doch Janeway denkt nicht daran, dieses Geheimnis dem Kollektiv ohne Gegenleistung preiszugeben. Sie lässt sich auf ein gefährliches Spiel ein, indem sie eine sichere Passage für die Voyager verlangt. Obwohl die Borg zunächst mitziehen, stellt sich die Allianz als höchst fragiles Zweckbündnis heraus, denn immer wieder versuchen die kybernetischen Wesen, die Vereinbarungen zu untergraben. Letztlich gelingt es, Spezies 8472 zurückzutreiben und der Voyager, den Borg (vorerst) zu entkommen. An Bord verbleibt die Drohne Seven of Nine, welche die Borg für die Zusammenarbeit mit Janeway und ihrer Mannschaft abgestellt haben. Seven of Nine wurde als junges Mädchen ins Kollektiv assimiliert, hieß früher einmal Annika Hansen und war ein Mensch.

 

Da die Verbindung zum Kollektiv unterbrochen wurde, beschließt Janeway in der sich an Skorpion anschließenden Episode Die Gabe, Seven of Nine von ihren kybernetischen Komponenten zu befreien und in ein Individuum zurückzuverwandeln. Der ganze Eingriff ist heikel. Noch nie zuvor hat jemand den Versuch unternommen, eine Drohne, die so lange assimiliert war, aus der Borggemeinschaft herauszulösen. Zwar gelingt die Operation, aber Seven erhebt schwere Vorwürfe gegen Janeway. Noch möchte sie alles dafür tun, wieder ins Kollektiv zurückzukehren. Währenddessen entwickeln sich Kes‘ telepathische Fähigkeiten so stark weiter, dass sie zu einer Bedrohung für das Schiff wird. Janeway kann ihre jahrelange Ocampa-Begleiterin noch rechtzeitig von Bord bringen, bevor diese sich in etwas Metaphysisches transformiert und verschwindet. Als Abschiedsgeschenk bringt sie die Voyager rund 10.000 Lichtjahre näher an die Erde und damit in einen vollkommen neuen Teil des Delta-Quadranten. 

In den folgenden Monaten entwickelt sich Janeway immer mehr zu Sevens Mentorin. Es entsteht eine Art Mutter-Tochter-Verhältnis. Janeway will der ehemaligen Borg helfen, ihre eigene Menschlichkeit, ihre Wurzeln und ihre Identität zu entdecken. Dabei zur Seite steht ihr auch der holografische Doktor, der sich zeitweilig sogar noch mehr von Sevens Gegenwart zu versprechen beginnt (u.a. Leben nach dem Tod, Die Beute, Eine, Verborgene Bilder, Liebe inmitten der Sterne, Der Virtuose). Seven nimmt ihr Menschsein zuerst nur zögerlich und mit Rückschlägen an. Auch muss sie sich dunklen Erinnerungen und Ängsten aus der Zeit ihrer Assimilierung sowie ihren Taten im Namen des Kollektivs stellen, die sie über mehrere Staffeln hinweg begleiten (u.a. Der schwarze Vogel, In Furcht und Hoffnung, Das ungewisse Dunkel, Überlebensinstinkt). Die Nemesis ihrer Förderin Janeway ist dabei niemand Geringeres als die Borg-Königin selbst, die, wie wir erfahren, ein ganz eigenes, spezielles Interesse an Seven hat.

 

Ein Meilenstein für die Serie ist der erstmalige Kontakt mit der Erde. Dieser ist in den Episoden Flaschenpost/Jäger nur kurzweilig und kann vorerst nicht wiederhergestellt werden, doch immerhin ist es möglich, die Föderation über den Verbleib der Voyager aufzuklären und ein paar Nachrichten zu erhalten. Erst in der sechsten Staffel ergibt sich dann die Gelegenheit, eine sichere Zwei-Wege-Kommunikation in regelmäßigen Abständen zu etablieren. Der Zuschauer erfährt, wie sich auf der Erde rund um Lieutenant Reginald Barclay und Admiral Owen Paris das sogenannte Pathfinder-Projekt formiert, welches das Ziel verfolgt, die Voyager nachhause zu bringen (u.a. Pathfinder, Rettungsanker, Eingeschleust, Die Veröffentlichung).

Der Kontakt zur Erde rückt nicht nur das eigentliche Ziel der Serie – die Heimfahrt – wieder erheblich stärker nach vorn, das in Season eins bis drei beinahe verloren zu gehen drohte. Auch darüber hinaus ist die Herstellung einer Kommunikation nachhause äußerst bedeutsam. Viele Mannschaftsmitglieder erfahren, dass das Leben auf der Erde weiterging. Janeway beispielsweise trifft es hart, zu hören, dass ihr Lebensgefährte sie nach Jahren des Hoffens schließlich aufgegeben und sich einer anderen Frau zugewandt hat. Ähnliches gilt für Chakotay und B’Elanna, die von der Zerschlagung des Maquis durch das Dominion erfahren. Das Wissen, nicht mehr Teil des Lebens, das man einmal führte, zu sein, schweißt die Mannschaft umso stärker zusammen, verstärkt das Gefühl, nun auf der Voyager eine Großfamilie sui generis zu sein und nicht mehr bloß eine Notgemeinschaft.

 

Parallel zur Wiederentdeckung des Heimflug-Motivs fällt auf, dass die Voyager zwischen Staffel vier und sieben immer mal wieder ausgefuchste Möglichkeiten findet, ihre Reise um einige Jahre oder auch mal ein Jahrzehnt zu verkürzen. Teilweise mögen die Mittel und Wege, die da ersonnen werden, fragwürdig und zuweilen übertrieben sein, aber zumindest entsteht so beim Zuschauer das Gefühl, dass die Serie im wahrsten Sinne des Wortes vorankommt. Es vermittelt etwas Motivierendes zu verfolgen, wie die Odyssee in Etappen gemeistert wird. Warum es diese Art von ‚Reisefortschritten‘ nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt gegeben hat, bleibt wohl für immer eine offene Frage. Auf jeden Fall wäre dies eine elegante Möglichkeit gewesen, sich schneller von den Kazon zu verabschieden, die nicht gerade ein Zuschauermagnet waren.

Am Ende des siebten Jahres im Delta-Quadranten und nach zahlreichen weiteren Borg-Begegnungen (u.a. Die Drohne, Das ungewisse Dunkel, Das Kollektiv, Icheb, Unimatrix Zero, Unvollkommenheit) gelingt es der Voyager im Finale Endspiel tatsächlich, mit einem Paukenschlag zur Erde zurückzukehren. Eine aus einer alternativen Zukunft zurückgereiste Admiral Janeway stattet das Schiff mit fortschrittlicher Technologie aus und ermöglicht es ihr, über einen der wenigen Transwarpknoten des Borg-Kollektivs zurück in den Alpha-Quadranten zu reisen. Vorher vernichtet sie mit einem ins Hive eingeschleusten Virus große Teile des zentralen Unikomplexes.

 

Der Neustart des Voyager-Konzepts in der vierten Staffel, das auch bis zum Ende der Serie so fortgeführt wird, hat verschiedene Kontroversen in der Fangemeinde ausgelöst. Die eine Gruppe ist der Auffassung, dass die Einführung von Seven von Nine in die Crew und das häufige Auftauchen der Borg der Serie geschadet haben. Kritik entzündet sich dabei vor allem am Charakter der Ex-Drohne. Eine gängige Auffassung lautet, dass die Ensembleshow Voyager fortan einem Duo Janeway-Seven weichen musste. Tatsächlich hat diese Fraktion sogar in den Reihen der anderen Schauspieler prominente Unterstützer. Beispielsweise hat Robert Beltran frühzeitig seinen Protest gegen einen solchen Kurs von Voyager kundgetan, weil er der Meinung war, dass die anderen Figuren nun marginalisiert wurden und dadurch alte Themen und Motive der Serie nicht mehr zur Geltung kommen könnten. Die andere Gruppe sieht in Seven of Nine einen positiven Schub für die gesamte Serie, da die vergangenen Staffeln gezeigt hätten, dass der bisherige Cast nicht interessant genug sei, um sieben Jahre zu füllen. Mit Seven of Nine und den Borg, so wird gesagt, habe Voyager eigentlich erst sein genuines Thema gefunden.

Wie so häufig liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Sicher ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass mit Seven of Nine die Serie einen gehörigen Sprung nach vorn macht. Mit ihr wächst Voyager ein ganzer Fächer an Handlungsbögen zu, über die die Serie vorher nicht verfügt hat. Das Thema Menschlichkeit und Mensch-Werdung kann nun in bester Tradition von Spock und Data in allen Facetten ausgeleuchtet und insbesondere mit den Figuren Janeways und des Doktors kombiniert werden. Auch bietet sich mit ihr die Möglichkeit, deutlich mehr über das Borg-Kollektiv zu erfahren, das bis dato ziemlich mysteriös blieb. Tatsächlich werden die Borg in Voyager zu dem, was die Klingonen in TNG und die Cardassianer/das Dominion in DS9 sind - Kulturen mit Tiefe -, und das ist unmittelbar mit der Figur Seven of Nines verknüpft. Allerdings ist der Umstand, dass Voyager überhaupt in die Lage geriet, kaum noch reizvolle Charaktere anbieten zu können, ein Verschulden der Autoren selbst, die frühzeitig alle Konflikte, Ecken und Kanten aus dem Pilotfilm abschlugen, sodass die meisten Hauptfiguren nach drei Jahren der Reise kaum noch narratives Potenzial besaßen. Voyager brauchte also notgedrungen frisches Blut. Dass es frisches Blut in einem hautengen Catsuit wurde, ist allerdings ein Aspekt, über den man in einer eigentlich emanzipatorischen Serie wie Star Trek trefflich streiten kann.

 

Jedoch trifft gewiss auch zu, dass Seven of Nine, gerade in den Staffeln vier und fünf, zu stark in den Vordergrund gerückt wurde. Ihre Ankunft verändert die Dynamik zwischen den Figuren in kurzer Zeit zu stark. Zum größten Teil liegt dies an Sevens Beziehung zum Captain, in der sich Elemente aus Janeways Verhältnis zu Tuvok, Kes und B’Elanna zu Beginn der Serie finden – ganz zu schweigen davon, dass Seven den Doktor in der Rolle des nach Menschlichkeit strebenden Maschinenwesens beerbt. Und ihr Borgstatus wirkt sich noch weitgehender aus. Oftmals entsteht schnell der Eindruck, dass sie alle anderen Figuren aufgrund ihrer Vielseitigkeit übertrumpft: Sie denkt technischer als Torres, verfügt über mehr taktische Expertise als Tuvok, kann mehr wissenschaftliches Know-how anbieten als Kim. Insofern degradiert sie die meisten anderen Figuren tatsächlich in die Rollen von Statisten. Während Torres und Paris wenigstens noch ihre Liebe füreinander entdecken und fortan eine durchaus reibungsvolle Beziehung führen (Tom kann dabei trotz gelegentlicher Captain Proton-Eskapaden unter Beweis stellen, dass er zu einem ernsthaften, verantwortungsvollen Mann gereift ist), verblasst insbesondere Chakotay, aber auch Tuvok, Kim und Neelix verlieren weiter an Farbe.

Es gehört vermutlich zur Ehrlichkeit dazu, einzuräumen, dass die Figuren, die jetzt stärker ins Hintertreffen geraten, schon in früheren Staffeln eher selten eine überzeugende Figur gemacht haben. Voyager war zum Zeitpunkt von Skorpion bereits mit vielen Fehlern und Problemen behaftet. Man könnte sagen, man hat einen harten Schnitt gemacht und sich auf das besonnen, was funktioniert hat. Dies ist vor allem das Triumvirat aus Janeway, Seven und dem Doktor, womit sich das Serienprinzip interessanterweise TOS mit Kirk, Spock und McCoy annähert.

 

An zwei Punkten flackert noch einmal kurz auf, wie großartig ein Zusammenspiel von Janeway und Chakotay auf gleicher Augenhöhe hätte sein können, und zwar in den Doppelfolgen Skorpion und Equinox. Endlich einmal gibt es Konflikte, die ans Grundsätzliche gehen. Janeways Verbissenheit, Grenzen überspringen zu wollen, gegen Chakotays Fähigkeit, eine Situation anzunehmen. Leider ist Chakotay auch in diesen Momenten nicht vehement genug und opponiert niemals gegen Janeways Autorität. Somit bleibt er letztlich kleinlaut. Gerade angesichts der isolierten Situation im Delta-Quadranten und Chakotays Maquis-Vergangenheit hätte man hier sehr viel mehr wagen können. Chakotay ist der mit Abstand schwächste XO, den je eine Star Trek-Serie zu bieten hatte. Das hat Voyager vieler Möglichkeiten beraubt. Beinahe selbstreflexiv wird darauf in Zersplittert in der siebten Season eingegangen. In dieser überaus gelungenen Episode wird fühlbar, wie viel besser Voyager geworden wäre, hätte es sich stärker auf sein Führungstandem und das besondere Vertrauensverhältnis von Janeway und Chakotay konzentriert, romantische Gefühle hin oder her.

Jenseits von Sevens kontinuierlicher Menschwerdung kommen die Charakterhandlungen der übrigen Hauptfiguren gelegentlich sehr ad-hoc - so nach dem Motto: Heute müssen wir mal wieder etwas für Harry Kim, heute etwas für Neelix tun. Vieles kommt komplett unvorhergesehen und ist ebenso schnell wieder abgearbeitet. So wird Paris schlagartig zum Rebellen mit ökoterroristischem Anstrich, wo er jahrelang relativ brav und stubenrein war (Dreißig Tage). B'Elanna hat auf einmal einen unterdrückten Todeswunsch, den sie angeblich seit dem Wissen über den Untergang des Maquis mit sich herumschleppt, der aber sonst nie thematisiert, geschweige denn erahnbar wurde (Extreme Risiken). Auch Janeways Depression in Nacht ist kein Glanzlicht - warum kommen ihr erst im fünften Reisejahr auf einmal Zweifel an ihrer Entscheidung, die Fürsorger-Station zerstört zu haben? Noch ein Wort zu Kes: Die Art und Weise, wie man sich ihres Charakters entledigte, der immerhin drei Jahre lang zum Grundinventar der Serie gehörte, legt so deutlich wie vielleicht nie die eklatanten Schwächen beim Umgang mit den Figuren offen. Eine Serie wie DS9 hat davon gelebt, dass beständig immer mehr Neben- und Gastrollen hinzukamen. Jede von ihnen erhielt ihre Szenen, jede ihre prägnanten Momente. Bei Voyager weiß man auch nach etlichen Staffeln bis in die Riege der Hauptfiguren hinein häufig nicht, wofür sie überhaupt stehen. Der Rausschmiss von Jennifer Lien aus der Serie – und dann noch mit einer solch unglaubwürdigen, abrupten Transformation von Kes begründet – ist die denkbar größte Kapitulation auf dem Gebiet des Drehbuchschreibens. Es wäre nicht um jeden Preis nötig gewesen, wenn man sich mehr mit den Figuren beschäftigt und sie interessanter gemacht hätte.

 

Am Ende der sieben Serienjahre ist auch Harry Kim ein weiteres prominentes Beispiel für besonders schlechte Charakterentwicklung bei Voyager. Keine lang anhaltende Partnerschaft, keine Beförderungen, keine nachhaltigen Veränderungen. Er ist an seiner OPS-Station regelrecht verkümmert. Am nächsten kommt Kim einem Entwicklungsbogen noch damit, dass er sich gefühlt einmal pro Jahr in eine zum Scheitern verurteilte Beziehung stürzt, die wahrscheinlich eine futuristische oder technische Version einer Geschlechtskrankheit beinhaltet und bis zur nächsten Season längst schon wieder vergessen ist (u.a. Das Generationenschiff, Asche zu Asche, Das Rennen).

Abseits der Borg, die die Kazon ersetzt haben, schlägt sich die Voyager anstelle der Vidiianer nun mit den Hirogen herum, einer ziemlich brutalen Spezies von Jägernomaden (u.a. Flaschenpost, Jäger, Beute, Das Tötungsspiel, Fleisch und Blut). Die Hirogen sind durch ihre Erscheinung zwar durchaus furchteinflößend, taugen jedoch höchstens für gelegentliche Gastauftritte. Ganz übel verrennen sich die Autoren in einem absurden Nazi-Szenario auf dem Holodeck, nachdem die Hirogen die Voyager erobert haben und die Mannschaft als Trainingsbeute verwenden (Das Tötungsspiel). Ansonsten tauchen die Malon mehrmals auf, ein Volk, das seinen giftigen Abfall einfach in den Weltraum kippt (Nacht, Verheerende Gewalt, Extreme Risiken). Abgesehen von den Borg, die tatsächlich differenziert wie nie betrachtet werden, bleibt die Serie bei der Zeichnung der meisten anderen Völker – wie auch schon in den ersten Staffeln – relativ holzschnittartig. Die Spezies besitzen in der Regel genau eine zentrale Eigenschaft, die stets aufs Neue aufgekocht wird. Hier haben DS9 und TNG einen erheblich besseren Job gemacht, indem sie Völkern wie zum Beispiel den Cardassianern eine komplexe, differenzierte Grauschattierung verliehen haben und kein schlichtes Schwarz oder Weiß.

 

Deutlich überzeugender als die Begegnungen mit neuen, wenig freundlichen Völkern sind die Folgen rund um Hologramme und die Frage nach der Freiheit und den Rechten von photonischen Lebensformen, die leider erst kurz vor und in der siebten Staffel richtig zum Tragen kommen (u.a. Rettungsanker, Fleisch und Blut, Die Veröffentlichung). Hier entdeckt der Doktor auf ausgesprochen amüsante Weise sein ureigenes Thema, ebenso wie er in der Hierarchie der Voyager bis auf die Kommandoebene aufsteigt (Dame Doktor As Spion, Die Arbeiterschaft, Renaissance Mensch). Da ist schon zu vernachlässigen, dass das Holodeck als Handlungselement bereits in TNG und DS9 oft genutzt wurde und von daher keine Basisinnovation der vierten Star Trek-Serie ist. Ebenfalls eine gute Erzählung ist Equinox, weil sie ein Was-wäre-wenn-Szenario für Voyager eröffnet, das zumindest nachholend überaus wichtig ist. Wie hätten Janeway und Co. sich verhalten, hätten sie das Schicksal des Nova-Klasse-Schiffes unter Captain Ransom gehabt? Wie wäre dann beispielsweise Janeways Umgang mit der Obersten Direktive gewesen, wo und wann hätte sie rote Linien überschritten? Ab welchem Punkt hätte sich dieser Geist nicht mehr in die Flasche zurückholen lassen? Dieses Szenario taucht beispielsweise auch im Remake von Battlestar Galactica anhand des Kampfsterns Pegasus auf und gehört zum Besten, was die Serie zu bieten hat.  

Unter dem Strich sind innerhalb des zweiten großen Voyager-Zyklus die vierte und die siebte Staffel besonders gelungen, während die sechste die mit Abstand schwächste ist. Wo im vierten und fünften Jahr beherzte Versuche unternommen wurden, dramatische und teils sehr düstere Geschichten (im Doppelfolgenformat) zu erzählen, kehrt man in Season sechs zu Einzelfolgen zurück, die oftmals etwas mit selbstreferenziellen Bezügen und Legendenbildung in Bezug auf das titelgebende Raumschiff zu tun haben. Das klappt zwar manchmal, geht aber auch gelegentlich arg schief. Zu oft steht die Handlung auf der Stelle. Staffel sieben trifft einen besseren Kompromiss aus Ereignislastigkeit und Selbstbezüglichkeit. Stilistisch wird Voyager in seiner zweiten Phase alles in allem härter und actionlastiger. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn es gehört zur Wahrheit dazu, dass die Serie in ihrem ersten Abschnitt manchmal etwas träge daherkam. Etwas kritischer kann man einen gewissen Hang zur Gigantomanie sehen, der sich allem voran bei der Darstellung der Borg manifestiert. Wir erinnern uns gut, wie in Angriffsziel Erde und Der Erste Kontakt ein gewaltiger Kubus auf die Erde zufliegt und die Sternenflotte bereits dramatisch in die Bredouille bringt. Hier wird die Voyager gleich von Dutzenden Borg-Würfeln gejagt – ein kleines, versprenkeltes Schiff – und kann sie doch immer bezwingen. Auch der Umstand, dass die Voyager-Crew relativ schnell einen Weg findet, mit Spezies 8472 fertig zu werden, die Borg jedoch nicht, gehört dazu, ebenso wie die Tatsache, dass Janeway sich entschließt, eine Transwarpspule von einem Borg-Schiff zu stehlen – oder eben gleich die Borg-Königin in ihrem Hauptquartier in die Luft zu jagen. Das Ganze auf etwas kleinerer Flamme zu kochen, wäre bestimmt kein Fehler gewesen, zumal wir uns lebhaft erinnern, wie schwer es bereits die angeblich so unterentwickelten Kazon der Voyager in drei Jahren gemacht haben.

 

Eine erfrischende Gegenbewegung innerhalb der insgesamt aggressiveren Staffeln vier bis sieben ist das komödiantische Element. Voyager findet gerade in seinen letzten Jahren eine besondere Nische im Bereich Slapstick. Hier steht in der Regel der Doktor mit seinem unnachahmlichen Gefühl, für Höheres berufen zu sein, im Mittelpunkt. Herausragende Beispiele sind Dame Doktor As Spion, Der Virtuose und Die Veröffentlichung. Aber auch Tom Paris' Captain Proton-Abenteuer bescheren dem Zuschauer so manche Lacher (u.a. Nacht, Dreißig Tage, Chaoticas Braut). Dies ist zwar überhaupt nicht die Richtung, die der Pilotfilm ursprünglich für die Show erahnen ließ, aber man muss deutlich sagen: Es funktioniert. Und es ist ein Alleinstellungsmerkmal von Voyager unter den anderen Serien, ganze Episoden nur mit Spaß und Scherz bestreiten zu können.

Über das Finale Endspiel scheiden sich die Geister. Sicherlich ist es keine schlechte Episode und auch nicht der schlechteste Weg, die Voyager über ein weiteres bombastisches Borg-Abenteuer zurückzubringen. Nur in einer Hinsicht ist es definitiv unbefriedigend: Die Serie endet, ohne dass der Zuschauer erfährt, wie es nun für die Mannschaft in der Heimat weitergeht. Was passiert beispielsweise mit Chakotay und den Maquis? Kommen sie ins Gefängnis? Wie entfremdet hat man sich inzwischen von einer möglicherweise durch den Dominion-Krieg stark veränderten Föderation? Die Serie endet einfach und abrupt. Vielleicht wäre es deshalb sinnvoller gewesen, die Voyager schon ein paar Folgen früher nachhause zu bringen, um zu sehen, wie die Dinge sich entwickeln. Irgendwie hätte es zum Tenor der Serie gepasst (und auch zu Harry Kims schöner Ansprache in Endspiel), dass diese Frauen und Männer nachhause kommen, nur um festzustellen, dass sie eigentlich an Bord der Voyager zuhause sind. Und dass sie vielleicht wieder recht bald gemeinsam losgezogen wären. Eines macht der Abschlusszweiteiler jedoch sehr richtig: Es geht um die Familie. Die alte Janeway ist bereit, die ganze Stabilität der Zeitlinie aufs Spiel zu setzen, um ihre 150 Mann starke Besatzung heil nachhause zu bringen. Das ist menschlich, und doch ist es die Antithese all dessen, was wir bislang in Star Trek kennengelernt haben. Dort hieß es immer: Das Wohl vieler überwiegt das Wohl weniger. Jetzt ist es umgekehrt. Und indem Voyager das demonstriert, hat es doch noch einen bleibenden Platz in der Landschaft der übrigen Star Trek-Serien besetzt.

 


Gesamtbeurteilung:
Wie man es dreht und wendet und bei aller berechtigten Kritik: Ab Staffel vier macht Voyager einen satten Qualitätssprung. Das hat unmittelbar mit Seven of Nine und den Borg zu tun. Das Heimkehr-Finale befriedigt zwar nicht alle Wünsche des Zuschauers. Trotzdem hat die Serie nach langem Herumirren durch mutige Kurskorrekturen ihren Markenkern gefunden.

 

 

Anmerkung: Die Gesamtbeurteilung ist keine bloße Addition aller Einzelbewertungen, sondern gewichtet prominente bzw. staffelbezeichnende Episoden stärker.

 

 

Einzelbewertung: Staffel 4

4.01

Skorpion (2)

4.02

Die Gabe

4.03

Tag der Ehre

4.04

Nemesis

4.05

Der Isomorph

4.06

Der schwarze Vogel

4.07

Verwerfliche Experimente

4.08

Ein Jahr Hölle (1)

4.09

Ein Jahr Hölle (2)

4.10

Gewalttätige Gedanken

4.11

Apropos Fliegen

4.12

Leben nach dem Tod

4.13

Wache Momente

4.14

Flaschenpost

4.15

Jäger

4.16

Die Beute

4.17 Im Rückblick
4.18 Das Tötungsspiel (1)
4.19 Das Tötungsspiel (2)
4.20 Vis à vis
4.21 Die Omega-Direktive
4.22 Unvergessen
4.23 Der Zeitzeuge
4.24 Dämon
4.25 Eine
4.26 In Furcht und Hoffnung

 

Einzelbewertung: Staffel 5

5.01

Nacht

5.02

Die Drohne

5.03

Extreme Risiken

5.04

In Fleisch und Blut

5.05

Es war einmal...

5.06

Temporale Paradoxie

5.07

Das Vinculum

5.08

Inhumane Praktiken

5.09

Dreißig Tage

5.10

Kontrapunkt

5.11

Verborgene Bilder

5.12

Chaoticas Braut

5.13

Schwere

5.14

Euphorie

5.15

Das ungewisse Dunkel (1)

5.16

Das ungewisse Dunkel (2)

5.17

Das Generationenschiff

5.18

Endstation - Vergessenheit

5.19

Der Fight

5.20

Die Denkfabrik

5.21

Verheerende Gewalt

5.22

Liebe inmitten der Sterne

5.23

23:59

5.24

Zeitschiff Relativity

5.25

Geheimnisvolle Intelligenz

5.26

Equinox (1)

 

Einzelbewertung: Staffel 6

6.01

Equinox (2)

6.02

Überlebensinstinkt

6.03

Die Barke der Toten

6.04

Dame, Doktor, As, Spion

6.05

Alice

6.06

Rätsel

6.07

Die Zähne des Drachen

6.08

Ein kleiner Schritt

6.09

Die Voyager-Konspiration

6.10

Das Pfadfinder-Projekt

6.11

Fair Haven

6.12

Es geschah in einem Augenblick

6.13

Der Virtuose

6.14

Das Mahnmal

6.15

Tsunkatse

6.16

Kollektiv

6.17

Das Geistervolk

6.18

Asche zu Asche

6.19

Icheb

6.20

Der gute Hirte

6.21

Lebe flott und in Frieden

6.22

Die Muse

6.23

Voller Wut

6.24

Rettungsanker

6.25

Der Spuk auf Deck Zwölf

6.26

Unimatrix Zero (1)

 

Einzelbewertung: Staffel 7

7.01

Unimatrix Zero (2)

7.02

Unvollkommenheit

7.03

Das Rennen

7.04

Verdrängung

7.05

Kritische Versorgung

7.06

Eingeschleust

7.07

Körper und Seele

7.08

Nightingale

7.09

Fleisch und Blut (1)

7.10

Fleisch und Blut (2)

7.11

Zersplittert

7.12

Abstammung

7.13

Reue

7.14

Die Prophezeiung

7.15

Die Leere

7.16

Arbeiterschaft (1)

7.17

Arbeiterschaft (2)

7.18

Menschliche Fehler

7.19

Q2

7.20

Die Veröffentlichung

7.21

Friendship One

7.22

Ein natürliches Gesetz

7.23

Eine Heimstätte

7.24

Der Renaissancemensch

7.25

Endspiel (1)

7.26

Endspiel (2)

 

Legende

Outstanding Episode (Prädikat: besonders wertvoll)
gute bis sehr gute Episode
durchschnittliche Episode
schlechte Episode
hundsmiserable Episode (Fremdschämen und/oder zu Tode langweilen garantiert)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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