Season-Ranking Deep Space Nine:

 

Wie gut sind die einzelnen Staffeln?

 

Season 1

Der vielleicht beste Pilotfilm aller Star Trek-Serien, in dem nahezu alle Handlungsfäden der späteren Serie bereits begonnen werden (welche andere Franchiseserie kann das schon von sich behaupten?). Danach muss sich Deep Space Nine allerdings erst einmal finden und startet mit relativ belanglosen Alien-of-the-week-Episoden bei nicht immer gegebener Charakterorientierung; manchmal sind die Charaktere zudem noch etwas holzschnittartig. Einige der Folgen (Tosk, der Gejagte, Der Parasit, Die Legende von Dal‘Rok) hätten genauso gut in jede andere ST-Serie gepasst. Es fällt auf, dass die Serie in dieser Phase noch fast ausschließlich abgeschlossene Geschichten ohne Konsequenz und Anknüpfung präsentiert. Bajor und seine politische Situation (im Piloten noch groß angekündigt) kommt etwas kurz – eine verschenkte Chance –, dafür grüßt der Gamma-Quadrant. DS9 zeigt sich nicht als sicherer, übertechnisierter Schutzhafen, sondern als latent konfliktgeladenes Setting, das durch das Wurmloch jederzeit Besuch von neuen, unbekannten Zivilisationen bekommen kann. Wobei die Besucher von der anderen Seite oft aus der Klischeeschublade der ST-Aliens zu kommen scheinen. Q ist auf DS9 wahrhaft unerwünscht, die große, mysteriös-vertrauenserweckende Kai Opaka für meinen Geschmack zu schnell verschwunden (Die Prophezeiung).

 

Ab der zweiten Hälfte geht es allerdings klar bergauf. Innere und crewinterne Konflikte rückten ins Zentrum: Odo, Quark und Kira haben unterschiedliche Moralvorstellungen und Vorgeschichten. Sie sind damit eine Herausforderung für den neuen ‚Bürgermeister‘ Sisko, der noch stark in den Kategorien der Sternenflotte denkt und agiert. Doch wo Reibung entsteht, setzen auch Lernprozesse ein, sodass wir verfolgen dürfen, wie Dialoge und Kompromisse Meinungsverschiedenheiten beilegen können. Höhepunkt der Staffel ist für mich Kiras allmähliche Wandlung von der kantigen, vorurteilsbeladenen Terroristin zur verantwortungsvollen Offizierin, die die Welt differenzierter wahrzunehmen beginnt (Muliboks MondDer undurchschaubare Marritza). Das Staffelfinale Blasphemie greift das Verhältnis zwischen wissenschaftlich orientierter Sternenflotte und bajoranischer Spiritualität auf, die hier in eine Konfliktsituation geraten. Dies wird verbunden mit dem ersten Auftritt von Vedek Winn, die bereits knüppelhart intrigiert und keine Opfer scheut. Die Folge bildet einen soliden Abschluss, der ein gesellschaftlich heute vielleicht sogar relevanteres Thema behandelt, und wirft zugleich die Schatten in Bezug auf die radikale Gruppe Allianz für globale Einheit (Kreis) voraus.

 

Das erste Jahr ist zwar noch weit vom späteren Qualitätsniveau weg, doch man merkt der Serie bereits hier an, dass sie Fehler wie zu Beginn von TNG vermeidet und eigene Wege einschlägt. Der bunte, diversifizierte Cast passt nicht nur schauspielerisch zusammen, sondern lässt Figurenentwicklungen zu, wie sie in einer starren Sternenflotten-Umgebung undenkbar gewesen wären. Früh eingeführt werden die zunehmend wichtigen Nebenrollen Nog, Gul Dukat, Elim Garak, der Große Nagus Zek sowie die bereits erwähnten Vedeks Winn und Bareil Antos. Sie bereichern das Ensemble, werden aber erst später mehr Würze einbringen können. Staffel eins ist ein solides Fundament – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Top 3-Episoden: Der Abgesandte, Der undurchschaubare Marritza, Muliboks Mond

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 2

Zu Beginn des zweiten Jahres wird endlich die Bajor-Handlung erheblich vorangetrieben. Zwar ist es schön, dass dem Thema gleich ein Dreiteiler gewidmet wird, der die politisch instabile Situation wieder wachruft. Die Religion, die während der Besatzung für die Bajoraner die einzige Zuflucht und Hoffnung war, verändert hier ihren Charakter und wird zu einem regelrechten Spaltpilz (Fortsetzung folgt in Die Wahl des Kai). Allerdings ist diese Auftakttrilogie trotzdem nicht besonders überzeugend. Die ganze Handlung um einen Putsch durch eine rechtsradikal-orthodoxe Gruppe wird dadurch absurd, dass selbst diesen Holzköpfen eigentlich klar sein müsste, was ein Vertreiben der Föderation aus dem bajoranischen System zur Folge haben wird: die Rückkehr der Cardassianer. Mehr noch: Der bajoranische Bürgerkrieg kommt quasi aus dem Nichts, kämpft mit schweren Logikdefiziten und wird nach seiner Beilegung nie wieder ein Thema sein – ein Umstand, der den entsprechenden Episoden im Kontext der kommenden Staffeln (wo die Bajoraner nicht sonderlich zerstritten wirken oder der Sternenflotte abneigend begegnen) noch mehr Plausibilität nimmt.

 

Trotz manch handwerklicher Fehler und der einen oder anderen langatmigen Folge ist Staffel zwei an einer Stelle zweifelsohne hervorragend: Durchgehend stimmiges World- und Characterbuilding mit hoher Kontinuität (Bajor/Cardassia, Garak, Dukat, Quark, Odo etc.) und starken TNG-Bezügen (wofür im Übrigen auch die Storywunderwaffe O’Brien in persona sorgt). Als Vorarbeit für Künftiges macht die Staffel einen prima Job und setzt sich damit vom ersten Jahr ab. Die beiden Maquis-Episoden und O’Briens Verurteilung auf Cardassia (Das Tribunal) sind für mich der dramatische Höhepunkt in einem sorgsam bereiteten, authentischen und erfrischend komplexen Setting. Die fragile Balance im Verhältnis zwischen Föderation, Bajor und Cardassia wird an verschiedenen Stellen deutlich (z.B. in Die Konspiration), was mit Gastauftritten von Figuren wie Dukat, Garak oder Winn treffend unterlegt wird. Charaktermäßig tut sich einiges: Jadzia Dax bekommt eine deutliche Erweiterung ihrer Figur in gleich verschiedene Richtungen spendiert (u.a. Der Symbiont, Der Trill-Kandidat, Der Blutschwur); Bashir streckt in einem intensiven Kammerspiel seine Fühler in Richtung Garak (Das Implantat) bzw. O’Brien (Das Harvester-Desaster) aus; Kira findet Frieden in ihrem Glauben und bei Bareil (Der Kreis, Die Illusion), wiewohl ihre besondere Beziehung zu Odo immer deutlicher wird. Apropos Odo: Erstmals wird auf seine Spezies eingegangen, die gemeinsam mit seinem ‚Erzieher‘ Dr. Mora Pol ins Gespräch gebracht wird (Metamorphosen).

 

Obwohl Bajor und Cardassia im Zentrum der Geschehnisse des zweiten Jahres stehen, gibt es erste Anzeichen, dass der Gamma-Quadrant nicht einfach die Fortsetzung des Alpha-Quadranten ist: Ein urgewaltiges, bedrohliches Imperium befindet sich dort draußen. Das Foreshadowing ist subtil, aber wirksam (u.a. Profit oder Partner!). Zum Schluss winkt das Dominion mit einer Auftaktepisode, die an sich zwar nicht vom Hocker reißt, dafür aber der Serie buchstäblich den Boden unter den Füßen wegziehen wird (im positiven Sinne wohlgemerkt!). Bilanzierend kann man sagen, dass DS9 im zweiten Jahr seine eigene Art und Weise entdeckte, ST-Geschichten zu erzählen. Dabei fügte es seinem Schauplatz immer mehr Hintergrundelemente hinzu und blickte mutiger als TNG in seinen Anfängen auf die klassische Serie zurück (man denke an die alten klingonischen Recken in Der Blutschwur oder an die Weiterentwicklung des Spiegeluniversums in Die andere Seite).

 

Top 3-Episoden: Der Maquis, Das Tribunal, Das Implantat

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 3

„Erde, wir haben ein Problem…mit den Gründern.“ Das ist spätestens nach Die Suche glasklar. Ein tiefer Einschnitt hat sich ereignet. Die Folge: Dominion-Paranoia greift immer mehr um sich. Nachdem klar ist, dass die Supermacht von der anderen Seite der Galaxis nichts Gutes im Schilde führt, beginnt der Alpha-Quadrant allmählich nervös zu werden. Deep Space Nine erhält zur Steigerung der Serienmobilität und für Reisen durch das Wurmloch ein hochpotentes, tarnfähiges Kriegsschiff, das selbst ein Politikum mit einer ansehnlichen Backstory ist (die klaustrophobischen Runabout-Szenen waren damit für Schauspieler und Autoren weitgehend passé; wie soll man den Alpha-Quadranten auch mit ein paar Sternenflitzern verteidigen?).

 

Cardassianer und Romulaner wagen einen verhängnisvollen Alleingang im Gamma-Quadranten, und das Dominion ist trotzdem allen einen Schritt voraus. Hatte DS9 eine Menge an Vorgaben aus TNG übernommen und diese erforscht, verfolgt es nun deutlich stärker seine eigene Handlung. Es ist kein Fehler, dass die Bürger- und Religionskonflikte auf Bajor nun stark zurückgefahren wurden. Dank perfekter charakterlicher Vorarbeit in den vergangenen Staffeln bekommt Odo einen faszinierenden Hintergrund und steigt zu einer der wichtigsten Figuren auf (abgesehen davon ist der Weg für die Liebesgeschichte mit Kira nun frei). Auch Garak glänzt, während sich seine Vergangenheit zusehends lichtet. Zu erwähnen wären auch Nog, der am Beginn seiner Sternenflotten-Karriere steht, sowie unter anderem das Auftauchen von Michael Eddington und Kasidy Yates – Personen, mit denen später noch viel gearbeitet werden wird.

 

Mit Der Widersacher endet die Staffel ähnlich düster und bedrohlich wie sie angefangen hat. Jenseits des Dominion-Plots hat das dritte Jahr eine ganze Reihe gut bis sehr gut gemachter Folgen vorzuweisen (u.a. Die zweite HautDer Visionär, Das Haus des Quark, Gefangen in der VergangenheitHerz aus SteinTrekors ProphezeiungDas Equilibrium). Einige der Einzelfolgen reiten ab und an zu sehr auf Identitätsfragen herum, mit unklarem Ziel, aber die Folgen, die auf den späteren Dominion-Konflikt zulaufen, sind narrativ, schauspielerisch und visuell richtig stark.

 

Top 3-Episoden: Der geheimnisvolle Garak, Die zweite Haut, Der Widersacher

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 4

Ira Steven Behr war zum Showrunner aufgestiegen, als Michael Piller zu Voyager wechselte. Einem sorgsam ausgebreiteten Plan folgend, wären er und sein Team bereit gewesen, dem Dominion zu Beginn des vierten Jahres den Krieg zu erklären. Dann mischte sich Paramount plötzlich ein und forderte, die Serie so zu verändern, dass ein (noch) breiteres Publikum angesprochen werden konnte. Behr war zu Anfang vielleicht nicht begeistert, aber als er und sein Writers Room die Sache durchdachten, schlugen ihre Ideen Funken. „Zuerst waren es die Cardassianer, dann war es das Dominion – und jetzt sind es die Klingonen!“ Quark hat Recht – und es ist einfach grandios.

 

Auf die Dominion-Staffel folgen ganz unerwartet – und doch kunstvoll und organisch eingeführt – die Krieger von Qo‘noS. Aber auch die drehen langsam am Rad und kehren im Angesicht der Bedrohung durch das Dominion zu alten Gewohnheiten zurück (was für politische Szenen wohl dahinter stehen mögen?). In Der Weg des Kriegers – zweifellos eine der besten Star Trek-Doppelfolgen überhaupt – setzen sie den halben Quadranten in Brand, und dazwischen sind Sisko (inzwischen mit rasiertem Schädel) und seine Crew und müssen zusehen, wie sie das letzte Bisschen Stabilität bewahren. Worfs Transfer nach DS9 erscheint durchweg gelungen; er findet im Laufe der Staffel vollends in den Cast und ist schon nach kurzer Zeit nicht mehr wegzudenken. DS9 baut hier das liebgewonnene TNG-Universum gekonnt und ohne Brüche zu einem politischen Wandteppich aus, und die Station wird endgültig zum Nexus der Ereignisse. Worldbuilding vom Feinsten!  Worf wird noch große Schwierigkeiten mit seinem Volk bekommen. Die erstklassige Folge Das Gefecht demonstriert, dass die Klingonen in ihrem Eroberungsrausch tatsächlich zu Verhaltensweisen zurückkehren, wie wir sie aus TOS kennen. Sie identifizieren Worf als Schwachstelle und lassen sich auf eine juristische Verhandlung ein, um ihn zu diskreditieren. Doch dahinter lauern faule Tricks.

 

Innerhalb des Ensembles der Gastfiguren sticht wieder einmal Dukat hervor, der sich nicht bloß neuen politischen Gegebenheiten anpasst, sondern mit dem Bekenntnis zu seiner unehelichen halbbajoranischen Tochter Ziyal und einem vermeintlich selbstlosen Guerillakampf gegen die Klingonen den Pfad des Geläuterten einzuschlagen scheint (Indiskretion, Zu neuer Würde). Oh, wie wird er uns in Zukunft noch fordern! Politisch und moralisch ist der Zweiteiler Die Front/Das verlorene Paradies ein Genuss und brilliert bei einem Thema, wo die TNG-Folge Die Verschwörung noch kläglich versagte. Daneben spinnt DS9 viele frühere Bögen weiter (u.a. nimmt Sisko in Die Übernahme seine Rolle als Abgesandter endgültig an) und sorgt  insbesondere mit Blick auf das Maquis-Thema für einen echten Knall (In eigener Sache). Ach ja, und nicht zu vergessen wären da auch eine unglaublich unterhaltsame Ferengi-Zeitreise-Folge (Kleine, grüne Männchen) sowie die mutige und gelungene Darstellung eines Kusses zwischen Gleichgeschlechtlichen (Wiedervereinigt; TOS lässt grüßen, das dereinst einen Kuss zwischen Schwarz und Weiß in Szene setzte). Die deutlich beste, authentischste und abwechslungsreichste DS9-Staffel.

 

Top 3-Episoden: Der Weg des Kriegers, Die Front/Das verlorene Paradies, In eigener Sache

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 5

Trotz der Intervention des Studios, durch die die Klingonen in Season vier tonangebend wurden, verlor Behr seinen ursprünglichen Plan nie aus den Augen – er wollte seine Vision für die Serie durchziehen. Im fünften Jahr setzten er und sein Autorenteam tatsächlich Kurs auf die Apokalypse. Zeigte das Dominion in Staffel drei und vier eindrucksvoll, welch mächtige Waffe Furcht sein kann, setzt es nun auf die andere Seite der Milchstraße über.

 

Dass es die Cardassianische Union als neuen Partner und Brückenkopf gewinnt, leitet sich perfekt aus den Geschehnissen der letzten Staffel ab. Die Schatten der Hölle/Im Lichte des Infernos stellt die Weichen für die kommenden Jahre, auch wenn hier die Apokalypse noch einmal vertagt werden kann. Mit der Verminung des Wurmlochs durch die Sternenflotte greift dann das Dominion endgültig Zu den Waffen! – definitiv eines der besten Staffelfinales und einschneidender Auftakt eines siebenteiligen Handlungsbogens. Trotz des Zugangs von Martok als wiederkehrender Gastfigur, teils wunderbarer und tief gehender Charaktermomente (Dax/Worf, Sisko/Eddington) und Bashirs grandioser ‚Neuerfindung‘ als genetisch erweiterter Supermensch (Dr. Bashirs Geheimnis) verliert sich die Vorkriegsstaffel zeitweilig aber in den Nebenkriegsschauplätzen des Einzelepisoden-Kleinklein.

 

Da hätte ich lieber mehr von Siskos aufwühlender Maquis-Jagd (Für die Uniform) gesehen – wie schade, dass die Autoren sich relativ rasch von Eddington trennten, der Siskos moralische Fehlbarkeit und seine gekränkte Eitelkeit perfekt sezieren konnte. Stattdessen bekamen wir Liebeleien, Risa-Ausflüge, heilige Visionen, Formwandler-Babys und Ferengi-Comedy (ach so, die Tribbles gab es ja anlässlich des dreißigsten ST-Jubiläums auch noch; eine weitere Verbeugung vor TOS). Das ist jedoch Jammern auf sehr hohem Niveau. DS9 bleibt seiner Linie treu, und man beginnt langsam richtig zu staunen, mit was für einem großen Aufgebot an überzeugenden Gastrollen die Show bis zum Schluss jonglieren wird.

 

Top 3-Episoden: Zu den Waffen!, Im Schatten der Hölle/Im Licht des Infernos, Für die Uniform

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 6

Der Auftakt des sechsten Jahres unterschied sich frappant von allem, woran Star Trek sich vorher versucht hatte. Die DS9-Macher hatten immer wieder packende Zwei- und sogar Dreiteiler realisiert, aber ein siebenteiliger Handlungsbogen war definitiv Neuland. Er hat sich durchweg gelohnt und überzeugt auch heute noch. Es ist spannend und mitreißend, die harte Frontarbeit von Sisko und Co. hinter feindlichen Linien zu verfolgen. Zudem ist faszinierend, was anhand der ehemaligen Freiheitskämpferin Kira und auch Odo verhandelt wird: Wie leicht es nämlich passieren kann, sich in eine Ordnung zu fügen und weiterzumachen, sich zu sagen, man habe keine Wahl, und dann wacht man auf und stellt fest, dass man eigentlich zu einem Kollaborateur geworden ist.

 

Nach dem epischen Showdown rund um die Rückeroberung von DS9 geht dem Dominion-Krieg allerdings ein wenig die Puste aus. Es folgen eine Reihe von Zwischen- und Füllerepisoden, trotz der einen oder anderen schönen Charakterstory (allem voran Dax‘ und Worfs junge Ehe, der leider kein langes Leben vergönnt sein wird; man denke auch an Nogs Beförderung oder die Veränderungen für den Bashir-Charakter). Teilweise verwässert der zunehmende Kuschel- und Soapkurs (siehe auch Odo/Kira) die Atmosphäre des Kriegs; DS9 ist hier zu sehr familienfreundlicher Gemischtwarenladen. Eine herausragende Einzelfolge und zentraler Wendepunkt für den Krieg ist die Episode Im fahlen Mondlicht, der es gelingt, schwierige und fragwürdige moralische Entscheidungen in Star Trek-konformer Weise anzugehen. Toll erzählt! Eine der besten Folgen der Serie ist gewiss auch Jenseits der Sterne, die Rassismus und Sexismus im Amerika der 1950er Jahre behandelt. Der Gedanke, dass DS9 als positive, widerständige Vision im Geist eines Afroamerikaners namens Benny Russell entstanden sein könnte, trifft einen Nerv. Immerhin ist Roddenberrys Franchisekosmos allem voran die Utopie einer Menschheit, die nicht länger durch Kategorien wie Nation, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung gespalten wird.

 

Dass die Bajor-Handlung nicht komplett fallen gelassen wurde, rechne ich den Autoren an; leider können mich Pah-Geister und Propheten nicht sonderlich hinterm Ofen hervorlocken. Das gilt dann auch für die letzte Episode, in der der vielschichtige Charakter Dukat endgültig zugunsten eines wahnsinnigen Psychopaten zerstört wird. Der Abgang der würdevollen, weisen und stets gut gelaunten Dax hinterlässt eine Lücke, die zu diesem späten Zeitpunkt der Serie nicht gefüllt werden kann. Ach ja: Der leicht macholastige und doch grundsympathische Holo-Nachtclubsänger Vic Fontaine war ein schönes Vehikel, um die Serie mit Swing, Gefühl und Humor zu vitalisieren. So hatte am Ende jede ST-Serie (TNG, DS9, VOY) ihre angestammten Holodeckprogramme und -figuren.

 

Top 3-Episoden: Sieg oder Niederlage?, In fahlem Mondlicht, Jenseits der Sterne

 

Gesamtbewertung:

 

 

 

Season 7

‚Ermüdung‘ ist ein gutes Wort, mit der weite Teile der Finalstaffel überschrieben werden können. Als Zuschauer wird man dem Krieg überdrüssig; er weckt Unwohlsein und Erschöpfung, aber das scheint ein von Behr und Co. gewolltes Stilelement gewesen zu sein, denn genau dieses zermürbende, ermattete Gefühl empfinden auch die Figuren. Der brutale Stellungskrieg fordert seinen Tribut. Es hat auch schon vorher Folgen gegeben, die sich mit den Auswirkungen von Krieg befasst hatten (z.B. Die Schlacht um Ajilon Prime), doch mit Episoden wie Die Belagerung von AR-558 erfolgt nun eine Steigerung. Beginnend mit In fahlem Mondlicht und dann vor allem im siebten Jahr zeigte sich die Essenz dessen, was die Serie schließlich wurde: eine harte und realistische, aber niemals verherrlichende Auseinandersetzung mit dem Gräuel von Krieg. Der Krieg wird als Bestie gezeichnet, der mit der Zeit Stück für Stück selbst von den Edelmütigen und vermeintlich zivilisierten Gesellschaft Besitz ergreift und eine ‚Der Zweck heiligt die Mittel‘-Einstellung begünstigt. Ebenso sehen wir aber auch Verantwortung und großen Mut.

 

Der Entschluss, Dax eine Nachfolgerin zu spendieren, war nicht unbedingt glücklich, denn viel zu spät in der Serie wird Aufbauarbeit für Ezri geleistet, wo andere Themen erheblich drängender gewesen wären. Störend empfinde ich vor allem, dass die Präsenz von Ezri teilweise die dramatischen Entwicklungen des Kriegs auszubremsen scheint. Zum Beispiel verbringen sie und Worf als Gefangene der Breen zu viel Zeit damit, über ihre Beziehung zu diskutieren. Anknüpfend an das kleine Experiment in Sachen serieller Erzählung zu Beginn von Staffel sechs führt uns ein durchgehender Storyarc durch die letzten zehn Episoden, die den Krieg teils routiniert, teils mit der einen oder anderen packenden Wendung (man denke etwa an die Erhebung aus den Reihen der Cardassianer) zu Ende führen. Besonders bemerkenswert, wenn auch hoch provokant, erscheint die Idee der Autoren rund um die in Jahr sechs eingeführte Sektion 31, die Roddenberrys Star Trek-Gesetze von der perfekten Zukunftsgesellschaft der Föderation endgültig gegen den Strich bürstet.

 

Der Weg für Sisko und seine Streitmacht bis nach Cardassia Prime ist lang und hart. Die finale Doppelfolge mag nicht der große Knaller sein, den man sich vielleicht wünscht, und es werden auch nicht alle Handlungen zu einem Ende gebracht (man denke etwa an Bajors Föderationsbeitritt, den wir nicht mehr mitverfolgen dürfen). Dennoch zeigt sie klar, was DS9 unter den ST-Serien besonders macht: Viele der Figuren gehen am Ende von Bord, als durch Ereignisse und Freundschaften stark gewandelte Persönlichkeiten; der Captain findet gar den körperlichen Tod, und Kira übernimmt das Kommando. Zutiefst unbefriedigend ist das Ende von Dukat, dessen Figurenzeichnung seit der Rückeroberung von DS9 einen stetigen Niedergang erlebt hat. Ähnliches gilt im kleineren Maßstab für Kai Winn, die schlussendlich einfach zu negativ überzeichnet wirkte. Hingegen überraschte, was man am Ende aus Dukats altem Sidekick Damar gemacht hat.

 

Alles in allem eine gute, wenn auch manchmal zu soapige (Wettkampf in der Holosuite, Badda-Bing, Badda-Bang etc.) Abschlussseason für die bis dato ungewöhnlichste Star Trek-Serie. Die Gesamtbilanz für die Show ist jedoch hervorragend: Vom Anfang bis zum Schluss wagten es die Produzenten, kontinuierlichen Wandel, ein komplexes Storytelling, Charakterentwicklung und politische Ereignisse zu den Schlüsselelementen von DS9 zu machen. Die Serie bleibt mit ihrer Andersartigkeit, ihrer Epik und ihrem Tiefgang der große Ausreißer unter den üblichen raumschiffzentrierten ST-Ablegern. Ira Steven Behr hat preisgegeben, aus welchen Überlegungen heraus er den Titel für das Finale wählte: „Ich habe mal ein obskures Zitat gelesen: Alles, was du mit dir nimmst, ist das, was du zurücklässt. Ich fand das sehr schön. Zudem endet es auf eine andere Weise als The Next Generation, dessen ‚All Good Things (must come to an end)‘ ein Statement ist, das einem sagt, dass die letzten sieben Jahre gut waren. What You Leave Behind ist jedoch eine Frage, eine Herausforderung an die Zukunft.“

 

Top 3-Episoden: Extreme Maßnahmen, Die Belagerung von AR-558, Kampf mit allen Mitteln

 

Gesamtbewertung:

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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