I.K.S. Gorkon: A Burning House

Autor: Keith R.A. DeCandido
Erscheinungsjahr: 2008
Seitenzahl: 400
Band: 4

Zeitraum: 11/-12/2376

 

Inhalt

 

Pocket Books traute offenbar seinem eigenen Titel nicht und benannte ‚I.K.S. Gorkon‘ kurzerhand in ‚Klingon Empire‘ um. Das hing auch damit zusammen, dass um 2007 die Idee kursierte, die Romanserie rund um den namensgebenden klingonischen Schlachtkreuzer in eine globalere Reihe zum Klingonischen Reich einmünden zu lassen. Diese erblickte jedoch nie das Licht der Welt, und so mutet im Rückblick ein wenig irritierend an, dass A Burning House (abgeleitet vom klingonischen Sprichwort „Nur Narren kämpfen in einem brennenden Haus“) im Grunde ein weiterer Abkömmling der Gorkon-Reihe unter anderem Titel präsentiert wird.

 

Zugegeben, nun geht es stärker auch um globalere Zusammenhänge im Kriegerimperium, doch der Fokus des letzten Romans zur (leider) abgebrochenen Serie liegt eindeutig auf den Stammfiguren, die organisch weiterentwickelt werden. Nun sind diese eben auf Qo’noS und anderswo unterwegs und erleben keine Weltraumabenteuer an Bord ihres Schiffes. Der Anlass dafür: Natürlich, die Gorkon muss nach den zurückliegenden Abenteuern umfassend gewartet werden.

 

Doch sind Klingonen auf Landgang wirklich ein interessantes Thema für einen Roman? Überraschenderweise muss man dies bejahen, denn nahezu jede Figur muss sich in dieser Geschichte einem beruflichen oder persönlichen Konflikt stellen (hier nicht nur verstanden als Kampf gegen jemanden, sondern auch als intensives Zwiegespräch mit sich selbst):

 

  • Schiffsärztin B’Oraq absolviert eine medizinische Tagung, bei der sie feststellen muss, wie feindselig die Kollegen ihrer Zunft auf ihre fortschrittlichen Behandlungsmethoden reagieren. Auch Kanzler Martoks Unterstützung von B’Oraqs Initiative ändert nur wenig an dieser veralteten Sichtweise einer ganzen Berufsgruppe.
  • Captain Klag muss sich zusammen mit anderen Kommandanten der Chancellor-Klasse-Kreuzer einer Missionsnachbesprechung stellen. Dabei gerät er in den Fokus des klingonischen Geheimdienstes, der noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat. Aus gutem Grund: Beim Kampf um den Planeten Elabrej ist Klag nicht gerade zimperlich mit einem Agenten umgegangen. Doch dieser Disput mit dem Geheimdienst ist erst das Präludium. Denn Klags Bruder Dorrek, der von Klag aus dessen Haus geworfen wurde, weil er bei San-Tarah nicht den Befehlen seines älteren Bruders gefolgt war, hat eine List ausgeheckt, um Rache an Klag zu üben.
  • Bei Waffenoffizier Rodek (vor seiner Gedächtnislöschung kein Geringerer als der entehrte Bruder von Föderationsbotschafter Worf) kommen allmählich Erinnerungen an sein früheres Leben auf. Mögen die Impressionen, die in ihm aufsteigen, eher fragmenthaft und daher auch rätselhaft sein, dämmert Rodek allmählich, dass an seinem Gedächtnisverlust etwas dran sein muss. Womöglich steckt eine ganz andere Wahrheit dahinter? Um Nachforschungen anzustellen, kehrt Rodek dorthin zurück, wo für ihn alles angefangen hat: nach Deep Space Nine. Dort trifft er auf Doktor Bashir, der sich jedoch sehr schmalsilbig und schweigsam gibt. Später begegnet ihm sogar Captain Klags Erzfeind, der Rodeks Zustand für seine Zwecke einzusetzen gedenkt.
  • Führerin Wol nimmt, nicht ganz freiwillig, eine Einladung von Kagak an, einem Mitglied ihrer Kampfgruppe. Während dieser im Kreis seiner Familie auf Pheben III eine Art Dankfest feiert, stellt Wol fest, dass das einfache, ursprüngliche Leben in der landwirtschaftlichen Kolonie eindeutig seine positiven Seiten hat. Es bringt sie bezüglich ihres weiteren Lebenswegs auf neue Gedanken.
  • Der XO Toq möchte seinen Adoptivvater besuchen, doch auf dem Weg zu ihm schnappt er ein Notsignal von seiner eigentlichen Heimat auf: Carraya IV. Offenbar wurde das geheime Lager, in dem Romulaner und klingonische Gefangene von Khitomer seit Dekaden friedlich zusammenleben (TNG: Der Moment der Erkenntnis), von irgendjemandem angegriffen. Am Ort des Geschehens angekommen, stellt Toq entsetzt fest, dass nur der romulanische Aufseher Tokath und dessen halb-klingonische Tochter Ba’el überlebt haben. Unterstützt von Toqs Adoptivvater, der beim Geheimdienst arbeitet, begeben sie sich auf die Suche, um nach dem Täter des vernichtenden Angriffs zu suchen. Während er mit den beiden Überlebenden des Angriffs Zeit verbringt, stellt Toq mehr denn je fest, dass ihm seine alte Heimat fremd geworden ist und seine Entscheidung, Carraya zu verlassen, um dem ‚echten‘ Klingonenweg zu folgen, für ihn die richtige Entscheidung war.
  • Chefingenieurin Kurak muss alles daran setzen, die Gorkon wieder zu reparieren. Nebenher kann sie etwas Zeit mit ihrem heimlichen Geliebten Leskit verbringen. Doch der ist schnell wieder bei seiner Familie, wodurch ihr endgültig bewusst wird, dass ihre Beziehung nie auf Augenhöhe stattfinden wird. Im Zuge der weiteren Ereignisse wird sich auch für sie die Frage auftun, ob es nicht eine andere Lebenslinie für sie geben mag als den wenig geliebten Militärdienst.

 

 

Kritik

 

Geben Sie es zu, liebe Leserin, lieber Leser: Die Beschreibung dieser Plots klingt jetzt nicht so wahnsinnig spannend. Doch so ist es ganz und gar nicht. Zum einen knüpft die ganze Story perfekt an Gorkon an, zum anderen überführt Keith R. A. DeCandido sie jedoch in breitere Kontexte. Die Gorkon ist nicht mehr das Gravitationszentrum der Handlung. Die Story und die näheren Infos über die klingonische Gesellschaft, die Canon-Jongleur KRAD nun erheblicher beherzter einstreut, fand ich spannend. Zudem ist die Erzählweise flott, sprühend und humorvoll geraten; fast jede Szene ist somit auf den Punkt. Im Gegensatz zum Auftaktband der Reihe merkt man deutlich, dass die Figuren immer ungewöhnlichere Pfade einschlagen und die anfangs noch aufgerufenen Krieger- und Ehrklischees mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Deshalb passte der Cameo-Auftritt des seinerseits so ungewöhnlichen Klingonen Worf hier auch gut hinein.

 

Der dramatischte Teil des Romans und Höhepunkt ist eindeutig Dorreks Racheplan. Die Art und Weise, wie Rodek/Kurn darin involviert ist, kommt schmerzvoll daher. Doch prinzipiell ist jeder Plot an jedem Schauplatz interessant, informativ und mit Blick auf die zentralen Figuren erhellend. Das Schöne ist, dass sich der vierte Roman weitgehend freigeschwommen hat von Klingonenstereotypen. Im Setting und Wertekontext einer zur Föderation stark abweichenden Kultur werden dreidimensionale, durchaus ungewöhnliche und atypische Charaktere behandelt, die das Panoptikum auf die klingonische Gesellschaft treffend erweitern. Einzig bleibt hier und da der Verdacht, dass es gelegentlich doch ein bisschen zu sehr ‚menschelt‘, was Werte und Umgang miteinander betrifft. Andererseits lässt sich anhand von A Burning House durchaus trefflich darüber diskutieren, ob vieles an dem, was wir über Klingonen zu wissen glauben, nicht vielmehr Fassadenwissen ist und viele Klingonen diese Fassaden gegenüber Außenstehenden auch pflegen, wohingegen im Innern ihrer Gesellschaft doch deutlich mehr Pluralität herrscht.

 

Da die Hauptcharaktere alle von der Gorkon kommen und die neu eingeführten Charaktere deutlich hinter den alten Recken zurückbleiben, hätte man das Buch gerne unter dem alten Titel herausbringen können. Vielleicht war es im Rückblick ganz gut, dass die Reihe nicht weitergeführt wurde. Erstens scheint schwer vorstellbar zu sein, dass sie ihre Frische dauerhaft hätte erhalten können, und zweitens hat hier ein Prozess einer starken Zerstreuung der Figuren eingesetzt, was zu einem Nebeneinander von Handlungsbögen geführt hat. Was in A Burning House erzählerisch auflockernd daherkommt, hätte sich längerfristig womöglich als Pferdefuß entpuppt.

 

 

Fazit

 

Dieser Roman stapelt in seinem Klappentext ziemlich tief, entpuppt sich dann aber als rundum gelungen, interessant und spannend. Nach all den Kämpfen der zurückliegenden Bücher finden wir viele Figuren in ungewohnten Rollen vor. KRAD gelingt es, sie kraftvoll weiterzuentwickeln, ohne auf ihren bereits reichhaltig ausgebreiteten Background zu verzichten. Indem A Burning House vor allem das Privatleben der Gorkon-Crew beleuchtet, fügt dieser Roman sozusagen das ‚fehlende Fragment‘ zum bisherigen Reigen hinzu. Unter dem Strich ist das Experiment einer genuin klingonischen Buchreihe zumindest in Teilen als geglückt anzusehen, was zweifellos mit dem besonderen Autor nachhause geht (der leider später keine Aufträge mehr von Pocket Books erhalten hat).

 

7/10 Punkten.

11-2022