Headlong Flight

Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: 2017
Seitenzahl: 350
Band: 24

Zeitraum: 6/2386

 

Inhalt

 

Mitte 2386. Die Enterprise ist weiterhin im Odysseischen Pass unterwegs. Da begegnet ihr bei der Erforschung eines Sternennebels ein wahres Wunder: Es handelt sich um einen Planeten, der unter heftigen Turbulenzen transdimensional reist, also zwischen verschiedensten Realitäten und Zeiten innerhalb des Multiversums hin und her springt. Natürlich sind Captain Picard und seine Crew von dem Phänomen sofort über alle Maßen fasziniert, birgt es doch die Chance, Aufschluss über die Natur paralleler Realitäten und deren Verbindung zueinander zu gewinnen.

 

Blöderweise geht einiges schief: Der Versuch, mehr über die fremdartige Welt und ihre Einwohner in Erfahrung zu bringen, endet in einem Debakel. Ein Shuttle mit Enterprise-Besatzungsmitglieder stürzt auf dem Planeten ab, sodass die Havarierten nun zwangsläufig mit der planetaren Bevölkerung quer durch alle Dimensionen springen.

 

In einer anderen Dimension, in einem alternativen Jahr 2367, stößt eine Enterprise-D auf dasselbe Phänomen. Doch an Bord dieses Schiffes sind einige Dinge anders. Dort befehligt Captain Riker das Schiff, nachdem sein eigener Captain als Locutus im Kampf gegen den Borg-Würfel vernichtet wurde. Nun befehligt er also jenes Schiff, an dem immer sein Herz gehangen hat, ist sich aber unsicher, ob er den Ansprüchen seines verehrten Vorbilds genügen kann. Der erste Offizier ist Data, derweil Tasha Yar am Leben ist und Wesley Crusher eine wichtige Position an Bord innehat.

 

Besagter alternativer Captain Riker findet sich Angesicht zu Angesicht mit Captain Picard von der Enterprise-E aus der anderen Realität. Beide kommandierenden Offiziere wie auch ihre Mannschaften sind überaus irritiert ob dieser Begegnung. Und Geordi La Forge sogar noch mehr, da er in die Situation kommt, sich selbst zu begegnen – wenn auch einem Selbst, aus einer anderen Zeit und einer anderen Dimension.

 

In einer weiteren alternativen Realität des Jahres 2266 wartet eine Flotte von romulanischen Schiffen auf eine Chance, der verhassten Föderation einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Wozu diese mysteriöse Welt die perfekte Gelegenheit bietet.

 

Picard ahnt sehr bald, dass diese verschiedenen transdimensionalen ‚Spielpartner‘ zusammen mit den Bewohnern des umherreisenden Planeten einen Weg finden müssen, jeden wieder dahin zu schaffen, wo er hingehört und den Planeten dazu bringen, mit seinen Dimensionswechseln aufzuhören. Doch wie soll ihnen das gelingen?...

 

 

Kritik

 

Dieser Roman beginnt wie eine klassische TNG-Serienepisode. Das Buch ist frei von allen politischen Verstrickungen, wie sie in letzter Zeit in den Relaunch-Romanen doch sehr dominant geworden sind, und widmet sich einem Alien-of-the-week-Problem, wenn man so will. TNG kehrt damit seit einigen Büchern ein Stück weit zu seinen Wurzeln zurück, was schön ist, festzustellen. Man merkt, dass Ward ein paar Ansätze von TNG gerne weiterdrehen wollte, hier vor allem die Eindrücke aus der Folge Parallelen, als Worf quer durch mehrere alternative Realitäten mäanderte.

 

An und für sich hat mich der Roman nicht vom Hocker gehauen. Die Geschichte ist nichts Besonderes oder Herausragendes; sie ist auch nicht gerade von der kreativen Art. An einem wirklichen Spannungsbogen fehlt es dem Buch, das über weite Strecken dahinplätschert. Die Enterprise gerät in ein dimensionsübergreifendes Abenteuer, und man erfährt zwar einiges über die ominöse Welt, die ständig die Dimensionen wechselt, aber hier bleibt vieles vage, unausgearbeitet und teils holzschnittartig. Zum Beispiel, wieso hier immer von Dimensionssprüngen anstatt von Paralleluniversen die Rede ist. Wo ist der Unterschied? Das wird alles nicht recht geklärt. Abgesehen davon war in der referenzierten Folge Parallelen von unterschiedlichen "Quantenrealitäten" die Rede.

 

Was den Roman im Verhältnis zur entsprechenden TNG-Episode deutlich lahmer macht, ist, dass die Zeitlinien-Vertreter, die vom reisenden Planeten angezogen werden, nur wenige und statisch sind. In Parallelen hingegen sprang Worf ständig in neue Dimensionen, und im Verlauf der Folge driftete er in Zeitlinien mit immer größeren Abweichungen von seiner eigenen. Alleine das erzeugte eine enorme Befremdung und Spannung. Hier jedoch erfolgt eine Beschränkung auf wenige ausgewählte und dann bleibende Zeitlinien-Vertreter.

 

Immerhin: Bei einer Geschichte, bei der es um eine weithin wissenschaftliche Betrachtung eines Raumzeitphänomens geht (damit einhergehend darf eine Menge an Technobabble nicht fehlen), ist nicht viel Platz für Action. Grundsätzlich ist das der richtige Weg nach all dem Mord und Todschlag. Doch hier geht es zum Glück nicht bloß um ein Planetenmysterium und eine Rettungsmission. Der springende Planet scheint eher Mittel zum Zweck für etwas anderes zu sein: eine Art Selbstbegegnung. Die Enterprise-Crew trifft auf eine alternative, früher angesiedelte Version von sich selbst. Diese reflexiven, selbstbespiegelnden und auch nostalgischen Momente sind die wohl größte Stärke von Headlong Flight, auch wenn sie definitiv nicht genügen, um das Buch aus der Durchschnittlichkeit zu hieven.

 

Es gibt in diesem Roman eine Szene, in der Picard die alternative Enterprise-D betritt und die Unterschiede zwischen diesem und seinem Schiff instinktiv bemerkt; er beginnt darüber nachzusinnen. Es entspinnen sich Gedanken darüber, wie sehr sich die Föderation, die Missionen der Sternenflotte und ihre Raumschiffe im Laufe der Jahre verändert haben. Was diesen Roman interessant macht, ist der Kontrast zwischen der ursprünglichen Enterprise-D und der im alternativen Setting. Das Schiff stammt aus einer Zeit kurz nach der Schlacht von Wolf 359, in der der ehemalige XO seinen früheren Captain töten musste. Eine Entscheidung, die ihm immer noch spürbar zusetzt. So gesehen ist es mehr ein Buch, bei der es um die Enterprise-D geht.

 

Natürlich darf auch ein Gegner nicht fehlen, der im Verborgenen auf der Lauer liegt. Dummerweise sind die Romulaner nicht sonderlich geglückt, sondern strotzen vor Klischees. Hier ist die alternative Version einer Frau namens Sarith Kommandantin, die wir aus Dayton Wards Vanguard-Roman Summon the Thunder kennen (dort fand sie den Tod). Auch diese Version von Sarith hält sich natürlich einen ihrer Untergebenen als Betthäschen. Ansonsten handeln die Romulaner nach dem Trial-and-error-Prinzip: Erst einmal angreifen, als das scheitert, dann doch reden und sich dann im Rekordtempo von den guten Absichten der Sternenflotte überzeugen lassen, um mit ihr zu kooperieren.

 

Nur wenige Charaktere kommen in Wards Buch zur Geltung. Im Vordergrund stehen William Riker und Jean-Luc Picard, bei denen es manchmal etwas kitschig-schmalzige Momente gibt, die etwas zu viel gewollte Nostalgie versprühen. Das etwas erzwungene Bedauern des alternativen Riker über Picards vorzeitigen Tod und die Konsequenzen für seine eigene Karriere und Selbstsicherheit ist als Szenario keineswegs neu, sondern war in TNG oder Voyager oft genug ähnlich behandelt.

 

T‘Ryssa Chen erfährt dann noch ein wenig Charakterentwicklung. Doch der Rest des Personals agiert eher als Statisten. Einige interessante Szenen fallen auf, wie zum Beispiel, dass der Geordi La Forge aus der D-Enterprise-Dimension mit Interesse das Aussehen des E-Enterprise-La-Forges bemerkt. Abgesehen davon hat der Roman nicht viel an Figurenpotenzial zu bieten.

 

Übrigens ist Tasha in der anderen Realität noch am Leben und was hätte man daraus nicht alles zaubern können, so wird sie aber nur zum Stichwortgeber verdonnert und auch hier total verschenkt. Aber auch den Charakteren auf der Enterprise-E ergeht es nicht besser. Zwar dürfen einige Nebencharaktere am Anfang und Ende kurz über ihre Beziehungen scherzen, ansonsten bleibt es aber bei diesem wenigen Tiefgang.

 

Das Ende hat mich ehrlich gesagt nicht zufrieden gestellt. Picards Entscheidung, Riker-2 die Pläne für den Transphasentorpedo zu geben, um die künftigen Borginvasionen abwehren zu können, mag rein menschlich betrachtet verständlich sein. Aber ein gestandener, prinzipientreuer Captain wie er muss sich doch im Klaren sein, dass er damit eine ganze Zeitlinie verändert, die potenziell auch andere Zeitlinien beeinflussen könnte. Leider bleibt es auch hier bei einer oberflächlichen Betrachtungsweise, womit das Buch weitere Minuspunkte sammelt.

 

 

Fazit

 

Dayton Ward schickt die Crew der Enterprise auf ein Abenteuer durch Raum und Zeit. In den besseren Momenten ist Headlong Flight nostalgisch bis sentimental, sodass TNG-Erinnerungen aufkommen, die den Leser durchaus in ein warmes Gefühl einlullen können.

Trotzdem ist die Handlung höchstens mäßig interessant und recht überschaubar, die Gegner einfallslos und die meisten Charaktere bleiben blass. Vor allem frage ich mich, wieso unbedingt die Enterprise-E aus dem Jahr 2386 einer alternativen D von 2367 begegnen musste. Es wäre doch viel schöner gewesen, wenn die Grundgeschichte in der TNG-Serien-Ära angesiedelt worden wäre; dadurch wäre mehr Spiegelbildlichkeit zwischen den Enterprises entstanden. Somit bleibt wieder einmal der schale Geschmack einer eifrig zusammengezimmerten und ins TNG-Relaunch-Fach gepackten Story zurück.

 

5/10 Punkten.

11-2022