The Light Fantastic

Autor: Jeffrey Lang
Erscheinungsjahr: 2014
Seitenzahl: 380
Band: 22

Zeitraum: 11/2385-3/2386

 

Vorbemerkung

 

Der vorliegende Roman schließt an David Macks Cold Equations-Trilogie sowie an Langs Immortal Coil (deutscher Titel: Das Unsterblichkeitsprinzip) an. Die TNG-Folgen Sherlock Data Holmes, Datas Nachkomme, Das Schiff in der Flasche und Der Sammler sollten ebenso bekannt sein. Klare Anspielungen gibt es darüber hinaus zu diversen TOS-Folgen, Charakteren von VOY und DS9 und den jüngeren Büchern aus der The Fall-Serie.

 

 

Inhalt

 

Nach den einschneidenden Geschehnissen im letzten TNG-Kinostreifen gehörte Data nicht länger der Enterprise-Besatzung an, denn er hatte sich selbstbestimmt geopfert, um Picard und seinen Freunden das Leben zu retten. Doch der Gang der Second Decade hat es mit sich gebracht, dass Data – über eine komplexe Trilogie-Erzählung aus der Feder von David Mack – wieder von den Toten zurückgeholt wurde, samt seiner Tochter Lal. Allerdings ist der ‚neue‘ Data nicht mehr deckungsgleich mit seinem früheren Alter Ego und schlug folglich einen eigenen Weg ein. Konkret bedeutet dies, dass er seinen Dienst in der Sternenflotte auf Dauer gekündigt hat und mit Lal nach Orion gezogen ist, um dort auf einem Landgut seines ‚Vaters‘ Noonian Soong zu leben. Der Neuanfang geriet noch ungewöhnlicher: Data baute eine Art Kasino auf, während er gleichzeitig versucht, seine Tochter auf ein Leben in diesem großen und zuweilen irritierenden Kosmos vorzubereiten. Allerdings ist dies alles andere denn einfach, und um Lal besser unterstützen zu können, stellt Data eine Angestellte namens Alice an, eine Androidin unbekannter Herkunft.

 

Alice, die deutlich älter als Data zu sein scheint, geht ihre Aufgabe als ‚Nanny‘ überraschend unkonventionell an, und ihr pädagogischer Ansatz scheint ihr Recht zu geben. Womöglich erfolgt Lals Entwicklung durch Alices Einfluss dann doch etwas zu rasch, denn schon nach kurzer Zeit beginnt sie sich über das Kasino zu beschweren und erwirbt ein eigenes Haus, in dem sie ihrem Vater einen Bereich zum Wohnen zur Verfügung stellt – und ihm außerdem die Idee gibt, dass er vielleicht noch andere Dinge tun kann, als ein Glücksspieletablissement zu leiten. Und so wird Data für einige Zeit zu einem Frühstückskoch in einem Schnellimbiss.

 

Eines Tages, als er von seiner Schicht nach Hause kommt, sind Lal und Alice wie vom Erdboden verschwunden. Data findet überraschend die Nachricht eines alten und eigentlich lange vergessenen Widersachers aus der Sphäre der künstlichen Intelligenz vor. Er bekannt sich, die beiden Damen gekidnappt zu haben und verlangt von Data im Gegenzug zu ihrer Freilassung, dass er ihm bei einem komplexen Projekt hilft. Ja, James Moriarty, das teuflische Mastermind vom Enterprise-Holodeck (Sherlock Data Holmes, Das Schiff in der Flasche) ist wieder da, und er verfolgt einen nicht minder diabolischen Plan. Moriarty, jenes Hologramm, das ursprünglich als ebenbürtiger Gegenspieler für Data kreiert worden war und schließlich in einer eigenen Speicherbank abgelegt worden war, wo er nun ohne Wissen, dass es sich nicht um die Realität handelt, sein Dasein fristen sollte, fordert im Gegenzug für Lals und Alices Freilassung einen Weg, in der Wirklichkeit zu existieren.

 

Im Angesicht dieser großen Herausforderung wendet sich Data an seinen alten Freund Geordi LaForge. Es entspinnt sich eine Schnitzeljagd zur Findung und Befreiung von Lal und Alice, in deren Verlauf es zu Begegnungen zu verschiedenen künstlichen Lebensformen kommt. Ähnliches gilt für Zusammentreffen mit AI-Spezialisten und -Enthusiasten sowie mit einigen Charakteren, die ein sehr persönliches Interesse an einigen der Techniken haben, die mit der Künstlichen Intelligenz verbunden sind. Dabei muss Data feststellen, dass er im Vergleich mit einigen anderen Künstlichen Intelligenzen gerade mal im mentalen und emotionalen Krabbelalter ist und noch viel zu lernen hat – auch über Fragen der Moralität. 

 

 

Kritik

 

Wer die Cold Equations-Reihe nicht kennt, dürfte etwas verwirrt dreinblicken ob der Andersartigkeit des Data, mit dem wir es in diesem Buch zu tun bekommen. Es ist nicht bloß seine Rückkehr von den Toten und seine im Zuge dessen erfolgte Verwandlung seiner ursprünglichen Persönlichkeit. Nein, Data in seiner neuen Form ist das Resultat einiger sehr unglücklicher Ereignisse und einer Menge Leid. Viel von dem ursprünglichen Charakter Datas ist ergo verlorengegangen und einem anderen Selbst gewichen, und wenn man ein großer Data-Fan aus TNG-Zeiten ist, könnte man womöglich enttäuscht sein (ähnliches gilt übrigens für Lal, die genauso wenig wie in der entsprechenden Folge von Staffel drei daher kommt). Aber Jeffrey Land macht daraus durchaus eine große Sache, denn auch Begleiter Geordi hat so seine Zweifel und Fragen, was denn überhaupt noch von seinem alten Freund Data übrig geblieben ist und worin möglich notwendige Veränderung und Weiterentwicklung liegen. Kurz und knapp: Die Charakterisierung der wiederauferstandenen Data und Lal ist ehrlich gestanden nicht nach jedermanns Geschmack. Die Veränderung ist doch streckenweise sehr groß und gewagt.

 

Dennoch bin ich weit davon entfernt, den Stab über diese neue Figurenzeichnung zu brechen. Erstens muss man zugeben, dass der Data aus den Kinofilmen von einer sehr unsteten und verwirrenden Charakterisierung geprägt war, insbesondere mit Blick auf den Emotionschip (mal da, mal spurlos verschwunden; auch Datas Verhalten war nicht immer konsistent). Zweitens entdeckt man in The Light Fantastic immer wieder Versatzstücke des alten Androiden, wie wir ihn aus der Serie kannten, und seine suchenden, tastenden Bestrebungen, mehr über das Leben selbst herauszufinden und zu einem Teil von sich zu machen. Man erhält gleich von Beginn an den Eindruck, als ob Datas einziger Fokus auf Lal liegt, er selbst aber noch nicht wirklich herausgefunden hat, was er mit diesem neuen Leben anfangen soll. Auch wenn er nun fähig ist, echte Emotionen zu empfinden, eine echte Lebensfreude konnte ich (noch?) nicht ausmachen. So hoch entwickelt sein Gehirn auch sein mag, in gewisser Weise ist er auf seine Weise genauso Kind wie Lal. Ganz zu schweigen davon, dass er sich natürlich bewusst ist, welche Opfer erbracht werden mussten, damit er und auch Lal zurückkommen konnten. Und so lernen beide von einander mit Ratschlägen von anderen und vermögen es schließlich, eine echte Beziehung zu haben. Gerade in diesen Szenen steckt auch immer wieder subtiler Humor der stets Suchenden und Liebenswürdigen.

 

Wie man es auch dreht und wendet: Der neue Data ist nicht mehr ins androide Korsett zu pressen. Die Grundprogrammierung mag ähnlich sein, die Erinnerungen und Erfahrungen mögen alle vorhanden sein; all das aber wird nun gefiltert durch Soongs Einfluss und seine Emotionen, ganz zu schweigen durch die Erfahrung, auch als de facto Unsterblicher endlich zu sein. Insofern stellt der Roman eine Art gewollte Aufforderung dar, sich vom alten Data zu verabschieden und diesem neuen Charakter die Chance zu geben, sich selbst und seinen Platz im ST-Universum zu finden. Ein erster Schritt ist mit dem Ende des Buches getan, nämlich im Erkennen, dass Lal zwar immer seine Tochter sein wird, aber nicht für alle Zeit Mittelpunkt seines Lebens sein kann - und dass er wohl alle seine menschlichen Freunde überleben wird. Das macht gerade das Finale der Geschichte sehr menschlich und bittersüß.

 

Moriarty ist wie immer großartig, hier aber ebenfalls ein veränderter Charakter, was etwa der Umstand zeigt, dass er nicht mehr über so viel Selbstkontrolle und Contenance wie zu Serienzeiten verfügt. Wir erfahren, dass seit der letzten TNG-Folge (die nunmehr fast zwei Dekaden zurückliegt), in der er auftauchte, Moriarty von verschiedenen Systemabstürzen heimgesucht wurde, wodurch er seine Familie verlor. Seine Figur ist aber unfähig zu wahrer Trauer und stürzt sich stattdessen in die Obsession, Zugang zur und in der sogenannten realen Welt zu erlangen. Bei Lichte betrachtet gibt es zwischen Moriarty und Data durchaus Schnittmengen – etwa was die Suche nach Sinn und Bestimmung analog zu bestehenden ‚Programmierungsmustern‘ angeht –, wodurch es schwer fällt, Moriarty als echten Bösewicht anzusehen. Jenseits dieser metaphorischen Ebene tut sich der Roman allerdings schwer damit, die Handlung rund um den Schurken ans Laufen zu bekommen, denn es muss viel Exposition und Erklärung betrieben werden, um die zeitlichen Lücken seit TNG zu schließen.

 

Vor dem Hintergrund der vielfältigen Auseinandersetzung mit künstlichem Leben, dessen Chancen und Limitationen – nicht nur anhand von Data und Moriarty, sondern verschiedenen anderen nicht-organischen Lebensformen, die im ST-Kanon verankert sind –, gerät der Roman eindeutig größer als er ist. Denn für sich betrachtet beschränkt sich der Handlungsbogen eigentlich bloß auf die schlichte Suche nach Lal und ihrem Kindermädchen. Doch Lang gelingt es vergleichsweise gut, eine Art Quest-Atmosphäre zu schaffen, mit dessen Fortgang immer mehr über die Thematik künstlichen Lebens an die Oberfläche kommt und durchaus dialektisch verhandelt wird. Dadurch erhält der Roman ein starkes Leitmotiv.

 

Geordis Anwesenheit und seine starke Präsenz in der Geschichte sehe ich etwas zwiespältig. Zum einen wirkt er wie eine krampfhafte Reminiszenz an alte TNG-Tage, nicht nur als Datas Freund, sondern auch in der Rolle des Watson zu Datas Sherlock. Zum anderen soll er irgendwie auch eine Art moralischer Kompass sein, doch genau hier beginnt das Ganze zu kranken. Man vermisst bei Geordi jede Art von selbstkritischer Abrechnung und Reflexion, wenn es um Moriarty geht. Schließlich war er es doch, der Moriarty dereinst geschaffen hat, als er Datas enormer Problemlösungskompetenz überdrüssig wurde, jeden Holofall nach kürzester Zeit lösen zu können. Er war es auch, der Moriarty in der Speicherbank festgesetzt hat. Unter dem Strich – so sehr Geordi auch normalerweise ein gern gesehener Sympathieträger ist – denke ich, dass das Buch auch ohne hin ausgekommen wäre. Jedenfalls liefert Lang zu wenig Argumente, warum gerade der alte TNG-Chefingenieur hier an Datas Seite stehen soll, zumal Data ja eben eine stark gewandelte Persönlichkeit ist und die Grundmessage am Ende des Romans eher im Widerspruch zum krampfhaften Festhalten an den 'guten, alten Zeiten' steht.

 

Ebenfalls kritisch sehe ich das Schicksal von Alice. Natürlich hat sie Lal bedroht, natürlich hat sie auf ihre eigenen Interessen geschaut - aber ist das ein Grund, ihr die Freiheit zu entreißen, sie praktisch zurück in die Sklaverei ihrer Programmierung zu schicken? Dies war eine grausame und nicht angemessene Wendung, die irgendwie auch nicht zum Duktus der Story passt.

 

 

Fazit

 

The Light Fantastic ist im Kern eine zutiefst menschliche Geschichte, die von Verlust, Trauer, Loslassen und Weiterleben aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln handelt und dadurch eine enorme Tiefe erfährt. Diese Art von symbolisiertem Neuanfang ist nicht nur für Data persönlich hoffnungsvoll, sondern lässt erahnen, wie viele Möglichkeiten es gegeben hätte, Data nicht platt sterben zu lassen, sondern ihn in anderer Form und nicht an Brent Spiners Gesicht gekettet zurückzubringen. (Diesbezüglich hat auch Star Trek: Picard einen ähnlichen Fehler begangen wie dereinst Nemesis.)

 

Das Thema des künstlichen Lebens wird ausführlich behandelt und angereichert um zahlreiche Canon-Bezüge, die bis zurück zu TOS reichen. Allerdings hat die Geschichte eben auch ihre Längen (dünne, ausgedehnte Handlung) und Schlagseiten mit Blick auf manche Figuren und Wendungen. Das Potenzial ist damit eindeutig sichtbar, doch längst nicht voll ausgereizt worden.

 

6/10 Punkten.

5-2022