Open Secrets

Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: 2009
Seitenzahl: 440
Band: 1.4

Zeitraum: 2266-67

 

Inhalt

 

Die Vanguard-Reihe schreitet mit beherzten Schritten voran. Gerade im zweiten und dritten Band, Summon the Thunder und Reap the Whirlwind, vielleicht etwas zu beherzt. Wir erinnern uns, dass da zigtausende Föderationsbürger, Klingonen und Tholianer im Zusammenhang mit der Shedai-Gefahr erschossen, gevierteilt, dekristallisiert, vakuumisiert, auf ihrem Planeten hochgejagt oder per Order vom Commodore höchstpersönlich „eingeschmolzen“ wurden. Das war starker Tobak, gerade für Anhänger der klassischen Serie, von denen zwar viele nichts gegen ein ‚realistischeres‘ Star Trek einzuwenden haben, aber der eher harmlosen Umsetzung Roddenberrys verhaftet geblieben sind. Daher ist es nun an der Zeit, wieder ruhigeres Fahrwasser einkehren zu lassen.

 

Das vierte Vanguard-Buch Open Secrets konzentriert sich wieder mehr auf die Charaktere und ihren unmittelbaren Beziehungsdunstkreis, wohingegen sie gerade im letzten Roman zu Getriebenen der allgemeinen Handlung gemacht worden waren. Sicherlich wäre es übertrieben, zu behaupten, es sei mal wieder richtig Zeit zum Durchatmen, denn auch jetzt stehen unangenehme Entwicklungen rund um Sternenbasis 47 und die ominöse Taurus-Ausdehnung an. Aber wenn Dayton Ward auf Actionfreund David Mack folgt (diese beiden Autoren wechseln sich bei der Kreierung der Reihe ab), steht zu erwarten, dass die Storyschwerpunkte sich stärker auf die Persönlichkeiten verlagern.

 

So lässt sich das Buch dann auch an. Sternenbasis 47 und mit ihr die Föderation stecken tief im Mist. So weit, so wenig verwunderlich. Nachdem ein Teil der wahren Absichten hinter dem Vanguard-Projekt und dem Vorstoß der Planetenallianz in die Taurus-Region offenbar wurde, reagieren die Klingonen immer unverhohlen aggressiver, und es zeichnet sich ein schwerwiegender Konflikt ab. Gleichzeitig ist Vanguard-Station alles andere als hundertprozentig einsatzbereit. Commodore Diego Reyes sitzt wegen fragwürdiger Entscheidungen und der Einäscherung einer ganzen Kolonie, auf der obendrein noch seine eigene Frau Gouverneurin war, in der Brig und sieht im günstigsten Fall nach seinem Prozess dem Verlust seines Patents als Stationskommandant entgegen. Dem nicht genug: Obendrein fordern nun auch die Klingonen seine Auslieferung. Seine engste Vertraute, die Geheimdienstoffizierin T'Prynn, liegt seit Wochen im Koma, seitdem das ihr eingeflößte Katra ihres verstorbenen Mannes Sten wieder Morgenluft gewittert hat, und der sie betreuende Jabilo M'Benga ist am Ende mit seinem Latein, kann sich ihren rätselhaften, halbtoten Zustand nicht erklären.

 

Da kontaktiert ihn ein alter vulkanischer Heiler und bietet ihm an, nach Vulkan zu kommen, wo er T'Prynn helfen möchte. Der idealistische M'Benga – der gar nicht mal sicher sein kann, ob die Mühe lohnt, zumal auch auf T'Prynn ein Verfahren mit einer möglichen Exekutionsstrafe wartet – willigt kurzerhand ein und macht sich samt T'Prynn auf die Reise. Überraschend begleitet ihn auch Tim Pennington, der sich der Vulkanierin gegenüber auf rätselhafte Weise zugetan fühlt.

 

Die Klingonen gehen immer brutaler gegen Föderationsniederlassungen vor, weil sie sich der Shedai-Stätten zu bemächtigen gedenken. So kommt es vor, dass sie aus dem Affekt Frachter vernichten und VFP-Standorte per Ultimatum entvölkern. Auch sie haben nun Fährte aufgenommen, auf der Suche nach einer ultimativen Waffe. Währenddessen kämpft Föderationsbotschafter Jetanien darum, den fragilen Frieden trotz fortschreitender Scharmützel und provokativer Vorstöße seitens der Klingonen am Leben zu erhalten. Doch auch hier hat man es mit einem äußerst schwierigen Patienten zu tun. Das Ganze wird nicht gerade dadurch erleichtert, dass plötzlich eine von ihren Artgenossen gejagte Tholianerin auf Sternenbasis 47 um Asyl bittet. Commander Cooper, der vorübergehend das Kommando innehat, nimmt eine weitere Verstimmung mit den Tholianern in Kauf, weil die Überläuferin der Sternenflotte anbietet, die vielen offen gebliebenen Fragen zum Shedai-Rätsel zu lüften. Fortan arbeitet sie mit Doktor Carol Marcus und Lieutenant Xiong eng zusammen.

 

Wenig später kommt Reyes' Nachfolger, Admiral Nogura, an Bord, um den Befehl über die Station zu übernehmen. Eine seiner ersten Amtshandlungen ist ein brüsker Umgang mit dem orionischen Verbrecherprinzen Ganz. Obwohl er bei Ganz Eindruck schindet, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob der Strategiewechsel, das Orion-Syndikat stärker unter Druck zu setzen, auch langfristig fruchten wird. Wir erinnern uns: Reyes hatte noch seinen Frieden mit Ganz' dunklen Machenschaften erklärt, solange er dem Orionerboss den einen oder anderen Kuhhandel abringen konnte.

 

JAG-Captain Rana Desai wird unerwartet als Anklägerin für Reyes' Prozess durch einen JAG-Admiral von der Erde abgelöst. Sie ist sich darüber im Klaren, dass das Reyes' Chancen nicht gerade erhöht. Da sie ihn liebt und nun nicht mehr unter dem Zwang steht, gegen Reyes ein Verfahren leiten zu müssen, folgt sie ihrem Herzen und bietet sich ihm als neue Verteidigerin an. Nach etwas Überzeugungsarbeit entlässt Reyes seinen Anwalt.

 

Die Informationen, die die tholianische Überläuferin liefert, finden alsbald großen Anklang. Als Admiral Nogura das Geheimlabor mit den bisher gesammelten Shedai-Artefakten betritt, wird er von Doktor Marcus und Xiong mit der Aussicht konfrontiert, bald schon könnte die Sternenflotte ein grundlegendes Verständnis der Shedai-Technologie erlangen. Doch damit dies möglich ist, muss man an den Ort zurückkehren, wo eine große Shedai-Anlage gefunden wurde – mit schlechten Erfahrungen. Xiong fliegt zum Planeten Erilon zurück…

 

 

Kritik

 

In letzter Zeit habe ich oftmals Negatives über Dayton Ward gelesen. Zeit, hier dem allgemeinen Trend des Ward-Bashing entgegenzutreten und eine Lanze für ihn zu brechen. Wären nicht er und seine erfrischende Variation des Vanguard-Themas, würde diese Reihe endgültig Richtung Battlestar Galactica abdriften. Mir scheint, David Mack hat mit seinem – wenn auch kunstvoll aufgemachten – Gemetzel im letzten Buch den Bogen ein wenig überspannt. Daher danke ich Ward, dass er wieder andere Akzente anklingen lässt.

 

Unverkennbar wird den Charakteren jetzt mehr Platz eingeräumt. Für Reyes gibt es nun eine Perspektive jenseits des Dienstes als Stationskommandant, und da das bislang ausgesprochen ungewöhnlich für einen Star Trek-Protagonisten ist, bleibt abzuwarten, wie seine Figur weiter entwickelt wird. Auch kommt nun Rana Desai endlich in den Genuss der Möglichkeit, für Reyes etwas zu tun, das ihre Beziehung vorantreibt. In dieselbe Kerbe schlägt der T'Prynn-Handlungsbogen, der sich darum dreht, Stens Katra aus ihrem Kopf zu entfernen.

 

Es sind schöne Collagen, die Ward da abliefert und die demonstrieren, wie sehr sich die Charaktere im Laufe der zurückliegenden Romane trotz Intrigen grün und gegenseitig ans Herz gewachsen sind. Insofern kommt hier Open Secrets nicht mehr ganz so zweckrational daher wie die ersten Bücher, bei denen menschliche Beziehungen fast ausschließlich nach dem Eine-Hand-wäscht-die-andere-Prinzip zu funktionieren schienen.

 

Freilich hat auch Wards Umsetzung Schwächen. Da der Puls ungewöhnlich gemächlich ist, vergleicht man ihn mit dem Vorgängerroman, ja sogar gemächlicher als Summon the Thunder (auch ein Ward-Buch), gibt es neben der atmosphärischen auch eine stilistische Diskontinuität in der Reihe. Hinzu kommt, dass mir auch dieser Roman etwas aufgebläht erscheint. Wo David Mack beizeiten überkurze, akzentuierte Szenen verwendet, ergießt sich Ward im Detail, trifft hier nicht immer die goldene Mitte.

 

Positiv anzumerken ist zweifelsohne seine Zeichnung der charakterlichen Neuzugänge. Nogura verfällt zu keiner Zeit dem Jellico-Feeling, sondern erscheint als tüchtiger, integerer Mann, der möglicherweise ein größerer Hardliner sein kann als Reyes. Insofern weiß da Vanguard bekannten Klischees vom bösen Ersatzkommandanten aus dem Weg zu gehen. Selbiges gilt für den tellariten Sternenflotten-Ankläger, der Desai für Reyes' Prozess ablöst. Auch hier haben wir es mit einer Figur zu tun, die relativ frei von verwerflichen Zügen oder schlechten Absichten ist, sondern einfach nur ihren Job tut, und das gut. Damit setzt Vanguard eine Stärke fort, die es bislang einzigartig unter den TrekBooks macht: Es entzieht sich moralisierenden Fingerzeigen und allzu vorhersehbaren Handlungen.

 

Open Secrets ist, ganz sicher, ein Intermezzo. Mittlerweile lässt sich absehen, dass David Mack die eigentliche Storylast auf seinen Schultern trägt, während Ward dafür zuständig ist, mal einen Gang zurückzuschrauben. Nichtsdestotrotz sehe ich eine Problematik, in die sich die Reihe schleichend hineinmanövriert hat.

 

Das Vanguard-Mysterium zur verfolgen, war bislang hochspannend – und von Buch zu Buch komplizierter. Die Fülle von Primär-, Sekundär- und Tertiärplots mit allzu vielen Akteuren ist dem nicht immer hundertprozentig zuträglich und macht die Orientierung schwerer. Da man bei Erscheinen eines neuen Romans unweigerlich vor dem Dilemma steht, wesentliche Passagen aus früheren Geschichten zu rekapitulieren, weiß ich die kurze Erklärung zum aktuellen Status der Operation Vanguard am Anfang von Open Secrets zu schätzen. Doch auch das genügt nicht ganz. Wie mir scheint, wurde das Thema um Taurus-Ausdehnung und Shedai ein wenig zu unscharf geplant, sodass derweil einiges zu verschwimmen droht. Und für den Leser bedeutet das leider: Er verliert leicht den Anschluss.

 

Auf der anderen Seite frage ich mich, wie lange die Shedai-Thematik – gerade jetzt, wo schon so vieles darüber bekannt ist – noch Futter für weitere Bücher liefert. Denn ewig wird Vanguard in dem halb gelüfteten Schwelzustand nicht funktionieren können. Die Gefahr, die jetzt besteht, ist, dass man Nebenkriegsschauplätze aufmacht, in denen man sich verliert. Es wird daher gerade in den kommenden Romanen stark darauf ankommen, wieder einen klaren roten Faden aufzugreifen und stringent zu verfolgen – und ein schlussendliches Ziel für die Reihe erkennbar werden zu lassen. Selbst, wenn das bedeutet, einmal weniger als 460 Seiten pro Buch zustande zu bringen. Denn wenn ein so ausgetüfteltes Storykonzept eine Kehrseite hat, dann, dass sie im Gegensatz zu Titan mit seinen Friede-Freude-Eierkuchen-Standalonegeschichten nicht ewig in der Schwebe verharren kann.

 

 

Fazit

 

Für Open Secrets gilt diese Kritik jedoch noch nicht in solchem Maße. Das Buch stimmt mich alles in allem milde. Es ist rundum gut, erdet wichtige Figuren und pflegt die Trek-Nähe einer Reihe, die manchmal dazu tendiert, allzu scharf auszubrechen. Deshalb weiß ich den Rahmen für das Buch – die Einmischung der Organier in den Konflikt zwischen Föderation und Klingonen – und die Thematisierung von Carol Marcus sowie die Begegnung der Enterprise mit dem Romulaner-BoP sehr zu schätzen.

 

7/10 Punkten.

7-2009