What Judgments Come

Autoren: Dayton Ward & Kevin Dilmore
Erscheinungsjahr: 2011
Seitenzahl: 370
Band: 1.7

Zeitraum: 2268-70

 

Inhalt

 

Vanguard geht in die letzte Runde. Mit What Judgments Come beginnt der abschließende Zweiteiler der Saga, die uns bereits seit gut sieben Jahren begleitet und zuletzt ein wenig schwächelte. Zu Beginn des siebten Buches jedenfalls scheint wieder jede Menge Überraschungseffekt da, denn wir verfolgen, wie anno 2270 (also mehrere Jahre in der Zukunft) Tim Pennington den ehemaligen Kommandanten von Sternenbasis 47, Diego Reyes, auf einer abgeschiedenen, idyllischen Kolonie ausfindig macht und ihm einen Besuch abstattet. Reyes ist, wie es scheint, zum stinknormalen Einsiedler geworden und hat mit seinem alten Leben, das so voller Pflicht, Entbehrung und Intrige steckte, abgeschlossen. Doch das unvermittelte Auftauchen des Journalisten sowie seine Fragen führen dann doch dazu, dass Reyes sich einen Drink zur Hand nimmt und zu erzählen beginnt. Über das Ende der Geschichte von Operation Vanguard.

 

What Judgments Come holt uns genau dort ab, wo die Handlung stehen geblieben ist:

 

  • Auf Nimbus III hat ein ehrgeiziges Friedensprojekt Gestalt angenommen, das von den drei Botschaftern Jetanien, Lugok und D’Tran angeleitet wird. Bereits zu Beginn ist klar, dass es unter einem schweren Stern stehen wird, denn die gemeinsame Besiedlung eines Planeten ist ein Unterfangen, das noch nie von Föderation, Klingonenreich und Romulanischem Imperium in Angriff genommen worden ist.

 

  • Das Forschungsteam um Ming Xiong und Carol Marcus ist in den Besitz zweier wertvoller Mirdonyae-Artefakte gelangt, mit deren Hilfe es den Wissenschaftlern gelang, niemand geringeres als die Shedai-Wanderin einzufangen. Doch die rätselhaften Objekte, die offenbar einst von den Tkon - einer anderen uralten Spezies aus dem Taurus-Gebiet - als Waffe gegen die Shedai gebaut wurde, verweigerte Xiong bislang hartnäckig, seine Geheimnisse preiszugeben.

 

  • Reyes wurde von den Klingonen entführt und zu einem Überfall auf Vanguard gezwungen; daraufhin verschlug es ihn auf das Schiff des Orioners Ganz. Weil Reyes diesem half, eine dauerhafte Andockgenehmigung an die Station zurückzubekommen (für Ganz eine überlebenswichtige Frage!) und da Reyes sich in der Vergangenheit als Oberbefehlshaber auf einige Kompromisse mit dem Kaufmannsprinzen einließ, zeigt sich Ganz gütig und lässt ihn vorerst auf seinem Partyliner gewähren, wenn auch unter steter Observation. Reyes' Verbleib an Bord ist für den Gangsterboss zudem die beste Garantie, möglichst lange den Schutz von Vanguard zu genießen.

 

Mittlerweile haben Admiral Nogura und sein Team von der Tatsache erfahren, dass Reyes nicht bei der Zerstörung auf die U.S.S. Nowlan ums Leben gekommen ist, sondern sogar hinter dem zurückliegenden Raubzug auf der Station steckt. Das Wissen, dass der einstige Commodore nun auf dem Orionerschiff sozusagen Asylant ist und Nogura keinerlei legale Möglichkeit hat, Reyes in die Finger zu bekommen, macht ihn nahezu aggressiv.

 

Doch dann kommt T’Prynn auf ihn zu und legt ihm dar, dass es von höchster Wichtigkeit ist, in die Navigationslogbücher der Omari-Ekon einzudringen. Die Vulkanierin vermutet nämlich, dass die Omari-Ekon – die Vanguard vor kurzem im Tausch gegen einen permanenten Andockplatz das zweite Mirdonye-Artefakt aushändigte – jüngst bei einem Planeten gewesen ist, dessen verborgene Technologie die Lösung der ganzen Shedai-Bedrohung bedeuten könnte. So liegt es nur eine Schnapsidee entfernt, den von der Sternenflotte als Verbrecher gesuchten Reyes als Spion anzuheuern. Ein sehr riskantes Schnüffelspiel auf dem orionischen Schiff nimmt seinen Anfang.

 

In der Zwischenzeit starten Xiong und seine Leute einen neuen Anlauf und experimentieren an Bord der U.S.S. Lovell mit den Myrdonae-Artefakten, in denen Shedai stecken. Im Zuge der Untersuchungen beginnt sich die hartnäckige Neugier der Wissenschaftler zu rächen und führt dazu, dass sich die Shedai-Wanderin schon bald wieder befreien kann. Zudem eskalieren in der Taurus-Region die Auseinandersetzungen zwischen klingonischen und tholianischen Verbänden, die eine zusätzliche Bedrohung bedeuten können. Insbesondere die Tholianer scheinen ihre belauernde Stellung endgültig aufzugeben und mit einer neuen Waffe feindliche Kolonien in Schutt und Asche zu legen...

 

 

Kritik

 

What Judgements Come soll Vanguard in ein fulminantes Finale verabschieden. Schön und gut, doch davon merkt man leider kaum etwas. Zwar bietet uns der Roman wieder einige furiose Momente, düsteres Ambiente und einen Schuss Verschwörung, aber insgesamt kommt er nur äußerst schwerfällig von der Stelle.

 

Das bedeutet vor allem: Die Reyes-Handlung ist, mag sie in Teilen noch so nett sein, ein erkennbarer Störfaktor, denn sie lenkt extrem von der Shedai-Handlung ab und sorgt dafür, dass die eigentliche Rahmenstory nicht richtig in Fahrt kommt. Die Abhandlungen der Geschehnisse auf Nimbus III sind sogar noch ernüchternder, weil sie nicht einmal gutes Schreibwerk, geschweige denn spannend sind. Als Star Trek-Kenner weiß man, welch unrühmliches Ende der Planet das Galaktischen Friedens finden wird.


Gehen wir etwas mehr ins Detail. Es ist zunächst schön, dass der Roman eine der zentralen Figuren, Diego Reyes, gezielt weiter verfolgt. Musste der arme Kerl vor allem in Precipice die meiste Zeit über in einer Sicherheitszelle warten, darf er jetzt ein ganzes Gangsterschiff auf den Kopf stellen. Trotzdem: Bei näherem Hinsehen erscheint es ein wenig verwunderlich, dass Nogura sich lieber auf den fahnenflüchtigen Ex-Commodore verlassen möchte als ein Spezialkommando die Omari-Ekon entern zu lassen. Auch der Umstand, dass Reyes Tausende Zivilisten in den Tod geschickt hat, scheint nach wie vor kaum jemanden zu stören; stattdessen wird ihm immer nur wieder vorgehalten, er hätte seine Taten an die Presse durchgesteckt. Eine etwas andere Sternenflotte sollte es in Vanguard sein, okay, aber das Militär, das wir hier erneut präsentiert bekommen, verwundert mich doch und scheint ziemlich fern von dem Star Trek, das ich mal kannte. Das nur nebenbei.


Natürlich ist Reyes immer noch ein Offizier im Herzen und willigt ein, auf Ganz‘ Schiff herumzuschnüffeln. Die Handlung hier wird in Teilen ganz schön aufgebläht (man denke an den Zwischenfall mit Jacksons Sicherheitsleuten) und wirkt partiell so konstruiert, damit Reyes am Leben bleiben und seinen Auftrag ausführen kann. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz, warum Ganz Reyes nicht einfach von Anfang an niet- und nagelfest eingesperrt hat. Egal, dieser Plot ist trotzdem nicht schlecht gelungen.


Letztlich hat der ehemalige Commodore dann Erfolg. Doch wirklich vorangebracht ist der Shedai-Plot dadurch nicht, sondern eher auf die lange Bank geschoben. Außerdem können wir durch das Ende des Romans erahnen, dass die finale Konfrontation mit den Shedai wieder einmal mit einem mysteriösen Planeten - in diesem Fall die mutmaßliche Heimatwelt der Tkon - zu tun haben wird (etwas, von dem ich in Anbetracht der letzten Bücher eigentlich schon genug hatte). Immerhin sehen wir, wie Reyes (offiziell ein toter Mann) ins Exil entlassen wird, und er bekommt eine echte Chance, sich von Vanguard zu verabschieden. Dass der Prolog indes schon verraten hat, dass er auch in der Zukunft noch am Leben ist, sehe ich nicht als besonders spannungsfördernd an. Von daher hätte man sich diese flankierende Form der Erzählung auch getrost sparen können.


In einer eher beiläufigen Handlung werden Jetaniens Erlebnisse auf Nimbus III verfolgt. Der Chelone hat zwar ein besonderes Verhältnis zu seinem romulanischen und klingonischen Kollegen entwickelt, doch dafür wollen die Siedler auf dem Planeten einfach nicht zusammenwachsen. Immer wieder ereignen sich gewalttätige Zusammenstöße und Unruhen. Am Ende kommen die Dinge, wie sie kommen müssen. Es entpuppt sich, dass alle Regierungen den Planeten des Galaktischen Friedens nur als Vorwand benutzt haben, um Informationen übereinander zu sammeln. Nimbus III floppt und wird zu jenem glanzlosen Stück Fels, das wir aus dem fünften Kinofilm kennen. Für die Vanguard-Reihe ist dieser Handlungsbogen einer der absoluten Tiefpunkte. Zudem wird mit Jetanien eine Figur grundlos aus dem Rennen genommen, die zu Anfang noch eine herausgehobene Rolle spielte. Aber das war, muss man fairerweise einräumen, schon in den vergangenen zwei Bänden absehbar geworden.


Bleibt die Shedai-Handlung. Hier hätte der Roman eigentlich liefern müssen, doch das tat er nicht. Wieder einmal darf der Leser Xiong bei seiner Forschung über die Schulter sehen, wissenschaftliches Kleinklein aufsaugen, doch erneut wird man vertröstet. Nur das Ende ist dann ein Fingerzeig auf kommende Ereignisse. Dass irgendwann etwas Schlimmes passieren muss und die einem der Kristalle gefangenen Shedai-Wanderin doch - wegen einer Leichtsinnigkeit Xiongs - entkommen kann, ist wenig verwunderlich. Man droht, sich an den Kopf zu fassen, so vorhersehbar ist das Ganze.


Im Hinblick auf die Charaktere gibt es Licht, doch auch einiges an Schatten. Abgesehen vom Fokus auf Reyes bekommen einige andere Figuren ihre Momente. Doch im Gegensatz zu den ersten Vanguard-Romanen, die eine ungemeine Dichte an Charakterstudien aufweisen konnten, die auch mit der globalen Geschichte verknüpft und dadurch umso interessanter waren, erscheinen viele der Helden nun irgendwie isoliert. Zum Teil liegt dies daran, dass die alte Mannschaft (an der man als Leser immer noch hängt; ich für meinen Teil habe Nogura als Neuen nie richtig akzeptiert) zerrissen wurde, zum Teil, dass viele wichtige Figuren, die als Gegenstücke fungiert haben, gestorben oder von der Bildfläche verschwunden sind.

 

Einige ehemals herausragende Persönlichkeiten führt dies ins Nichts. Dies gilt allem voran für Quinn, der nach McLellans Tod einfach nur noch zum Säufer wird. Es gilt aber auch für nunmehr seltsam statistenhaft agierende, versprenkelte Charaktere wie Pennington, T’Prynn, Fisher oder Reyes selbst. Auch Jetanien wurde, wie bereits erwähnt, aus dem Vanguard-Setting herausgenommen und auf das Nimbus-Abstellgleis gesetzt, das, wie jeder weiß, ins Nirgendwo führt.

 

Die besonderen persönlichen, spannungsreichen Verstrickungen und Loyalitäten alter Tage (man denke nur an das magische Duo Quinn-Pennington, die geheime Beziehung von T’Prynn und Sandesjo, Quinns Rekrutierung durch T’Prynn und sein Abhängigkeitsverhältnis zu Ganz oder auch das besondere Verhältnis zwischen Reyes, Fisher und Desai), aus denen Vanguard sein einzigartiges Feuer bezog, scheinen jedenfalls unwiderruflich abgefrühstückt zu sein. Zurück bleibt eine Stückwerk an Protagonisten, die zwar nicht nerven, aber im Hinblick auf ihre Strahlkraft irgendwie ausgebrannt und witzlos wirken. Das gilt auch für die Dialoge. Abgesehen von ein wenig (zu) spät aufkommender Freundschaft zwischen Reyes und Pennington passiert in Bezug auf die Weiterentwicklung des Casts im vorletzten Vanguard-Abenteuer nichts Bemerkenswertes.

 


Fazit

 

Insgesamt habe ich das schwere Gefühl, dass Vanguard nach dem dritten Roman immer stärker jenen Kompass intelligent konstruierter Geschichten verloren hat, der es einst so auszeichnete und der für tolle, erwachsene und düstere Charakter- und Politszenen sorgte. Während die Shedai-Handlung weder klug weitergeführt noch mit Blick auf das ewige Anfliegen unbekannter, gefährlicher Planeten und Raumphänomene erneuert wurde, haben gerade die Figuren sehr viel von ihrem einstigen Spirit abgegeben - was meiner Meinung nach sehr viel mit unklugen Autorenentscheidungen zu tun hatte.

 

Überhaupt meine ich viele Schlampigkeiten und Ungereimtheiten in den Handlungsbögen gerade dieses Romans zu erkennen, so als hätten die Macher schlicht die Lust an dem Projekt verloren. So ist What Judgments Come bestenfalls Durchschnittskost. Als Auftakt für ein finales Feuerwerk taugt es keineswegs; wer sich Hoffnungen gemacht hat, wird herb enttäuscht. Hoffen wir, dass David Mack mit dem letzten Schuss, Storming Heaven, treffen wird.

 

5/10 Punkten.

7-2012