The Farther Shore

Autorin: Christie Golden
Erscheinungsjahr: 2003
Seitenzahl: 270
Band: 8.2

Zeitraum: 2/2378

 

Inhalt

 

Die Voyager ist wieder zuhause, doch der Erde geht es schlecht. Ein Schelm, wer da einen Zusammenhang vermutet? Ein unbekanntes Borgvirus hat sich verbreitet und transformiert die Bevölkerung nach und nach - wenn auch relativ langsam - in Drohnen. Der Prozess scheint nicht mehr umkehrbar. Und der Auslösung dieser Katastrophe verdächtigt werden ausgerechnet Kathryn Janeway und ihre Crew, die am Ende von Homecoming in Gewahrsam genommen wurden.

 

Das kann nur eines bedeuten: Keine Zeit vergeuden! Mit Unterstützung von Commander Data verlässt Janeway die Sicherheitszelle, in die man sie gesteckt hat, befreit auch den Doktor, Seven und Icheb. Anschließend begeben sie sich unauffällig an Bord der Voyager und übernehmen ihr altes Schiff, um dort Nachforschungen über die rätselhafte Borggrippe anzustellen - und darüber, wie sie ihren Weg auf die Erde fand.

 

Tatsächlich scheint die Borgkönigin nicht so schnell die Flinte ins Korn geworfen zu haben wie gedacht; sie hat stattdessen einen Plan gefasst, der es ihr gestatten könnte, die Föderation doch noch im Handumdrehen zu assimilieren. Das Schlimmste aber enthüllt sich zuletzt: Der Borgangriff kommt offenbar aus den höchsten Reihen der Sternenflotte.

 

Indes toben die holographischen Aufstände weiter. Fernab der Erde, in den Dschungeln von Boreth, hat sich B'Elanna auf die Suche nach ihrer Mutter begeben und eine Reise angetreten, die sie nachhaltig verändern wird...

 

 

Kritik

 

Eines kann man Christie Golden nicht vorwerfen: dass sie nicht konsequent wäre. Nahtlos knüpft The Farther Shore an den Cliffhanger von Homecoming an, drückt dabei aufs Tempo und betont die A-Story um die Nanosondenseuche noch stärker. Das ist auch bitter nötig, denn sonst wäre auf den 270 Seiten nicht ausreichend Platz, um eine weit ausholende Erklärung bezüglich der rätselhaften Borgkrankheit auf der Erde zu liefern.

 

Janeway, Seven und Co. gehen nämlich dem Phänomen auf den Grund, weshalb es scheinbar immer wieder neue Borgköniginnen gibt, nachdem die vorigen das Zeitliche gesegnet hat. Dafür verantwortlich ist ein spezieller Borg-Uralgorithmus, das so genannte Royale Protocol, welches immer aufs Neue ausgeführt wird. Wer in den Besitz dieses Protokolls gelangt und es für sich nutzbar zu machen versteht, kann tendenziell in der Borghierarchie zur Königin aufsteigen. Damit gibt die Autorin eine für Science-Fiction-Verhältnisse kluge Antwort auf eine Frage, um die sich die Serie stets herumgestohlen hat. Allerdings scheint es darauf anzukommen, dass die Vorlage für eine Königin eine Frau ist, weil die Beschaffenheit des weiblichen Gehirns wohl günstiger für die Multitaskingfähigkeiten einer Schwarmkontrolleurin ist als das männliche.

 

Weniger einfallsreich finde ich die Eröffnung, dass die Geheimdienstchefin die neue Borgkönigin ist und damit hinter der ominösen Erkrankung steckt, die sich in der Heimat breitmacht. Zwar weiß der Leser jetzt, dass sich die Flashbacks, die seit Beginn des ersten Buches immer wieder eingestreut wurden, auf Covington beziehen, allerdings hilft einem das auch nicht groß weiter, wenn es darum geht, die Beweggründe der Frau nachzuvollziehen. Es erscheint einfach widersinnig, verrückt und vor allem unglaubwürdig, dass sie mit Borgtechnologie experimentiert und ein Kollektiv auf der Erde erschaffen will. Das ganze Bedrohungsszenario verliert damit sehr viel an Substanz, weil es schlicht absurd wirkt.

 

Danach geht es weiter bergab. Die Auflösung kommt, gemessen an dem langen Vorlauf und der sichtlichen Bemühungen Goldens um einen Borg-Gruselfaktor, viel zu abrupt und unspektakulär daher: Es gibt einen ziemlich vorhersehbaren Showdown im Sternenflotten-Hauptquartier. Wieder einmal ist es Data (diesmal als Cameo), der zusammen mit Seven in das neurale Interface der Borgkönigin eindringt und sie unschädlich macht - Angriffsziel Erde lässt grüßen. Letztlich verpufft das Abenteuer somit als eines von vielen und ohne großen Erinnerungswert.

 

Im Gegensatz zur überschnellen Beendigung des Abenteuers stehen einige recht störende Längen an früherer Stelle: Viel Platz frisst die Geschichte zum Beispiel im mittleren Teil, wo es eigentlich nur darum geht, dass Janeway, Chakotay und Co. heimlich auf die Voyager zurückkehren, um dort nach einer Heilung der Borginfektion zu forschen. Vorher müssen sie aber einen Haufen Sicherheitsoffiziere, die dort stationiert wurden, beiseite räumen. Dieser Vorgang wird dermaßen breitgetreten und minutiös geschildert, dass man versucht ist, diese Seiten zu überlesen. Dagegen erfolgen die Ursachenforschung und die Entwicklung des Gegenmittels eher im Zeitraffer.

 

Kommen wir zu den Charakteren: Libby Webbers Rolle wird im zweiten Buch sogar noch dominanter. Obwohl das auch kritisch gesehen werden kann - immerhin ist ein Charakter, der in gerade mal einer Episode auftauchte, mit so vielen Seiten völlig überrepräsentiert -, ist ihr Part bei der Aufdeckung der Verschwörung innerhalb der Admiralität noch mit der interessanteste in The Farther Shore. Viele Stammfiguren gehen hier dagegen ganz baden oder werden schlecht eingebunden.

 

Besonders langatmig ist das Gehadere um Icheb und den Doktor, die die meiste Zeit über zu Statisten degradiert sind. Das hätte man sich schenken können, weil doch klar sein sollte, dass beide nicht sterben werden. Szenen über Tuvok und Kim wiederum haben weder Unterhaltungs- noch Storywert; man hätte sie getrost streichen können. Tom schließlich ist im Grunde nur damit beschäftigt, sich um seine Familie Sorgen zu machen.

 

Auch der Holostreik unterbietet das ohnehin schlechte Niveau des Themas im vorangegangenen Roman. Die Verknüpfung mit der Borgseuchenstory macht einen gordischen Knoten daraus. Dass Oliver Baines Menschen von Holodeckfiguren misshandeln lassen würde, um ihnen zu demonstrieren, wie die Menschen mit Holofiguren umgehen, erscheint unangemessen. Zudem kommt das Ableben von Baines zum falschen Zeitpunkt. Es verstreichen wertvolle Chancen, mehr aus der Handlung zu machen.

 

Der dritte Handlungsstrang um B'Elanna entbehrt leider auch über weite Strecken wesentlichen Einfallsreichtums. Es ist um nicht zu sagen einschläfernd, zu verfolgen, wie B'Elanna sich durchs Dickicht von Boreth kämpft, und die Wiedersehensszene mit ihrer Mutter versinkt ohnehin in Klischees. Die Dialoge sind abgedroschen und vollkommen vorhersehbar. Zumindest scheint B'Elanna am Ende des Buches ein verstärktes Interesse daran zu entwickeln, ihre klingonische Hälfte weiter zu erforschen, was mittelfristig dem VOY-Relaunch nutzen könnte. Zumal ja ohnehin nicht viele Protagonisten noch mit großen Überraschungen und ganz neuen Facetten aufwarten können.

 

Unter all dem ermüdenden Actionhickhack und der nimmer enden wollenden Borggefahr ist der einzige richtige Lichtblick des Buches das Verhältnis von Janeway und Chakotay. Meiner Meinung nach das, was man weiter entwickeln und worauf man sich künftig besinnen sollte. Es ist den Gesprächen zu entnehmen, dass sich ein Captain und sein Erster Offizier in den vergangenen Jahren nah gekommen sind - und dass etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen liegt, das einfach nur schön ist. Auch Janeway führt ihre Delta-Quadrant-Linie fort, die sie dazu erzogen hat, nötigenfalls Regeln zu brechen, um ihre Crew heil durchzubringen. Ihre Figur wirkt authentisch.

 

Friede, Freude, Eierkuchen. Die Ankündigung zum Schluss hat mich dann doch etwas verstört. Einerseits war es in Anbetracht dessen, was wir in Nemesis erlebten, abzusehen, aber nun ist es verbindlich: Chakotay wird fortan das Kommando über die Voyager führen, während Janeway neue Aufgaben im Oberkommando bekommt. Schön. Bloß: Wenn Janeway nun einen Schreibtisch hütet, dann wird ausgerechnet jene Personenkonstellation auseinander gerissen, die der Serie neuen Schub geben könnte, scheint doch der ganze Rest schon verbraucht.

 

So gesehen ist das Ende von The Farther Shore eine waschechte Verschlimmbesserung: Die Vorstellung, dass die Voyager als stinknormales Schiff unter vielen durch den Weltraum tuckern wird - ohne Janeway im Kommandostuhl obendrein -, das ist so fad wie ein Trill ohne Flecken.

 

 

Fazit

 

Gegenüber dem ersten Teil lässt The Farther Shore nochmals Federn. Abgesehen von der interessanten Eröffnung zum Royale Protocol, wird das Borgabenteuer mit einem Minimum an Kreativität durchgestanden, ohne dass das Gros der Charaktere besondere Rollen darin für sich beanspruchen darf. Wieder einmal konzentriert sich alles auf Janeway und Seven. Die Aussichten sind leider alles andere denn rosig: Künftig wird die Voyager einen neuen Captain bekommen.

 

Doch was ist Chakotay ohne Kathryn Janeway? Und was ist eine Crew ohne das Kräftefeld, das sie zusammenhält? Richtig, Ratatouille! Der Neustart der Voyager verkommt zum Rohrkrepierer.

 

4/10 Punkten.

7-2009