Q wie Quälgeist - Oder: Warum ein Gott Freunde nötig hat

 

Dieser Artikel ist erschienen in der deutschen Übersetzung des Romans Q & A (Quintessenz), Cross Cult 2010.

 

Man kann es nicht oft genug erwähnen: Gene Roddenberry hatte wenig übrig für Götter. Und diese, im Übrigen gegen jede Art von Vormund gerichtete Haltung ließ er aktiv in die Classic-Serie einfließen, welche er nach seinen Vorstellungen formte. In der variationsreichen Darstellung Roddenberrys waren Götter nie das, was sie vorgaben, zu sein. Nie waren sie wirklich allmächtig, fast immer Scharlatane und Betrüger, die konkreten Zielen nacheiferten. Im Grunde genommen waren sie in ihrer Niedertracht durch und durch wie normale Menschen auch. Kurzum: Die so genannten Schöpfer kamen in Star Trek nicht gut weg, und deshalb verdienten sie es auch nicht, eine zentrale Rolle in der Show zu spielen.

 

Trotzdem entschied sich der Franchise-Urvater zwei Jahrzehnte später bei der Entwicklung von The Next Generation dafür, ein kleines Experiment zu wagen. Dort machte er ausgerechnet einen Gott zur wiederkehrenden Gastrolle und zum roten Faden der runderneuerten Sternenflotten-Mission unter Jean-Luc Picard. Und diesmal war dieser Gott keine Mogelpackung, sondern einer, der seinen Namen verdiente. Q braucht nur zu schnipsen, und schon können die verrücktesten Dinge im Universum gegen jede Logik der Physik passieren. Hatte Roddenberry seine alte Weltsicht plötzlich über Bord geworfen?

 

Ein Allmächtiger als neuer Star

 

Die Antwortet auf die Frage ist ein klares Nein. Als der Star Trek-Erschaffer sich entschied, Q auf die Leinwand zu bringen, erklärte er sich offen für Neues. Bereitwillig nahm er Abstand von seiner früheren Darstellung von Göttern als interessengesteuerte Individuen. Das Q-Kontinuum ruht gewissermaßen in sich selbst. Seinen Bewohnern ist sogar so langweilig, dass einige von ihnen der Gewohnheit verfallen, ihre Kräfte zur eigenen Unterhaltung am restlichen Weltraum auszuprobieren.

 

Dem nicht genug: Die Q nehmen es sich heraus, ganze Völker anzuklagen und deren Unvollkommenheit zu bemängeln. Völker wie die Menschheit, die im 24. Jahrhundert mit einiger Zufriedenheit von sich annimmt, eine Weiterentwicklung mitgemacht zu haben, während sie kühn zu den Sternen aufbricht. Prompt stellen die Q in der Pilotfolge die Erdenbewohner vor Gericht, wo Picard gezwungen wird, ihren Stellvertreter zu geben und den Beweis dafür anzutreten, dass die Menschheit ihre Existenzberechtigung verdient; dass sie tatsächlich empor geläutert ist vom Status der „einfältigen, barbarischen Rasse“.

 

Die Konfrontation mit willkürlicher Macht und dem Aufoktroyieren schier unerfüllbarer Maßstäbe ist allerdings nur eine Seite der Medaille des Q-Konzepts. Eine weitere Veränderung gegenüber TOS besteht darin, das Seelenleben eines Gottes offen zu legen – und sich dadurch auf die Vorstellung einzulassen, wie es wäre, wenn es ein solch omnipotentes Geschöpf wirklich gäbe. Nie zuvor ist man einem Vertreter der Allmacht so nah gewesen wie Q. Im Laufe der Serie erfahren wir von seinen Launen, von seinen Nöten und Sehnsüchten. Vor allem aber erfahren wir, dass es gar nicht so einfach ist, ein Gott zu sein. Dass es beizeiten sogar eine ziemliche Belastung sein kann.

 

Ungewollter Besucher

 

Q kehrt in sieben Jahren TNG allenthalben auf die Enterprise zurück – stets dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Und immer sind mit seinem Auftauchen erhebliche Probleme und Herausforderungen verbunden, die auf Picard und seine Leute zukommen. Der Kontinuumsquerulant spart zu keiner Zeit an spitzzüngigen Kommentaren und Provokationen. Einmal verpasst er Picard Strumpfhosen und schickt ihn kurzerhand in den Sherwood Forrest. Dann wieder lässt er die Föderation früher als nötig mit den Borg zusammenstoßen, die sich wenig später zum schlimmsten Feind aufschwingen sollen. Einmal experimentiert er an Commander Riker, indem er ihm Q-Kräfte verleiht. Dann kommt er in der Rolle des Richters Gnadenlos daher. Immer jedoch geht es auch um persönliche Motive. Denn ob man es glaubt oder nicht: Selbst – oder gerade – Götter können zuweilen ziemlich einsame Geschöpfe sein.

 

„Sie sind im ganzen Universum das, was einem Freund am nächsten kommt.“, beichtet Q Picard einmal. Ein ziemlich brisantes Geständnis, aber eines das weiterhilft, seine Natur zu entschlüsseln. Seitdem ist klar, dass Q unabhängig von den Weisungen seines Kontinuums einen handfesten Grund besitzt, ständig zurückzukehren.

 

Überhaupt ist es die seltsame Hassliebe, diese eigentümliche Schwäche für den Enterprise-Captain, die uns den empfindlichsten Punkt Qs offenbaren – und darin seine ureigene Liebenswürdigkeit. Q kann so im TNG-Finale Gestern, Heute, Morgen zu einem heimlichen Verbündeten Picards werden, während sein Volk den Prozess der Menschheit unerbittlich vorantreibt. An dieser Stelle ist Roddenberry also seiner Götterzeichnung treu geblieben: Q ist zuweilen sogar sehr menschlich. Allerdings wird ihm dies nicht immer nur negativ ausgelegt. In der Endmoral ist eher das Gegenteil der Fall.

 

Die Erkenntnis, die sich in für die Q-Figur zentralen Folgen wie Noch einmal Q in ihm Bahn bricht, enthält viel Selbstkritik. Vielleicht kribbelt es den Störgeist ja nur deshalb so in den Fingern, mit anderen Spezies seine schlechten Scherze zu treiben, weil er selbst ziemlich allein ist. Eine Gesellschaft, in der jedermann sein eigener Anfang und sein eigenes Ende ist, in der niemand den anderen wirklich braucht, ist voll von Egomanen. Q ist ein Beispiel dafür: Seine Unzufriedenheit im Kontinuum treibt ihn erst hinaus in die Weite, wo er seinem Unfug nachgeht.

 

Omnipotent und doch lernend

 

Als er auf die Enterprise stößt, wird er über das, was er auf ihr vorfindet, neidisch. In einem seiner ehrlichen Momente gesteht er Picard, dass, wenn es ihn plötzlich nicht mehr geben, ihn vermutlich niemand vermissen würde. Denn Dinge wie Freundschaft und Liebe kann man nun einmal nicht mit überirdischen Kräften erzwingen. Sie werden dadurch ad absurdum geführt. Qs Aussage macht deutlich, dass er einen hohen Preis für seine Allmächtigkeit zahlt, zuweilen vielleicht einen zu hohen. Die Einsamkeit plagt ihn, und er beginnt zu erkennen, dass ihm etwas fehlt, das die sterblichen, kleinen Wesen im Gegensatz zu ihm besitzen – und dadurch ein Kosmos, der ihm verschlossen bleibt.

 

„Ohne meine Kräfte habe ich vor allem Angst. Je mehr ich lerne, was es bedeutet ein Mensch zu sein, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich nie ein guter sein werde.“ Qs Selbsterkenntnis ist aufrichtig. Zwar ist er nie freiwillig so weit gegangen, seine Kräfte aufzugeben, weil ihn sein Stolz daran hindert. Dafür begibt er sich mit seinen Stoßbesuchen auf der Enterprise selbst in die Rolle des Entdeckers.

 

Er ist dem Androiden Data in gewisser Weise gar nicht so unähnlich. Q kehrt die alte Denke endgültig um, dass ein Gott zwangsläufig etwas Höheres, Besseres, Erstrebenswertes, ja ein und für allemal Feststehendes sein muss. Stattdessen ist er ein wichtiges Versatzstück des generellen Erforscherskredos von TNG. Dieses Kredo beweist, dass selbst ein Gott noch dazulernen kann. Der Weg ist das Ziel. Und so bricht Q mutig dorthin auf, wo noch nie ein Omnipotenter je gewesen ist. Zur letzten Grenze, die da lautet: die Entdeckung der Menschlichkeit.

 

Eine verborgene Wahrheit

 

Soweit das, was wir zu sehen bekamen. Worauf wir uns einen Reim machen konnten. Die Serie verhieß uns, dass Q aus einer Gemengelage von ganz unterschiedlichen Motiven die Enterprise aufsuchte. Und doch: Das Rätsel, was wirklich hinter dem Prozess gegen die Menschheit steckt, wurde nie gelüftet. Welche verborgene Wahrheit mag da noch lauern?

 

Im dritten Roman der TNG-Fortsetzung Quälgeist macht Cross Cult Tabula rasa. Man ahnt es: Q wird noch einmal zurückkehren. Aber diesmal schickt er sich an, Altgewohntes umzustoßen und Picard nach all den Jahren zu verraten, was er in Gestern, Heute, Morgen noch nicht sagen wollte. Weshalb das Verfahren gegen die Menschheit geführt wurde. Was eigentlich auf dem Spiel steht.

 

Q hat diese Offenbarung bitter nötig: Denn nun ist Picard der Einzige, der ihm und dem Kontinuum helfen kann, das Universum vor dem Untergang zu bewahren.