Original Sin

Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: 2017
Seitenzahl: 440
Band: DS9 Post-Season-9/Post-Destiny 17

Zeitraum: 3/2386

 

Inhalt

 

Die Sternenflotte entscheidet sich für eine Rückkehr in den Gamma-Quadranten, und diesmal soll es so richtig losgehen. Ende 2385 schickt sie die U.S.S. Robinson unter dem Kommando von Captain Benjamin Sisko auf eine bis zu zweijährige Forschungsmission in den bislang weitestgehend unbekannten Teil der Galaxis, in dem vor rund zehn Jahren die U.S.S. Defiant eine mehrmonatige Exploration absolviert hat (siehe Mission Gamma-Reihe).

 

Sisko und seine inzwischen langjährige Crew haben einen guten Auftakt auf ihrem Tiefenraumeinsatz (immerhin haben sie bereits in der Vergangenheit ab und an Abstecher in den Gamma-Quadranten unternommen). Nach drei Monaten begegnen sie einer neuen Spezies: den Glant. Es handelt sich um nicht-humanoide Maschinenwesen, von denen keines dem anderen gleicht und die auf der Innenseite eines Fragments einer Dyson-Sphäre existieren. Leider zeigen sich die Glant aber nicht von ihrer besten Seite, denn statt friedlich Kontakt aufzunehmen, attackieren sie die Robinson und entführen sämtliche Kinder von Bord. Unter den Entführten befindet sich auch Rebecca, die gemeinsame Tochter von Benjamin Sisko und Kasidy Yates. 

 

Dieses dramatische Ereignis weckt ausgesprochen düstere Erinnerungen. Denn Rebecca ist vor Jahren bereits einmal von religiösen Fanatikern entführt worden, damals von einer Sekte, die überzeugt war, dass ihre Geburt die Prophezeiung der Ankunft des kindlichen Wegbereiters erfüllte.

 

Fragen stellen sich: Hat Rebeccas erneutes Verschwinden etwas mit den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit zu tun? Und zu welchem Zweck haben diese Feinde Siskos Tochter und die übrigen Vermissten entführt? Sisko muss es herausfinden - und sich der Erkenntnis stellen, dass er seinem Schicksal als Kind der Propheten kaum entkommen kann...

 

 

Kritik

 

Dass mit dem Flug der Robinson in den Gamma-Quadranten und dem neuen Untertitel des Buches („Gamma“) der Hauptschauplatz Deep Space Nine bzw. Bajor verlassen wird, ist durchaus ein wenig überraschend gekommen. Fast hat man die Befürchtung, der gestandene DS9-Autor David George wollte eine Art Spin-off etablieren. Dies ist allerdings ähnlich irreführend wie innerhalb des TNG-Relaunch der unglückliche Roman Indistinguishable from Magic, der in seiner ersten Hälfte suggeriert, eine Art neue Serie zu eröffnen, nur um dies am Ende schnell ungeschehen zu machen. Auch Original Sin wird ein Stand-alone-Abenteuer bleiben und keine Raumschiff-Serie in den Tiefen des Gamma-Quadranten etablieren.

 

Da an Bord der Robinson der Großteil der gestandenen DS9-Helden fehlt, dreht sich diesmal zwangsläufig alles um Sisko, seine Frau Kasidy und Rebecca (umso mehr, da uns die Crew der Robinson, auch wenn Sisko sie bereits seit geraumer Zeit befehligt, weitestgehend fremd ist). Dabei wird ihr Schicksal anhand von zwei Zeitebenen beleuchtet: In der Gegenwart des Frühjahres 2386 vollzieht sich Rebeccas zweite und im Jahr 2380 ihre erste Entführung. Von vorneherein bedeutet dieser Fokus, dass der Autor keine ganz zufällige Begebenheit dieser zweiten Verschleppung impliziert. Und so muss es dann auch kommen. Es muss demonstriert werden, dass Rebeccas Entführung zu beiden Zeitpunkten etwas mit ihrem Status als Tochter des Abgesandten zu tun hat; sie muss natürlich etwas ganz Besonderes sein und herausragende Fähigkeiten besitzen. Diese überirdischen Potenziale zu demonstrieren, scheint dabei das eigentliche Ziel des Doppelszenarios zu sein. Nun, das Ergebnis lässt mich zwiespältig zurück. Zwar passen Rebeccas Begabungen ins Bild, und es stellt eine nachvollziehbare Weiterentwicklung ihres Charakters dar, allerdings muss man sich die Frage gefallen lassen, ob es unbedingt nötig war, einer weiteren Tochter eines ST-Hauptdarstellers eine derartig exponierte Rolle zuzuschustern.

 

Denn das, was in dieser Geschichte mit Rebecca angestellt wird, erinnert mich doch extrem stark an die Stilisierung von Miral Paris aus dem Voyager-Relaunch zu einer herausragenden, legendenumwitterten Person. Immerhin war bei Voyager allerdings in der Serie bereits etabliert worden, dass Miral etwas Besonderes ist. Rebecca hingegen war zu DS9-Serienzeiten noch überhaupt nicht geboren. Doch die Genese beider Töchter liest sich frappierend ähnlich: Beide werden auf den Pfad des Wunderkindes geschickt und zum Gegenstand einer Mythisierung, und beide werden in jungen Jahren entführt. Es verwundert mich doch, wie eine derartige Redundanz zwischen den zwei Buchreihen entstehen konnte, und die einzige logische Erklärung ist, dass hier keinerlei Abstimmung zwischen den Autoren (gemeint sind George und seine Voyager-Kollegin Kirsten Beyer) stattgefunden haben kann.

 

Fakt ist: Ganz ähnlich wie auch in Full Circle bekommt man in Original Sin in Form eines umfassenden Flashbacks die Story rund um Rebeccas erste Entführung zu lesen. Problematisch ist, dass man aus gleich mehreren Gründen genau weiß, dass diese glimpflich ausgehen wird; zugleich nimmt sich der Autor die Freiheit, diese Rückblenden allzu ausführlich zu gestalten. Richtig ärgerlich ist aber, dass man das Gefühl hat, eine zuweilen dreiste Doppelung in einem Roman vor sich zu haben, denn in der Gegenwart geht es ja schon wieder um die Entführung von Siskos Tochter bzw. deren kriminalfallartige Rückführung, und Gedankengänge wie Handlungen scheinen sich eigentümlich zu wiederholen. Hinzu kommt, dass der Ausgang der ersten Entführungsgeschichte (2380) bereits in früheren DS9-Bänden explizit erwähnt wurde. So wussten wir vor dem Lesen von Original Sin, dass es nur mit Hilfe einer ehemaligen Sicherheitsbeamtin der amtierenden Premierministerin von Bajor gelang, Rebecca zu finden und in Sicherheit zu bringen.

 

Wenn im vorliegenden Roman für etwas mehr Tiefe, Dramatik und Überraschungseffekte gesorgt worden wäre, hätte dies das Buch womöglich ein Stück weit gerettet. Doch die Handlung ist so unspektakulär wie die Entführer blass und blutleer bleiben, ihre Beweggründe nur oberflächlich nachvollziehbar. Lediglich Radovan bekommt deutlich mehr Hintergrund, ist am Ende aber auch nichts anderes als ein verblendeter, fehlgeleiteter Fanatiker.

 

Ich muss zugeben, die hölzerne Handlung weckte bei mir zeitweilig Assoziationen mit der frühen TNG-Episode Die Sorge der Aldeaner, wo es auch um explizite Kindesentführungen gegangen ist. Allerdings biegt die Story dann doch in eine andere Richtung ab. Wenig überraschend ist die Konvertierung, welche die Fremden an den entführten Kindern vornehmen. Denn als aufmerksamer Leser hat man den Sinn und Zweck der Apparatur schon beim ersten Mal durchschaut. Es vergehen über 100 Seiten, bis Sisko und Konsorten erneut vor einer Konvertierungsmaschine stehen und erst dann begreifen, was es mit ihr auf sich hat. Sisko war doch früher immer ein ausgesprochen scharfsinniger Mann. Was ist mit ihm geschehen?

 

Neben dieser wenig beeindruckenden Gesamthandlung, die von vielen Zufällen und Holperigkeiten bestimmt wird, ist das größte Manko am Buch, dass es schlicht und ergreifend viel zu langatmig ist; das Pacing stimmt nicht. So wird die Robinson etwa von den unbekannten Angreifern ausgeschaltet, und bis man sich aus der Raumfalle befreit hat und die große Suche beginnt, sind fast 200 (!) Seiten vergangen. Zugegeben, David George hatte immer einen gewissen Hang zu ausschweifendem Erzählen, aber normalerweise gelang es ihm, epische Wälzer abzuliefern. Es ging dort um etwas, und er vermochte es oftmals, tief in die Figuren und ihre persönlichen Welten abzusteigen. Nichts davon erscheint in diesem Roman erfüllt. Es ist der Absturz eines Autors, den ich eigentlich immer sehr geschätzt habe, dessen Werke jedoch im Laufe der letzten Jahre immer ein bisschen mehr an Originalität eingebüßt haben.

 

Zwar stehen Sisko und Kasidy im Zentrum, doch selbst mit ihnen scheint der Autor nicht mehr allzu viel anzufangen zu wissen. Liegt es womöglich daran, dass der DS9-Relaunch längst so etwas wie ein lebender Toter geworden ist? Ich kann jedenfalls nicht mehr wirklich erkennen, wo die übergeordnete und zusammenhängende DS9-Epik sein soll. Siskos Tochter hier einen solchen Stellenwert einzuräumen und mit ihr eine schier endlose Propheten- und Auserwählten-Story fortzusetzen, die nicht nur in der Serie, sondern auch in Vorgängerbüchern zuhauf vorkam, ist schlichtweg ermüdend geworden. Ich jedenfalls kann es langsam nicht mehr sehen, wie Sisko stets aufs Neue mit seiner Abgesandten-Rolle hadert, viel Sturm im Wasserglas in der Familie Sisko-Yates erzeugt wird, nur damit sich am Ende doch nicht allzu viel ändert.

 

An dieser Stelle wird es Zeit für eine kleine Generalabrechnung mit der Weiterentwicklung von Benjamin Sisko im fortgeschrittenen DS9-Relaunch. Insgesamt liest sich Siskos Lebensweg seit seiner Rückkehr aus dem Himmlischen Tempel in Unity doch recht widersprüchlich, und das ist seitdem eher noch schlimmer geworden. War in Unity die Rückkehr Siskos noch überraschend und ließ das Buch etwas offen, inwiefern dies noch der ‚alte‘ Sisko war, wirkte es später so, als wüssten die Autoren nicht recht, was sie mit dem Wiedererweckten anfangen sollen. Zunächst war er ein weiser, geläuterter Mann, der auf Bajor glücklich und zufrieden die Zeit mit seiner Familie verbrachte und ab und zu Rat und Tat spendete. Ab der Typhon Pact-Reihe verlor er diese innere Mitte. Die bisherige Handhabung seiner Figur wurde über Bord geworfen, ja, er wurde das Gegenteil seiner alten Darstellung: Plötzlich hatte man es mit einem Sternenflotten-Captain zu tun, der sich aufgrund diverser Ereignisse von seiner Familie und Freunden völlig entfremdet hatte und kurz davor stand, sich von Kasidy Yates zu scheiden. Dazu kam es dann doch nicht, doch Sisko wirkte fortan innerlich zerrissen und zugleich entschlossen, das Kommando über ein Raumschiff zu führen und Bajor wieder den Rücken zu kehren. Unter dem Strich ist kein stimmiges Gesamtbild bei seinem Charakter herausgekommen; er wirkt hin und her gerissen und zugleich gefangen im Niemandsland nicht immer nachvollziehbarer Beweggründe.

 

Positiv würdigen möchte ich immerhin die Idee der Glant: Mit ihnen hat George jedenfalls dem Konzept nach ein faszinierendes und wahrhaftig fremdartiges Volk erschaffen. Gewissermaßen eine Art Gegenentwurf zu den Borg, für die die Individualität bekanntermaßen ein Gräuel war. Es ist schade, dass diese an und für sich interessante Spezies hier nicht besser zur Geltung gekommen ist.

 

 

Fazit

 

Langatmig und uninspiriert, zudem eine dicke Redundanz zum Miral Paris-Handlungsbogen in Voyager. Dieses Buch hat am Ende nicht einmal so etwas wie Charaktertiefgang zu bieten, was auch mit Siskos fragwürdiger und nicht kohärenter Handhabung zu tun hat. Längst habe ich das Gefühl, dass der DS9-Relaunch mucksmausetot ist. Dieses Buch beweist es in nahezu allen Belangen.

 

4/10 Punkten.

10-2022