Worlds of DS9 #2: Unjoined

Autoren: Michael A. Martin & Andy Mangels
Erscheinungsjahr: 2005
Seitenzahl: 200
Band: DS9 Post-Season-8

Zeitraum: 10/2376

 

Vorbemerkung

 

Mit dem großen Finale Unity hat die achte DS9-Staffel ihr Ende gefunden. Die Parasiten-Bedrohung konnte abgewendet werden, Bajor wurde doch noch Föderationsmitglied, und die politreligiöse Pluralisierung des Planeten wurde nicht der befürchtete Spaltpilz. Abgesehen davon kehrte Benjamin Sisko von den Propheten und sein Sohn Jake aus dem Gamma-Quadranten zurück – mitsamt einer ehemaligen Kai, die viel zur Befriedung Bajors beitragen konnte.

 

Trotzdem blieben Fragen offen, und Pocket Books dachte nicht daran, an dieser Stelle mit dem DS9-Relaunch aufzuhören. Also überlegte man sich ein neues Konzept und schuf im Anschluss an Unity die Worlds of DS9-Reihe. Es handelt sich dabei um sechs kompakte Geschichten, die einen sehr speziellen Fokus haben. Deep Space Nine hat zu Serienzeiten ganz bestimmte Welten schwerpunktmäßig und wiederkehrend thematisiert; bei der Romanfortsetzung kam sogar das eine oder andere Volk neu dazu.

 

Nun stehen eben diese Völker im Mittelpunkt der Geschichte. Die heimatlichen Gefilde der Cardassianer, Andorianer, Trill, Bajoraner, Ferengi und des Dominion werden besucht und die aktuelle Situation dieser Spezies in den Blick genommen. Es geht darum, auf Basis bisheriger Informationen in Serien und Filmen ein möglichst dichtes und schlüssiges Bild ihrer Kulturen zu zeichnen und zugleich ein umwälzendes Szenario in der Gegenwart mitzuerleben, das einschneidend für diese Lebensgemeinschaften, ihre politische Zukunft und ihr Selbstverständnis ist. 

 

Die DS9-Crew begleiten wir nicht mehr ganzheitlich, dürfen aber dafür einigen ausgewählten Helden über die Schulter schauen, die es auf die eine oder andere Welt verschlägt. Das bietet immerhin die große Chance, sich auf bestimmte Figuren und Figurenkonstellationen zu konzentrieren und Neues auszuprobieren.

 

Obwohl im englischen Original immer jeweils zwei Geschichten in einem Band veröffentlicht wurden, wird im Folgenden jede Worlds of DS9-Geschichte einzeln rezensiert und bewertet, da alles andere wenig Sinn machen würde.

 

 

Inhalt

 

In der ersten Geschichte des zweiten Bandes mit dem Titel Unjoined haben die Trill ein schwerwiegendes Problem: Im Zuge der zurückliegenden Parasitenkrise hat sich herausgestellt, dass die Machthaber der symbiotischen Spezies Jahrhunderte lang die Öffentlichkeit der Föderation und ihr eigenes Volk getäuscht haben. Es besteht eine enge Verwandtschaft zwischen den Symbionten und den Parasiten. Mit der Lüftung dieses Geheimnisses kündigen sich neue Offenbarungen an, die die politische Führung Trills vielleicht sehr bald leisten muss. Spätestens seit der Ermordung Shakaars durch ein ranghohes Mitglied des Verteidigungsministeriums der Trill, herrscht ein zunehnmend angespannteres Klima auf Ezri Dax' Heimatwelt - die Bevölkerung fordert ihre Regierung auf, endlich reinen Tisch zu machen und verdächtigt sie weiterer Lügen, ohne schon zu wissen, was bald noch ans Tageslicht kommen könnte.

 

Angesichts der für die gesamte Föderation bedrohlichen Parasitenkrise wird mit Ausklang des Jahres 2376 auch im Föderationsrat der Druck deutlich erhöht. Die politische Kammer der Planetenallianz fordert eine vollständige Offenlegung sämtlicher, die Symbionten betreffenden und bislang von der Trill-Administration gut gehüteten Akten. Endgültig soll Schluss sein mit jener Geheimniskrämerei, die eigentlich nicht mit dem vertrauensbasierten Grundsatz der Föderation konform geht. Es erheben sich sogar Stimmen, die eine Verhängung von Sanktionen über Trill befürworten, sollte sich die Regierung von Präsident Maz nicht kooperationsbereit zeigen. Manch einer droht sogar schon mit einem Ausschluss aus der Planetenallianz.

 

Der Föderationsrat fällt letztlich den Beschluss, die zurückliegende Parasitenplage müsse säuberlich aufgebarbeitet werden, um sie künftig ausschließen zu können. Daher wird ein Team von DS9 mit einer Mission betraut, die es nach Minos Korva führt – der Ort, wo die ganze Katastrophe ihren Ausgang genommen und wo auch Skakaar Edon von einem Neuralparasiten übernommen worden war. Das Ergebnis ist eindeutig: Das Außenteam findet in den unterirdischen Eishöhlen Minos Korvas nur mehr tote Kreaturen vor und gelangt zur Feststellung, dass diese nach dem Tod der Über-Königin vor einem Monat ebenfalls verendet sind.

 

Im Anschluss an den erfolgreichen Ausgang des kurzen Überprüfungseinsatzes wird Ezri Dax von Captain Nerys darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Trill-Regierung sich dazu durchgerungen hat, eine offizielle Investigation bezüglich der zurückliegenden Parasitenplage einzuleiten – natürlich nicht aus freien Stücken, sondern auf Druck der Föderationsadministration. Dax soll nach Trill reisen, um in ihrer Rolle als vereinigte Trill und Sternenflotten-Offizier bei der Aufklärung des Vorfalls zu helfen. Sie bricht sofort auf, kommt aber nicht umhin, dass ihr Liierter, Julian Bashir, sie begleitet.

 

Während des Flugs nach Trill mit dem Runabout Rio Grande analysiert Bashir ein fragiles Objekt, welches das Außenteam in der Parasitenhöhle auf Minos Korva gefunden hat: eine Art Tonscheibe. Er gelangt zur Erkenntnis, dass es nicht von Minos Korva kommt, sondern von Kurl, einem Planeten, dessen Zivilisation vor fünftausend Jahren ausstarb. Des Weiteren stellt er die Vermutung an, dass jene Kurl vielleicht auch eine symbiotische Spezies gewesen sein könnten und daher eine gemeinsame Wurzel mit den Trill existiere.

 

Auf Trill angekommen, wird Dax vor dem Senat in Bezug auf die zurückliegende Parasitenkrise befragt – der erste Schritt der Trill-Regierung, die Veröffentlichung streng geheimer Daten hinsichtlich der Verwandtschaft von Symbionten und Parasiten vorzubereiten. Dabei bringt sie auch die jüngsten Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Investigation auf Minos Korva und dem Fund des Kurl-Fragments zur Sprache.

 

Dann beginnen sich die seit Wochen bestehenden Spannungen auf dem Planeten gewaltsam zu entladen: Es kommt zu Massenaufläufen und Demonstrationen, gewaltsamen Ausschreitungen und sogar terroristischen Anschlägen in allen großen Städten des Planeten. Unbekannten Eindringlingen gelingt es, die Sicherheitssysteme im Senatstower zu sabotieren, einen wichtigen Senator zu töten und einen Sprengsatz zu legen. Dieser kann in letzter Sekunde von Bashir und Dax mithilfe des Runabout-Transporters in den Weltraum gebeamt werden.

 

Wenig später bekennen sich die unvereinigten Neopuristen als für die Terroranschläge verantwortliche Gruppierung - und es kommt noch schlimmer: Offenbar ist es dieser fanatischen Fraktion gelungen, Dax' Bericht vor dem Senat in die Finger zu bekommen. Nun wird zum einen öffentlich, dass es zwischen den Trill und den Kurl ein enges Verhältnis gibt. Die Neopuristen bestätigten dabei Bashirs anfängliche Theorie und gehen sogar noch einen Schritt weiter, wonach die Kurl nicht nur mit den Trill in Verwandtschaft stünden, sogar ursprünglich Trill-Kolonisten gewesen seien. Zum anderen - und das ist wohl am verheerendsten - wird ein bereits in der DS9-Episode Das Equilibrium erwähntes Geheimnis allgemein bekannt: dass nämlich ein sehr viel größerer Teil der Trill-Bevölkerung zur Vereinigung mit einem Symbionten fähig ist als die Symbiosekommission vorgibt. Diese Wahrheit wurde jedoch verborgen, um den Status quo auf Trill nicht zu gefährden und um fehlerhaften Vereinigungen besser vorbeugen zu können.

 

All diese explosionsartig an die Öffentlichkeit entlassenen Wahrheiten verwandeln die Welt endgültig in ein Pulverfass und fachen den Hass der Neopuristen weiter an. Diese hegen nun die Absicht, die vereinigten Trill mit einer chemischen Waffe zu beseitigen und die Machtstrukturen auf der Welt ein für allemal umzukrempeln.

 

Während Bashir im zentralen Krankenhaus der Hauptstadt um das Leben zahlreicher Verwundeter ringt, begibt sich Dax in die Höhlen von Mak‘ala und betreibt Nachforschungen in Bezug auf die Kurl-Parasiten-Verbindung. Um mit den dort lebenden unvereinigten Symbionten in Kontakt zu treten, geht sie ein lebensgefährliches Wagnis ein, durch das sie schließlich Wissen erlangt, das nicht nur die Zukunft ihres Volkes, sondern auch ihr eigenes für immer verändern wird. Es ist das Wissen einer Welt, die zu lange geschwiegen hat…

 

 

Kritik

 

Wenn es neben Andoria eine zweite Welt gibt, auf die der DS9-Relaunch dramatische Auswirkungen hatte, so ist es Trill. Und deshalb hatte ich besonders hohe Erwartungen an die vorliegende Geschichte aus der Feder von Andy Mangels und Michael A. Martin.

 

Tatsächlich entpuppt sich  Unjoined als das Zugpferd des zweiten Bandes. Die Story ist düster, gut geschrieben und äußerst spannend, nimmt die lange Zeit in Selbstverleugnung lebende Trill-Gesellschaft genauestens unter die Lupe. Leider sind manche Handlungsvorgänge ein wenig übertrieben, denn in kürzester Zeit schaffen es die Autoren, den Planeten auf den Kopf zu stellen (was auch damit zusammenhängt, dass das eine oder andere Geheimnis zu viel ist, was hier behandelt wird). Tausende Vereinigte sterben, die Zahl der Symbionten wird auf ein kritisches Niveau dezimiert. Angesichts der Terroranschläge und innenpolitischen Krisen wäre vielleicht etwas weniger mehr gewesen. Trotzdem passt die Geschichte rund um eine extremistische Terrorgruppe hier viel besser als bei der Cardassia-Story (The Lotus Flower) und wirkt auch deutlich glaubwürdiger.

 

Besonders fasziniert hat mich neben der Aufarbeitung des Canons zu den Trill vor allem die Darstellung dieser einzigartigen Gesellschaft. Bestanden zwischen verschiedenen TV-Episoden, in denen Trill vorkamen, noch Ungereimtheiten und Widersprüche, werden diese nun behoben und in eine Gesamterklärung eingebettet. So zum Beispiel auch, warum die Trill, als sie schon längst Föderationsmitglied waren, nie aus freien Stücken offenbarten, dass sie eine symbiotische Spezies sind (TNG-Episode Odan, der Sonderbotschafter).

 

Man kann deutlich erkennen, wie diese Welt regelrecht gefangen ist in einem System von Vereinigten und Unvereinigten, einer echten Zwei-Klassen-Gesellschaft, die zudem noch ein Monopol der Geheimnisse etabliert hat. Die Tatsache, dass die höheren Ebenen in Politik, Militär und Forschung ausschließlich von Vereinigten besetzt sind und diese auch einen höheren medizinischen Status haben als Unvereinigte, zeigt die tiefe Spaltung der Gesellschaft. Ebenfalls stimmig reiht sich die Lüftung des großen Geheimnisses der Trill in den ominösen Höhlen Mak‘alas ein.

 

Natürlich habe ich mich beim Lesen immer wieder gefragt, wie eine so kompakte und doch so umwälzende Geschichte enden soll. Auch in dieser Hinsicht bin ich von Mangels und Martin nicht enttäuscht worden. Sie präsentieren, wie sich kaum vermeiden lässt, ein offenes Ende, machen aber anhand der gelungenen Ansprache der Trill-Präsidenten an ihr Volk viele Andeutungen für die Zukunft. So wird angesichts der starken Dezimierung der Symbionten bis auf weiteres ein 'Vereinigungsmoratorium' verhängt, das den Trill Gelegenheit gibt, über ihre gesellschaftliche Zukunft nachzudenken und etwas Luft zu schnappen. Dabei geht die Präsidentin mit gutem Beispiel voran. Darüber hinaus kündigt sie an, dass sie alles unternehmen wird, um die soziale Ungleichheit zwischen Vereinigten und Unvereinigten zu beseitigen. Das mögen erst einmal nur Worte sein, doch in Anbetracht der Offenlegung sämtlicher großen Geheimnisse sind es ehrliche Worte, die das Potenzial für einen gesellschaftlichen Neuanfang bergen. Dieser wird lang und hart sein, aber der Leser bekommt doch eine Vorstellung davon, dass mit dem Aussprechen dessen, was war und ist, das, was sein wird, zumindest eine gute Chance hat.

 

Vor allem für Fans von Ezri Dax ist diese Geschichte vermutlich besonders interessant. Ihr Charakter wird stark ausgebaut, und es gibt wichtige Veränderungen in ihrem Leben. Leider erfahren wir nicht mehr über ihre Familie (DS9-Episode Die verlorene Tochter), dafür immerhin einige Details aus Dax‘ früherem Leben und wie dieses bereits mit den Parasiten in Berührung kam. Tatsächlich war es Audrid, eine frühere Dax-Wirtin, die zur Zeit von Captain Christopher Pike in die Vertuschung der Symbionten-Parasiten-Verbindung verwickelt war.

 

Julian Bashir hat zwar nicht so viel zu tun wie seine Partnerin, wird dafür aber auch sehr gut getroffen. Besonders eindringlich ist für beide Figuren ein wegweisender Dialog am Ende von Unjoined. Es ist schön zu sehen, wie beide Protagonisten sich immer stärker von den Vorgaben der Serie gelöst haben. Andere Figuren bleiben daneben etwas blass. Wenigstens treten aber aus dem DS9-Relaunch oder anderen Reihen bekannt Charaktere wie Gard, Cyl oder Ranul Keru auf.

 

Trotz der gelungenen und mitreißenden Geschichte erschien mir der Schreibstil des Autorentandems diesmal ein wenig sperrig und langatmig. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie diesmal besonders stark in die seelischen Tiefen von Bashir und Ezri abtauchen und die Abgrenzung zu realen Vorgängen nicht immer gelingt. Sind Dax‘ aufkommende Erinnerungen auf Minos Korva noch ein beinahe gänsehautähnliches Erlebnis, gelingt dies an späterer Stelle weniger gut. So fällt es bisweilen ein wenig schwer, sich einzelne Szenen bildhaft vorzustellen.

 

 

Fazit

 

Dennoch steht mein Urteil fest: Unjoined ist eine inhaltlich sehr gut durchdachte und handwerklich rundum gut umgesetzte Geschichte mit erdrutschartigen Folgen für die Gesellschaft der Trill. Es werden lose Enden verbunden, und auch die Charaktere verändern sich. Kurzum: Eine Geschichte, die mustergültig zur Worlds of DS9-Reihe passt.

 

8/10 Punkten.

7-2014