Taking Wing

Autoren: Michael A. Martin & Andy Mangels
Erscheinungsjahr: 2005
Seitenzahl: 360
Band: 1

Zeitraum: 9/2379-1/2380

 

Vorbemerkung

 

Der Auftaktroman der Titan-Serie, Taking Wing, behandelt den inneren Konflikt im Romulanischen Sternenimperium. Dabei werden Informationen zu diesem Thema auch in anderen Büchern ausgebreitet (z.B. Death in Winter oder Articles of the Federation), auf die sich Taking Wing teilweise bezieht oder inhaltliche Vorleistungen für eine Weiterführung der Romulanerthematik schafft.

 

 

Inhalt

 

Eigentlich soll es ja der Beginn einer neuen Ära sein - sowohl für die Sternenflotte als auch für William Riker persönlich, der es gar nicht erwarten kann, mit seinem funkelnagelneuen Kreuzer der Luna-Klasse, der U.S.S. Titan, in die unerforschten unendlichen Weiten aufzubrechen. Dann aber schiebt sich eine dringliche Angelegenheit dazwischen, und die lautet: Die Zukunft des Romulanischen Sternenimperiums.

 

Seit Shinzons Ableben steht das Vielweltenreich am Abgrund: Seine romulanischen Lenker haben sich gegeneinander in Stellung gebracht und stehen kurz davor, über einander herzufallen. Mit der Ermorderung des kompletten Senats (wie in Nemesis geschehen) ist jegliche Aussicht auf politische Stabilisierung und Integration verloren gegangen. Die verschiedenen Fraktionen - darunter die frisch gekürte, aber politisch schwache Prätorin Tal'Aura, der Tal'Shiar oder Teile der Flotte unter Commander Dontra - buhlen ungezügelt um mehr Macht und Einfluss. Hinzu kommt ein ausgemachter Dekolonisierungsprozess im einstmals so monolithischen Imperium der Romulaner: Überall auf den peripheren Welten entflammen Aufstände, die nur mit Mühen vom imperialen Militär in Schach gehalten werden können. Diese separatistischen Bewegungen verfolgen kein anderes Ziel, als ihre Welten in die Unabhängigkeit zurückzuführen. Besonders ungeduldig und aggressiv gehen hierbei die Remaner vor, die seit Shinzons Putsch die Aussicht wittern, sich vollständig von ihren ehemaligen Ausbeutern zu emanzipieren.

 

Weil sich das Imperium nicht mehr selbst helfen kann, muss von außen geholfen werden: Über die diplomatischen Kanäle ersucht Prätorin Tal'Aura offiziell bei der Erde um Hilfe. Die Föderation hat ein vitales Interesse daran, sie zu erwidern, kann sie doch nicht riskieren, dass erneut Hardliner an die Macht kommen, welchen ihre Existenz ein Dorn im Auge ist, oder dass eine riesige Region des Alls in Chaos und Anarchie versinkt. Auf der anderen Seite weiß die Planetenallianz, dass die Romulaner im derzeitigen Klima aus einem Gefühl der Schwäche heraus sehr schnell radikalisieren könnten. Jeder Schritt muss also überlegt und auf vertrauensbildende Maßnahmen abgestellt sein. Hier kommen Riker und die Titan ins Spiel: Sie sollen einen Hilfskonvoi mit Versorgungsgütern nach Romulus eskortieren und anschließend Gespräche zwischen den verfeindeten Gruppen im Machtapparat vermitteln, um einem Bürgerkrieg zuvor zu kommen.

 

Problematisch ist, dass die Föderation hinter vorgehaltener Hand nicht so selbstlos ist, wie sie zu sein vorgibt, sondern in einen handfesten Interessenkonflikt verwickelt ist: Rikers zweites, geheimes Missionsziel lautet nämlich, nach Botschafter Spock (dem Kopf der von den Romulanern bekämpften Vereinigerbewegung) und einem verschwundenen vulkanischen Agenten zu suchen. Sollten die Romulaner diese Absicht aufdecken, besteht die Gefahr, dass sie der Föderation politische Einflussnahme zu ihren Gunsten unterstellen, im schlimmsten Fall den Dialog abbrechen und einen bewaffneten Konflikt vom Zaun brechen. Riker weiß, dass dies also kaum die hehre Forschungsmission ist, die er sich für sein Schiff so sehnlich gewünscht hat. Stattdessen wird der Flug nach Romulus wohl so etwas wie eine Feuertaufe sein.

 

Im Herzen des Imperiums angelangt, kommt es irgendwann, wie es kommen muss: Bei einem Rettungsversuch des Agenten ergeben sich Komplikationen, die den Frieden gefährden. Währenddessen enttarnen sich plötzlich remanische Kriegsschiffe im Orbit von Romulus und fordern im Rahmen eines Ultimatums die Abtretung eines separaten Kontinents für ihre eigene Ansiedlung. Jetzt kochen die Emotionen hoch: Die Romulaner wollen dieses Vorhaben um jeden Preis verhindern und die Remaner am liebsten in die Sklavenminen auf dem Schwesterplaneten zurückschicken. Rikers Dilemma wird offenkundig: Egal, für welche Gruppierung er Partei ergreift - er würde auf der falschen Seite stehen...

 

 

Kritik

 

Im Jahr 2005, als die Titan-Reihe ins Leben gerufen wird, gehören Michael A. Martin und Andy Mangels noch zur Riege der jüngeren Star Trek-Autoren, haben aber bereits mit dem Sektion 31-Roman Rogue bereits für Aufsehen gesorgt. Wie man es von Lizenzautoren erwartet, liegen ihre schriftstellerischen Fähigkeiten vor allem darin begründet, reichhaltige Querverbindungen in die Serien und Filme zu schaffen und Gehabtes aufzugreifen, ohne dabei die Sicht auf eine neue, eigenständige Story zu versperren.

 

Diese Art von Canontreue spiegelt sich in Taking Wing besonders anhand der Charaktere wieder, wo es sich Martin und Mangels zudem nicht nehmen lassen, den Bezug zu ihren eigenen bisherigen Werken groß zu schreiben (z.B. die persönlichen Hintergründe und die Homosexualität Ranul Kerus). Der Titan-Debütroman glänzt folglich mit einer Fülle an Hauptrollen und Gaststars, die gut ausgearbeitet und authentisch beschrieben sind. Gerade, wenn man noch das gekonnte Aufgreifen der vielen romulanischen Figuren bedenkt (Tal'Aura, Tomalak, Pardek, Donatra etc.), meint man geradewegs, das galaktische Who-is-who zu durchlaufen.

 

Konzentrieren wir uns auf die Hauptfiguren. Sie sind ihrerseits eine gute Mischung, die querbeet durch die TV- und Romanwelt verläuft. Aus den Serien- und Kinovorlagen kennen wir Tuvok, der für eine Spezialmission nach Romulus geschickt wurde, ebenso gut wie Riker und seine Frau Deanna. In der Literatur erschaffene oder zumindest stark weiter entwickelte Charaktere kommen hinzu: Melora Pazlar (Das Melora-Problem, Gemworld) oder auch Ranul Keru (Rogue). In dieser zweiten Gruppe scheint mir besonders die Figur der Christine Vale interessant, die bereits Auftritte in der Starfleet Corps of Engineers-Reihe hatte und Sicherheitschefin auf der Enterprise-E war (A Time to...-Reihe). In Taking Wing dürfen wir Rikers Werben um Vale erleben, wie er versucht, seiner Wunschkandidatin den Posten schmackhaft zu machen. Dabei ist es gerade die temperamentgewürzte Vielseitigkeit Vales, die diese Person reizvoll macht und zudem ein wenig an die früh verstorbene Tasha Yar erinnert. In jedem Fall sind die kecken Sprüche des Titan-XO einer der Höhepunkte des Buches.

 

Zur Titan als Ganzes will ich mich abwartend zeigen: Noch sind die Eindrücke sehr frisch, und sie sind selbst für Star Trek-Verhältnisse ziemlich bunt und fremdartig. Waren die bisherigen Sternenflotten-Schiffe sonst immer menschlich dominiert (Zitat Azetbur: "Homo Sapiens-Club"), kehrt sich nun das Verhältnis geradewegs um: Weniger als fünfzehn Prozent der Mannschaftsmitglieder an Bord der Titan sind nämlich menschlich, und ein großer Teil besteht aus nicht-humanoiden Lebensformen. Einerseits ist es wohl nur folgerichtig, auch einmal eine Crew zu zeigen, die das Motto von der unendlichen Mannigfaltigkeit auslebt. Andererseits sollte es nicht das Ziel der Titan-Autoren sein, sich in Zukunft mit der Darstellung skurriler Aliens zu überbieten. Damit werden zwar leicht Seiten gefüllt - und möglicherweise auch Covers -, einer guten Story ist damit jedoch noch nicht automatisch gedient. Insofern möchte ich hier auch noch keine Wertung über den Dinosaurierdoktor Ree abgeben, aber ich hatte schon das Gefühl, dass er abseits seiner 'ethnischen' Identität doch sehr stark an eine Mischung aus Phlox und Holo-Doc erinnert.

 

Der einzige beträchtliche Dämpfer für die ansonsten so flotte, unterhaltsame und clever ausgestaltete Story sehe ich dann auch in enger Verknüpfung mit der Titan. Die Vorstellung vieler (teils nicht sonderlich wichtiger) Charaktere frisst einfach zu viel Platz von den 360 Seiten, sodass die weit interessantere politische Rahmenhandlung um die Zukunft des romulanischen Imperiums zu schnell vorbei und die Probleme gelöst sind. Für meinen Geschmack hätte man also entweder auf diese ausführliche Darstellung des Titan-Innenlebens verzichten oder aus Taking Wing einen Zweiteiler machen müssen. So, wie das Buch ist, krankt es an den klassischen Problemen einer Pilotfolge: Alles ein bisschen angerissen, nichts wirklich. Bei einem unkomplizierten Thema hätte das vielleicht funktioniert, bei 'Romulus nach Shinzon' tut es das nicht.

 

Überhaupt ist die Auflösung der Geschichte ein wenig irritierend und unrealistisch. Zwar leuchtet mir durchaus ein, dass die Klingonen mit ihrer Erklärung, die Remaner zu unterstützen, einen machtpolitischen Coup gegen die Romulaner landen, doch die Geschwindigkeit, mit der der Sinneswandel der Klingonen sich vollzieht - Riker redet ein bisschen auf sie ein, und schon beißen sie an -, hat mir dann doch ein wenig aufgestoßen. Man hat fast das Gefühl, die Autoren wollten den lästigen romulanischen Plot schnell ad acta legen, um anschließend die Titan mal eben in die übernächste Galaxis zu katapultieren. So geht die Geschichte aus - mit einem Voyager-Effekt am Ende. Warum denn nicht, könnte man jetzt sagen; eigentlich ist dies auch der versprochene Impetus von Titan gewesen. Trotzdem fragt es sich, wieso vorher dann ein viel versprechendes und letztlich doch nur halbherzig zu Ende gebrachtes romulanisches Experiment gestartet werden musste?

 

 

Fazit

 

Ein alles in allem gelungener Auftakt für Titan, der Riker und seine Mannschaft allerdings anstatt der erhofften Forschungsreise gleich mit der bitteren Realität konfrontiert. Zwar enttäuscht das Ende etwas, dafür dürfen wir jetzt davon ausgehen, dass die eigentliche Reise der Titan begonnen hat.

 

Dabei alles Gute!

 

7/10 Punkten.

5-2010