Zurück von den Toten
Enterprise ist die erste und bisweilen letzte Star Trek-Serie, die nicht in den Genuss von vollen sieben Staffeln kam. Am Ende der Show blieben eine Menge Fragen offen, viele Geschichten unerzählt – und es wurde vor allem von den Fans viel Kritik am fünften Serienspross geübt. Wenn das keine optimalen Voraussetzungen für ein paar Star Trek-Autoren sind, zu beweisen, dass es besser geht. Und dass man die NX-01 selbst nach einer vermeintlich endgültigen letzten Folge wieder auf große Fahrt schicken kann.
Schwierige Ausgangslage...
Wohl kaum eine Star Trek-Episode hat in der Fangemeinde so viele Diskussionen ausgelöst wie Dies sind die Abenteuer. Es war der letzte Akt von Enterprise, ehe der Serienvorhang am 13. Mai 2005 unwiderruflich fiel. Die finale Folge war von den Machern gedacht als Hommage auf Star Trek, doch für die geschrumpfte Schar verbliebener Liebhaber von Enterprise fühlte sie sich wohl eher an wie eine Ohrfeige: Erst müssen die allerletzten Minuten NX-01 im Rahmen eines eher unglaubwürdigen Holodeck-Selbstfindungsabenteuers von William Riker ertragen werden, und dann wird obendrein Trip Tucker noch zum Bauernopfer gemacht.
Wie immer man im Rückblick zu Dies sind die Abenteuer stehen mag: Zumindest spiegelte die Episode und die hitzigen Reaktionen auf sie die nicht ganz einfache Karriere von Enterprise bei den Fans wider. So umstritten, wie der fünfte Spross der Star Trek-Familie bei seiner Erstausstrahlung gewesen war, so Xindi-mäßig tief war die Schneise beim Ende der Show nach nur vier Staffeln. Ursprünglich als Prequel und gleichsam Neuanfang für Star Trek geplant, geriet Enterprise bald ins Quotenfahrwasser.
Deutungen dieses Umstands gab es viele: eine zu überhastete Produktion samt übertriebenem Druck durch das Studio, das Remake altbackender Star Trek-Abenteuer plus nackte Haut als Entschuldigung für neue Einfälle, Kratzer an der Star Trek-Kontinuität, unausgereiztes Charakterpotenzial. So mancher Trekker hatte Enterprise früh fallengelassen und ihm dem Stempel des schwarzen Entleins im Franchise aufgedrückt. So etwas hatte es bislang noch nicht gegeben, denn letztlich hatte jede neue Serie früher oder später ihren eigenen Unterstützerkreis gefunden.
Zieht man mit einigem zeitlichen Abstand ehrlich Bilanz, so waren viele Unkenrufe, die Enterprise in den Produktionsjahren erntete, ungerecht. Obwohl die Serie zu langsam in Fahrt gekommen ist und später in eine nicht ganz introkompatible Radikalwende gestürzt wurde, ist sie in vielerlei Hinsicht besser als ihr Ruf gewesen. Denn jenseits der geübten Kritik darf nicht vergessen werden, dass keine andere Star Trek-Serie binnen so kurzer Zeit derart große Entwicklungen durchmachte.
In der allgemeinen Not rapide sinkender Quoten wurden die Macher plötzlich wieder erfinderisch. Huschten in den ersten beiden Jahren noch Einzelabenteuer über die Leinwand, ging das Team in Staffel drei ein Wagnis ein, indem es eine komplexe, durchgehende Geschichte erzählte und Star Trek in ein dunkleres Ambiente rückte. Staffel vier unter Manny Coto wiederum wartete mit einer deutlich verstärkten Hinwendung zu TOS auf, eingerahmt in eine Reihe von dreiteiligen Episoden – ihrerseits inhaltlich wie formal innovativ.
Unter dem Strich hat Enterprise also sehr wohl etwas bewirkt: Es wurde der Versuch unternommen, Star Trek von seinen zuweilen verblümten Wurzeln zu lösen und in einen neuen Zeitgeist zu überführen, der anderswo längst geerdeter Standard ist. Es wurde auch versucht, Star Trek in sich zu bereichern. Insofern kann der Serie kaum vorgehalten werde, dem Fan zu wenig Neues geboten zu haben, sondern mehr, dass es zu wenig mit einem bestimmten Label verbunden werden konnte. In den 98 Folgen spiegelte sich die Machart für das Star Trek der achtziger und neunziger Jahre ebenso wieder wie die Bemühungen, Anschluss an die Science-Fiction des 21. Jahrhundert zu finden. Nicht mehr und nicht weniger. Und genau hier endete die Serie mit Dies sind die Abenteuer ziemlich abrupt. Das Bild, das Enterprise trotz aller Variationsspiele und Niveauzuwächse am Ende abgab, glich Jonathan Archers eigener, gelegentlich beobachtbarer Impulsivität.
...oder eine Steilvorlage
Doch heißt es nicht, ‚bad news is good news‘? Auf dieses verheißungsvolle Sprichwort verstand sich die Star Trek-Romanabteilung von Pocket Books, damals von Marco Palmieri geleitet, und griff die von Widersprüchen geprägte Show zwei Jahre nach ihrem unrühmlichen Ende dankbar auf. Denn alles Unvollendete, so heißt es, ist allerbeste Knetmasse für die Fantasie. Hatte der New Yorker Verlag seit dem Millennium bereits Deep Space Nine, Voyager und The Next Generation eine Fortsetzung in literarischer Form verpasst, bot sich nun Enterprise hierfür an.
Anders als im Fall der Vorgängerserien nahm sich die Gemengelage gleichwohl komplizierter aus. DS9 hatte seinen Abschluss mit dem Ende des Dominion-Kriegs gefunden, weshalb man sich einem gänzlichen Neustart der Serie annehmen konnte. Bei Voyager galt Ähnliches, erreichte sie doch im Finale endlich die Erde. TNG wiederum war schon immer ein eher loses Unterfangen, bei dem es nicht selten darum ging, Jean-Luc Picard und seine Besatzung als Vertreter einer moralisch geläuterten Menschheit in Szene zu setzen.
Aber Enterprise? Wohin sollte die Reise überhaupt gehen? Die meiste Zeit über hatte die Serie im Zeichen des Temporalen Kalten Kriegs gestanden. Dieses spekulative Konzept war jedoch noch zu Serienzeiten sang- und klanglos zu Grabe getragen worden. Verwertbar für eine Fortsetzungsgeschichte schienen im Prinzip nur die Hinterlassenschaften der vierten Staffel: Kein abstrakter Zeitkrieg, sondern eine Entwicklung hin zum in der Star Trek-Timeline prominenten Irdisch-Romulanischen Krieg.
Mit dem Terra Prime-Cliffhanger – situiert Anfang 2155 – wurden die Grundlagen für eine Koalition der Planeten gelegt, zaghafte erste Schritte in Richtung Föderationsgründung (die, wie wir wissen, sich 2161 unmittelbar nach Kriegsende vollziehen wird). Romulaner auf der einen, Koalition auf der anderen Seite. Andere Schlüsselthemen schienen sich für einen Relaunch der Serie wohl kaum zu eignen, zu sehr gab der galaktische Kalender (gemeint ist der Canon) die Leitlinie vor. Gerade aber das stellte sich als Problem dar: Wie gestaltet man einen Enterprise-Relaunch spannend und seine Wendungen unvorhersehbar genug, wo doch schon der grobe Gang der weiteren Geschichte um Romulaner und Föderationsgründung bekannt ist?
Als Michael A. Martin und Andy Mangels von Marco Palmieri im Jahr 2006 mit dieser herausfordernden Aufgabe betraut wurden, betrachteten sie das Ganze zunächst ganz sportlich. Mit Das Höchste Maß an Hingabe verfasste das Autorentandem ein eher gewöhnliches Enterprise-Einzelabenteuer, das noch während des Xindi-Arcs spielte. Die einzige größere Besonderheit, mit dem das Buch aufwartet, betrifft Prolog und Epilog. Darin begegnet dem Leser zur Zeit des Stapellaufs der Enterprise-1701 – also Generationen nach dem Aufbruch der NX-01 – ein greiser Trip Tucker.
Für Martin und Mangels war das genug Zündstoff: Sie hatten die erforderliche Provokation gesetzt, die einen Enterprise-Relaunch interessant machen konnte, und nun arbeitete die Zeit für sie. Erst im folgenden Roman begannen sie das Rätsel zu enthüllen, warum dem Ingenieur trotz seines vermeintlichen Todes in Dies sind die Abenteuer offenbar noch ein langes Leben beschieden war.
Von Wiederauferstandenen und wiederaufgegriffenen roten Fäden
Schon vor dem Erscheinen von Was Menschen Gutes tun – dem genuin ersten Relaunch-Werk – war abzusehen, dass die Auflösung des Tucker-Rätsels etwas mit dem Holodeck zu tun haben würde, auf dem Riker sich im 24. Jahrhundert herumgetrieben hat. Holodecks, so die zwei Schriftsteller, sind eigentlich nicht mehr als die moderne Form der Geschichtenerzählung, nur eben audiovisuell, dreidimensional und interaktiv. Aber wer behauptet eigentlich, dass Geschichten immer richtig überliefert werden? Wer sagt, dass die Föderation im 24. Jahrhundert wirklich Bescheid darüber weiß, wie es sich mit der aller-aller-aller-ersten Enterprise wirklich zugetragen hat? Vielleicht stimmten die Aufzeichnungen, die Riker sah, ja gar nicht, und vielleicht hat sich hinter den Kulissen eine ganz andere Wirklichkeit abgespielt. Wenn das nicht der Stallgeruch von Sektion 31 ist.
Als Marco Palmieri 2006 auf die Fortsetzung angesprochen wurde, räumte dieser offen ein, der Beginn eines Enterprise-Relaunch erfordere mehr Risikomut als bei den meisten der anderen Serien. War die Pocket Books-Linie bislang immer, in direkter Weise an den Canon anzuknüpfen, musste aus Sicht des Editors im vorliegenden Fall zunächst ein wagemutiger Bruch – oder wenigstens ein vermeintlicher Bruch – mit der Serienvorgabe vollzogen werden, um die NX-01 wieder auf Warp zu bringen. Zweifellos ist das ein Novum. Das Rad wird zurückgedreht bis zum Ausgang von Terra Prime, und dann heißt es: ‚So war es wirklich…’
Editor Palmieri machte deutlich, dass ein solcher Richtungswechsel die willkommene Möglichkeit bietet, das Spektrum der Serie in verschiedene Richtungen zu erweitern: ein Bisschen Agentenstory, noch etwas mehr Classic-Flair und eine Prise von der berühmt-berüchtigten Ruhe vor dem Sturm. Bei alldem würde sich dem Enterprise-Relaunch die Gelegenheit bieten, manche der Charaktere weiterzuentwickeln und Protagonisten, die zu Serienzeiten ungenutzt geblieben waren, zu aktivieren. Man denke an die Perspektive, die sich ab Die Heimsuchung für Malcolm Reed eröffnete oder an die zu kurz gekommene Beziehung zwischen T’Pol und Trip – ganz zu schweigen von Hoshi und Travis, die seit Staffel drei zusehends als Statisten agieren mussten.
Auf längere Sicht stellt sich für den Enterprise-Relaunch die Herausforderung, trotz eines Aufmerksamkeit erregenden Auftakts auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu müssen, viele kleine Details aufzugreifen, zu pflegen und weiter zu entwickeln, um die Geschichte von Archer und Co. authentisch fortzuführen. Wenn man es nun mit Romulanern zu tun hat, wie verhält man sich dann in Bezug auf die Vulkanier? Wie verändert es den vulkanischen Ersten Offizier auf der Brücke der NX-01? Was gibt das Sammelsurium der zahlreichen, versatzstückhaften Informationen in TOS, TNG und den anderen Serien her, um es gewinnbringend zu verwursten?
An diesem Maßstab wird die Enterprise-Fortsetzung schließlich gemessen werden müssen. Und doch: Die Freude sollte groß sein, dass Enterprise nun eine zweite Chance gewährt wird, in die Herzen der Fans zurückzukehren. Selbst, wenn die Zeiten da draußen zwischen den Sternen noch ein bisschen rauer werden: Angefangen mit Das Höchste Maß an Hingabe, sind Michael A. Martin und Andy Mangels aufgebrochen, es besser zu machen…
|
||
layout © by Artphilia Designs 2010 Star Trek Companion Fan-Fiction 2004-heute v.5.0 by Julian Wangler. |