Dem Scheitern ins Auge blicken - Über die Bedeutung des Kobayashi-Maru-Tests

 

Dieser Artikel ist erschienen in der deutschen Übersetzung des Romans Kobayashi Maru (Kobayashi Maru), Cross Cult 2014.

 

Er gilt als letzte Hürde und Veredelung eines jeden angehenden Sternenflotten-Offiziers: Der Kobayashi-Maru-Test ist zweifellos die bekannteste und gefürchtetste Prüfung, der sich die Kadetten in San Francisco zu stellen haben. Doch anders als bei anderen Tests steht bei ihm nicht das erfolgreiche Abschneiden im Vordergrund. Warum ist das so und was genau beinhaltet er? Ein kurzer Abriss.

 

Kobayashi Maru – eine Metapher in eigener Sache

 

„Die Kobayashi Maru läuft aus ins gelobte Land.“, spricht James Kirk in seinen Kommunikator, kurz bevor er zusammen mit seinen Freunden die Enterprise aus dem Raumdock stiehlt. Die Worte sind ein geheimes Zeichen und goldrichtig gewählt. Sie sind eine Metapher für etwas, mit dem sich jeder Offizier irgendwann einmal konfrontiert sieht: der Herausforderung, das Unmögliche möglich zu machen…und dabei vielleicht an seiner eigenen Unvollkommenheit zu scheitern.

 

Seitdem es den Kobayashi-Maru-Test an der Akademie der Sternenflotte gibt, ist er Synonym für eine waschechte ‚Mission Impossible‘. Die prägenden Erfahrungen, die aus ihm hervorgehen, begleiten Offiziere über ihre gesamte Laufbahn hinweg (in Star Trek II, III und VI kommen James Kirk, Spock oder Doktor McCoy bei ganz verschiedenen Anlässen auf den Kobayashi-Maru-Test zu sprechen). Das liegt vor allem daran, dass das Konzept dieser Prüfung allem entgegensteht, was normalerweise das Studium an der Sternenflotten-Akademie ausmacht.

 

Wo es bei anderen Tests nämlich darum geht, dass angehende Offiziere ihren Einfallsreichtum und ihr ganzes Können in die Waagschale werfen sollen, um aus einer unlösbaren Situation einen Erfolg herauszukitzeln, wo Kadetten an der Akademie überhaupt lernen sollen, wozu sie in Extremlagen imstande sein können, verweist der Kobayashi-Maru-Test exakt in die entgegengesetzte Richtung: Er ist ein No-Win-Szenario, eine nicht zu meisternde Herausforderung im Simulator, dazu gedacht, dem Sternenflotten-Nachwuchs seine eigenen Grenzen bewusst zu machen.

 

Denn nach Auffassung der Mütter und Väter der Sternenflotten-Ausbildung macht es einen Offizier nicht nur aus, dass er besonders fähig, mutig und pfiffig ist, sondern sich genauso seiner Schwächen und drohender Niederlagen gewahr ist. Es gilt, ausweglose Situationen zu erkennen und diese, psychisch belastbar, rechtzeitig einzuschätzen. Erst das macht einen guten Captain in letzter Konsequenz aus. Damit besteht im Erkennen und Annehmen der sicheren Niederlage bei dieser Prüfung im Grunde der einzig mögliche Erfolg.

 

Pflicht oder Kür?

 

Inwieweit dieser legendäre Test zum Pflichtprogramm gehört oder freiwillig belegt werden kann, darüber lassen sich unterschiedliche Informationen finden. Während in Star Trek (11), dem ersten Film im neuen Abrams-Universum, der Eindruck aufkommt, jeder Kadett müsse sich ganz regulär und verbindlich im Rahmen der Ausbildung dieser Prüfung unterziehen, scheint der Kobayashi-Maru-Test in Star Trek II: Der Zorn des Khan weniger zum Inventar des Curriculums zu gehören.

 

Als die Vulkanierin Saavik sich beispielsweise entschließt, den Kobayashi-Maru-Test abzulegen, hat sie bereits den Rang eines Lieutenants inne und darüber hinaus eine begehrte Führungsposition an Bord der Enterprise. Obwohl nicht explizit darüber gesprochen wird, legt dies den Schluss nahe, dass Saavik die eigentliche Sternenflotten-Ausbildung schon vor einiger Zeit abgeschlossen haben muss und den Kobayashi-Maru-Test nachträglich absolviert.

 

Das Szenario

 

Werfen wir jetzt einen genaueren Blick auf das konkrete Szenario, das im Simulator zu bestreiten ist. Im Mittelpunkt der Show steht ein betagter ziviler Neutronentanker, der dem Ganzen seinen Namen gibt: die Kobayashi Maru. Ihr Raumhafen ist Amber bei Tau Ceti IV, ein Handelsstandort. Sie hat eine Besatzung von bis zu 300 Mann und wird von einem zweifelhaften Captain namens Kojiro Vance geführt (glaubt man den Hinweisen in Star Trek-Romanen aus dem englischsprachigen Raum, ist Vance ein Trinker, Spieler und Abenteurer – einem Harry Mudd also gar nicht mal so unähnlich).

 

Dieser Frachter tappt nun im Rahmen der Simulation in eine interstellare Falle, wodurch die Maru all ihre Antriebsenergie verliert und in der Neutralen Zone zum Klingonisches Reich strandet. Der zu prüfende Kadett im Kommandosessel empfängt den Notruf von Vance und seiner Besatzung – und hat im Grunde lediglich zwei Optionen: dem SOS-Signal nachzugehen oder sich dagegen zu entscheiden. In letzterem Fall ist die Prüfung schon beendet, und man hat nicht einmal den Versuch unternommen, die Maru vor ihrem sicheren Ende zu bewahren.

 

In der Regel entscheiden sich die Offiziersanwärter also dafür, dem Notruf zu folgen und dazu – ein zentrales interstellares Abkommen brechend – in die Neutrale Zone einzudringen. Es kommt dann, wie es kommen muss: Drei schwere Klingonenkreuzer tauchen aus dem Hinterhalt auf und eröffnen das Feuer. Gegen jede Statistik ist es unmöglich, die Maru zu erreichen, ohne von den Klingonen pulverisiert zu werden. Der Untergang des eigenen Schiffes ist dann auch der häufigste Ausgang dieser Prüfung. Ein simples, aber höchst eindrucksvolles Szenario.

 

Einsamer Sieger

 

Der erste Kadett, der den Kobayashi-Maru-Test mit Erfolg ablegte, war James T. Kirk. Kirk weigerte sich, nur zwei Möglichkeiten zu sehen: nämlich das Nicht-Beantworten des Notrufs beziehungsweise den Rückzug oder die sichere Zerstörung durch die Klingonen. In der Folge bediente er sich einer Finte: Er manipulierte den Simulator so, dass das Szenario sich gewinnen ließ.

 

Welches Tricks er sich im Originaluniversum bediente, wurde nie gesagt, aber in Star Trek (11) erfahren wir, dass der Computerhack, den Kirk initiierte, offenbar zum Versagen der klingonischen Schilde führte – was eine leichte Zerstörung mithilfe von Photonen-Torpedos möglich machte und schließlich auch die Rettung des havarierten Frachters.

 

Obwohl Kirk letztlich ein öffentliches Verfahren wegen Missachtung der Testregeln bekam, hinterließ dies offenbar keine bleibenden Spuren in seiner Dienstakte. Im Gegenteil, da bislang kein Kadett die Unverfrorenheit besessen hatte, die Bedingungen der Prüfung eigenhändig abzuändern, waren die Prüfer von Kirks unbedingtem Willen, in einer ausweglosen Lage nicht verlieren zu wollen, beeindruckt. Kurz darauf erhielt er sogar eine Auszeichnung für originelles Denken und begann eine Laufbahn, die ihn in kürzester Zeit zum Captain des Sternenflotten-Flaggschiffs machte.

 

Trotz seines (erschummelten) Erfolgs bei der Prüfung würde sich Kirk Jahrzehnte später Vorwürfe machen, warum er dem Tod nie ins Gesicht geschaut habe. Auch bei ihm hinterließ der Kobayashi-Maru-Test also bleibenden Eindruck und half selbst ihm, dem einsamen Gewinner des Tests, selbstkritisch mit sich und seinem Kommando umzugehen.   

 

Die historische Vorlage

 

Was wir jedoch nie erfuhren: Welche historische Entsprechung die Kobayashi-Maru-Prüfung hat – oder ob sie nur ein rein fiktives Szenario darstellt, erdacht zum Beispiel von einem Ausbilder an der Akademie. Falls sie eine geschichtliche Vorlage besitzt: Inwieweit unterscheidet diese sich von der letztlichen Herausforderung im Simulator? Und wie ist es mit dem Zeitpunkt der Etablierung? Wurde der Test erst zur Zeit, als Kirk an der Sternenflotten-Akademie eingeschrieben war, Teil des Curriculums, oder war das vielleicht schon wesentlich früher der Fall?

 

Diese und weitere Fragen werden im dritten Roman des Enterprise-Relaunch mit einiger Gewissheit gelüftet. Die Legende rund um den berühmtesten Frachter in der Geschichte der Föderation wird endlich erzählt.