Fearful Symmetry

Autorin: Olivia Woods
Erscheinungsjahr: 2008
Seitenzahl: 300
Band: 9.2

Zeitraum: 2/2377

 

Inhalt

 

Erinnern wir uns: In Warpath wurden wir Zeuge eines Verwirrspiels der durchaus komplexeren Sorte. Taran’atar, der amoklaufende Jem’Hadar-Älteste, der Kira Nerys und Ro Laren tödlich verletzte, war gar nicht, wie ursprünglich befürchtet, der Bösewicht der Geschichte, da nicht in Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Vielmehr wurde er von der vom Wahnsinn befallenen Ex-Agentin des Obsidianischen Ordens Iliana Ghemor seit Wochen mittels einer geheimen Trägerwelle gezielt manipuliert. Auf diese Weise gelang es ihr, den einzigartigen Jem’Hadar-Krieger einer Gehirnwäsche zu unterziehen und gefügig zu machen.

 

Auch offenbarte die Handlung von Warpath auf den letzten Metern, dass Ghemor ins Paralleluniversum reiste, dort die gerissene Intendantin Kira ermordete, nachdem sie sie wochenlang manipuliert hatte, und deren Platz einnahm. Um es vollends verwirrend zu machen, tauchte im Primäruniversum, nachdem Vaughns Jagd nach Taran’atar scheiterte, eine zweite Iliana Ghemor auf – und zwar jene aus dem Spiegeluniversum (eine Agentin der Terranischen Rebellion). Diese erklärte, ihr zweites Ich sei vom Wahn zerfressen und plane, das Wurmloch in ihren Besitz zu bringen und es mithilfe einer speziellen Technologie als Sprungbrett in andere Universen zu nutzen. Somit wolle sie das Multiversum kontrollieren und dort sämtliche Kira Nerys' ermorden. Dieses düstere und größenwahnsinnige Vorhaben sowie Captain Kiras rätselhafter Traum legten die Vermutung nahe, dass es über alle Universen hinweg nur einen Himmlischen Tempel gibt – und wer immer ihn erobert, hat auch einen Fuß in der Tür zu anderen Realitäten.

 

Nachdem wir zwei Jahre auf die Fortsetzung warten mussten, geht es nun mit Fearful Symmetry aus der Feder von Olivia Woods endlich weiter. Der Roman ist dabei ungewöhnlich aufgebaut, denn er besteht aus zwei abgeschlossenen Teilen. Nur ein Teil setzt die Geschichte nach Warpath unmittelbar fort, der andere beleuchtet den biografischen Werdegang der Iliana Ghemor aus unserem Universum. Er geht der Frage nach, wie die wahnsinnige Iliana entstand und ihr Plan, den Himmlischen Tempel zu kontrollieren. Der Clou liegt darin, dass man das Buch nach Lesen des ersten Teils umdrehen muss. Dort findet man dann das zweite Cover auf dem Kopf. Es sind also streng genommen nicht zwei Teile, sondern zwei Bücher in einem. Was passiert dort?

 

Teil 1:

 

Hier wird, wie gesagt, die bisherige Story direkt fortgesetzt. Nur durch das medizinische Wunderwerk Julian Bashirs haben Kira und Ro den Angriff Taran’atars überlebt. Kira hat ein künstliches Herz bekommen, Ro infolge ihrer Rückenmarksverletzung eine harte Rehabilitation vor sich. Für beide Frauen beginnt nun ein schwieriger Weg, ins normale Leben zurückzufinden. Während Ro sich sofort in die Arbeit stürzt und dabei jegliche medizinischen Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Motorik ablehnt, breitet sich bei Kira krankhaftes Misstrauen aus. Da sie sich zum Vorwurf macht, Taran’atar leichtfertig Vertrauen geschenkt zu haben, möchte sie nun einer Situation vorbeugen, in der etwas Ähnliches erneut passieren könnte. Diese Paranoia lässt sie schließlich sogar Commander Vaughn vom Dienst entbinden.

 

Zudem taucht Iliana Ghemor aus dem Paralleluniversum auf. Wie bereits Vaughn gegenüber in Warpath, warnt sie Kira vor der Iliana aus dem Primäruniversum, einer ehemaligen Agentin des Obsidianischen Ordens. Die Erklärung dafür bedarf eines gewissen Ausholens: Offenbar sollte Iliana noch zu Besatzungszeiten Kira töten und ersetzen. Zu diesem Zweck wurde sie chirurgisch und neurologisch verändert. Leider ging durch Einmischung von Dukat bei dem Eingriff etwas schief, und Iliana begann anzunehmen, dass sie tatsächlich Kira sei. Nun sei es die Absicht der einstigen Agentin, alle Kiras in sämtlichen Universen zu liquidieren und den Tempel der Propheten für sich zu vereinnahmen. Kira begibt sich mithilfe des Drehkörpers der Erinnerung auf eine Reise in die Vergangenheit, denn offenbar fehlt ihr das Gedächtnis zu einer Entführung, in deren Folge wichtige Erinnerungen aus Ihrem Leben an Iliana übertragen wurden...

 

Teil 2:

 

Nach diesen Andeutungen bohrt der zweite Teil tiefer, was die Lebensgeschichte Iliana Ghemors aus dem Heimatuniversum anbelangt. Es wird eine junge Frau gezeichnet, die als Kind einflussreicher und in Regierungskreisen tätiger Eltern von der militanten Kultur auf Cardassia befremdet ist und die viel lieber Künstlerin werden möchte.

 

Erst die gewaltsamen Entwicklungen auf Bajor, in deren Folge ihr Geliebter von Widerstandskämpfern ermordet wird, führen sie in die Fänge des cardassianischen Geheimdienstes - wo sie nicht zuletzt auch durch Gul Dukat eine nachhaltige Prägung erhält. Ab diesem Punkt beginnt die Iliana von früher immer weiter zu verschwinden, bis sich zuletzt eine Katastrophe ereignet, die weit über ihre Person hinausreicht und am Ende sogar das Raum-Zeit-Gefüge bedroht.

 

 

Kritik

 

Warpath endete mit einer zugegebenermaßen verwunderlichen Auflösung der Dinge. Sah es über weite Teile des Buches so aus, als sei Taran’atar der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, verlagerte sich das Zentrum der Handlung zur Intendantin Kira bzw. ihrer späteren Mörderin Iliana Ghemor. Bereits auf den Seiten von David Macks Buch deutete sich an, dass die kommenden Herausforderungen auch etwas mit dem Wurmloch und dem Himmlischen Tempel der Propheten zu tun haben werden. Man mag schon die Kombination aus dunkler cardassianischer Agentenstory, Spiegeluniversum und Wurmloch-Mystizismus als gewöhnungsbedürftig empfinden – was Fearful Symmetry daraus macht, bleibt jedoch definitiv hinter den Möglichkeiten zurück.

 

Beide Geschichten wirken kryptisch und verlieren relativ früh den Faden. Sie stellen damit unter Beweis, wie wenig Substanz der ganzen (nebenbei gesagt: völlig überfrachteten) Storyline innewohnt. In der ersten Geschichte, die mit nicht einmal 140 Seiten extrem dünn ausfällt, verzettelt Autorin Woods sich überwiegend mit Ros und Kiras Wiedereinfinden in das alltägliche Leben auf der Station. Das größte Problem daran ist, dass die widerspenstigen bis paranoiden Verhaltensweisen, die beide Frauen an den Tag legen, nicht wirklich zu ihnen passen, schon gar nicht zu Sternenflotten-Offizieren, die keineswegs zum ersten Mal eine Krise erleben, in deren Folge sie lebensgefährliche Verletzungen davontragen. Außerdem müsste gerade Kira es besser wissen, denn es ist ja mittlerweile offensichtlich geworden, dass Taran’atars Gedanken von dritter Seite manipuliert wurden und er sie nicht aus eigenem Willen hintergangen hat.

 

Außer einer Kommunikationsverbindung ins Spiegeluniversum, die wenig später wieder versiegt, kriegt die Mannschaft kaum etwas Substanzielles hin. Abgesehen vielleicht noch von Siskos etwas ominöser Rolle – er gibt Vaughn einen geheimen Auftrag – hätten die wenigen Ereignisse im Grunde noch in Warpath stattfinden können. Denn am Ende von Fearful Symmetry betreten Kira und Vaughn gerade erst das Spiegeluniversum. Wir haben uns also kaum vom Fleck bewegt.

 

Teil zwei ist eine handfeste Charaktererzählung. Wir erfahren, wie und warum die einstmals so idealistische und feinfühlige Iliana sich in eine geisteskranke Schlächterin verwandelt, die Größenwahnsinn und beinahe religiöser Eifer reiten. Obwohl die Geschichte durch die Entfaltung der Hintergründe der neuen Antagonistin weit ertragreicher ist als der erste Teil, kränkelt sie an ihrer weitgehenden Vorhersehbarkeit und vor allem an einigen höchst eigenartigen Entwicklungspfaden. Weshalb Iliana es am Ende gerade auf das Spiegeluniversum abgesehen hat, erfährt man überhaupt nicht - doch eben auf diese Erklärungen hat man vor allem gewartet. Somit bleibt auch diese Erzählung mehr Antworten schuldig als sie gibt. Ich möchte nun ein wenig genauer auf einige Dinge eingehen, die mir in Teil zwei besonders störend aufgefallen sind.

 

Für mich ist Ilianas geistiger Wandel, der alles ins Rollen bringt, schwer nachvollziehbar. Dass sie nach dem Tod ihres Geliebten - eines noch weitgehend unerfahrenen und einigermaßen idealistischen Militärmanns - in eine innere Krise gerät, ist durchaus verständlich, aber eigentlich müsste sie sich nach der Katastrophe auf Bajor doch in ihren Ansichten bestärkt fühlen. Sie müsste eher noch weiter auf Distanz zur existierenden cardassianischen Gesellschaftsordnung gehen. Stattdessen aber tritt sie auf einen Schlag dem Obsidianischen Orden bei und glüht fortan dafür, eine Agentin zu werden. In meinen Augen eine beinahe absurd wirkende Entscheidung, die der Geschichte nach einem sehr atmosphärischen und gelungenen Einstieg frühzeitig viel an Glaubwürdigkeit raubt.

 

Verwunderlich ist für mich auch, weshalb Bajor bzw. die anhaltenden Probleme der Annexion des Planeten eine so prominente Rolle in der cardassianischen Innenpolitik und Öffentlichkeit spielen. Dass die Schwierigkeiten mit dem bajoranischen Widerstand für Unmut, Ärger und Zorn sorgen, ist nachvollziehbar, doch so wie es in Fearful Symmetry dargestellt wird, ist die Bedeutung dieser Herausforderungen viel zu stark überhöht. Der Umgang mit Bajor scheint alles und jeden zu beschäftigen und zur Zukunftsfrage für Cardassia stilisiert zu werden. Dabei ist es in einem derart gewaltigen Imperium doch wohl nur eine Kolonie unter Hunderten.

 

Die Cardassianer werden Bajor kaum für so wichtig erachten, dass davon irgendetwas Fundamentales abhängt (außer für Dukat und die dort stationierten Cardassianer vielleicht bzw. vielleicht ist es eine Frage der Ehre gegenüber Großmächten wie der Föderation, die an der Grenze sitzt und mehr oder minder zusieht, wie die Cardassianer die Dinge nicht im Griff haben). Angesichts der Überdehnung des cardassianischen Imperiums, die zu Serienzeiten häufiger Thema war, wird es auch in anderen Grenzprotektoraten ähnliche Probleme geben. Also wäre der bessere Aufhänger für die Debatten, die Iliana und andere Figuren führen, eher ein grundsätzliches Nachdenken über die cardassianische Politik insgesamt als das Versenken des Blicks auf Bajor gewesen.

 

Damit hängt gewissermaßen mein nächster Kritikpunkt zusammen: Dass gerade Kira durch die Agentin Iliana ersetzt werden soll, erschließt sich mir nicht so ganz. Kira ist doch - insbesondere zu diesem frühen Zeitpunkt - nicht so wichtig, dass sich für den Obsidianischen Orden ein derart großer Aufwand (Entführung Kiras, kosmetische und neurologische Operationen an Iliana, Einschleusen von Iliana etc.) lohnen würde. Außerdem agieren die bajoranischen Terrorzellen doch ohnehin extrem autrark, wie wir aus der Serie wissen. Deshalb wird eine Doppelgängerin wohl nur begrenzten Schaden anrichten können. Da war mir diese ganze Geheimoperation doch irgendwie viel zu konstruiert, um nicht zu sagen an den Haaren herbeigezogen.

 

Am mit Abstand schlimmsten fand ich jedoch Dukats Rolle in der Negativtransformation der einstmals so strahlenden Iliana. Es ist nicht weniger als eine grobe Verletzung seiner Figur, wenn im Laufe von Fearful Symmetry offenbar wird, dass Dukat anderthalb Jahrzehnte lang ein geheimes Doppelleben führte, in dem er immer wieder zur falschen Kira (ehemals Iliana) zurückkehrte und diese in seinem verborgenen Privatdomizil aus reinem Sadismus folterte und vergewaltigte.

 

Dukat mag viele schlimme Seiten besessen haben, aber so etwas hätte er in persona niemals getan, dafür sieht er sich selbst viel zu sehr als ritterlichen Präfekten und Hüter der gerechten Ordnung. Es ist mir schon klar, warum Woods diesen Weg eingeschlagen hat: Dukat sollte immerhin an der Entstehung der bösen, vom Wahnsinn zerfressenen Iliana beteiligt sein. Genau das fand ich aber unentschuldbar: Dukat wird hier als perverses Monster einer Art intergalaktischen Natascha Kampusch-Story gezeichnet. Im Spiegeluniversum wäre so etwas vielleicht noch durchgegangen, im Primäruniversum ist es jedoch nicht weniger als eine Misshandlung des Dukat-Charakters, die die Serienvorlage mit Füßen tritt.

 

Schließlich und endlich frage ich mich zusehends, warum unbedingt das Spiegeluniversum in die Geschichte integriert werden musste. Die Story um die wahnsinnig gewordene Doppelgängerin ist ja schon komplex und schwierig genug. Sie hätte meiner Meinung nach alleine besser funktioniert und wäre glaubwürdiger gewesen. Dass selbst in Buch zwei von drei der neunten DS9-Staffel grundlegende Fragen immer noch nicht geklärt werden konnten, warum Iliana unbedingt in den Parallelkosmos reisen musste und was sie dort vorhat, ist meiner Meinung nach der beste Beweis dafür, dass das Konzept schlecht durchdacht ist und nicht aufgeht.

 

 

Fazit

 

Mit Fearful Symmetry erlebt der bislang so beispiellos souveräne DS9-Relaunch einen rapiden Qualitätsabfall - schlicht und ergreifend deshalb, weil die Idee mit der neuen Bedrohung im Spiegeluniversum nicht recht durchdacht und der Storykompass zu fehlen scheint. Auch ein schöner Schreibstil von Autorin Woods ändert daran nichts. Daher bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens der letzte Teil der Mirror-Trilogie das Niveau wieder etwas hebt.

 

3/10 Punkten.

4-2013