Armageddon's Arrow

Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: 2015
Seitenzahl: 400
Band: 23

Zeitraum: 1/2386

 

Inhalt

 

Seit Destiny ist das Litverse buchstäblich durch das Fegefeuer gegangen, und dann kam obendrein noch die hochbrisante Blockkonfrontation mit dem unberechenbaren und polyphonen Typhon-Pakt dazu. Trotzdem wurde im Laufe der seitdem erschienenen Romane immer wieder das Versprechen ins Schaufenster gestellt, dass die Sternenflotte früher oder später wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren wolle: nämlich den Weltraum zu erforschen und Kontakt zu neuen Zivilisationen aufzunehmen. Bis auf ein paar Titan-Einzelabenteuer mussten wir im Großen und Ganzen ziemlich lange darauf warten, da sämtliche Star Trek-Romane ständig in diverse Turbulenzen, politische Verschwörungen und andere innen- wie außenpolitische Krisen verwickelt wurden (man denke auch an die düsteren Geschehnissen rund um die Staatskrise in The Fall). Der TNG-Relaunch bemüht sich nun, die Ankündigung wahr zu machen, und genau hier setzt der neue Roman von Dayton Ward an.

 

Die Enterprise unter Captain Picards Kommando ist also wieder auf großer Fahrt und auf Forschungsmission. Das Ziel ist der weitgehend unerforschte Odysseische Pass - eine stellare Ausdehnung, auf die das Flaggschiff nun längerfristig angesetzt wurde. Und dabei geht es gleich zur Sache: In einem unerforschten Bereich des Alls findet die Enterprise ein treibendes, riesiges Raumschiff – offenbar ein hoch entwickelter Schlachtkreuzer –, dessen Minimalbesatzung im Kälteschlaf liegt. Als die Enterprise sich anschickt, die in Stasis befindlichen Wesen aufzuwecken, taucht unvermittelt ein Raumschiff der Golvonek auf und deklariert den driftenden Schlachtkreuzer prompt zur Kriegsbeute. Ehe Picard sich versieht, hat er ein großes Problem mit der Obersten Direktive, welche eigentlich die Nichteinmischung in Angelegenheiten fremder Völker verlangt.

 

Der anfängliche Respekt, der Picard und seiner Mannschaft seitens der Gonvoleks und der Raqilans entgegengebracht wird, wird bald unterwandert, nachdem klar wird, welchem monströsen Zweck das Schlachtschiff tatsächlich dienen soll. Wie sich nämlich herausstellt, stammt das fremde Schiff aus einer Zukunft, in der es von den im Konflikt unterlegenen Raqilans nach dem Prototypen eines Planetenkillers (TOS) gebaut wurde, um in die Vergangenheit zu reisen. Dort soll es den Gegner präventiv auslöschen und so den Krieg verhindern, ehe dieser überhaupt ausbricht. Allerdings ist die Crew zur falschen Zeit angekommen (sprich nicht genug in die Vergangenheit gereist), da die Auseinandersetzung hier bereits schon seit Generationen läuft, auch wenn es noch nicht zu einem Vernichtungskrieg gekommen ist. Und eine weitere Reise durch die Zeit ist unmöglich.

 

Auf diese Weise gerät die Enterprise zwischen die Fronten der Golvoneks und Raqilans, wobei letztere zufällig in den Besitz einer (aus der Originalserie) ultimativen Waffe gelangt sind, die ihnen einen dramatischen technologischen Vorsprung verschafft hat. Für Picard und seine Mannschaft beginnt eine schwere Gratwanderung, sich weder auf die eine noch auf die andere Seite zu stellen, zumal beide Seiten ihre Leichen im Keller zu haben scheinen…

 

 

Kritik

 

Tatsächlich komme ich nicht umhin, einzuräumen, dass Dayton Ward mit seiner expliziten Entscheidung, zu den Trek-Wurzeln zurückzukehren, wieder für ein wenig frischen Wind sorgt. Der Roman ist somit eine angenehme Abwechslung, auch wenn das grundsätzliche Szenario, das er präsentiert, keineswegs ungewohnt und innovativ ist. Armageddon’s Arrow ist dennoch eine wohltuende Veränderung und gibt dem bislang allzu düster geratenen TNG-Relaunch endlich mal wieder eine neue Richtung. Nach langer Zeit geht es mal nicht um große Schlachten oder die Konfrontation mit dem Typhon-Pakt oder um die innere Erschütterung der Föderation.

 

Ein wenig lässt das Grundszenario zunächst an die Xindi denken, die ja unter dem manipulativen Einfluss der Sphärenbauer auch eine Art von präventiver Auslöschung der Erde planten. Doch Ward gelingt es, der Geschichte einen eigenen Drive zu geben. Bei der Beschreibung der Zeitreisenden verzichtet er auf eine allzu platte Darstellung. Die Geschichte entwickelt sich dabei wohltuend unvorhersehbar. Stets lässt sich der Autor einen neuen Twist einfallen, was eine stattliche Leistung ist. So enthüllt er unter anderem, dass eine der beiden Spezies in den Besitz einer Waffe gekommen ist, die TOS-Fans nur allzu gut kennen dürften (hier baut Ward eine gekonnte Brücke zu Peters Davids Roman Vendetta). Der Preis für die Überraschungseffekte ist, dass manche Wendungen ab und an etwas überzogen wirken, beispielsweise als Jodis und seine Begleiterin Bnira, die vorher als aggressive Vernichter wahrgenommen wurden, sich plötzlich als friedensliebende Widerständler outen.

 

Picard darf aufs Neue glänzen. Er manövriert sich selbst und seine Crew souverän durch die Untiefen einer schwierigen Situation. Da beide Spezies nicht Teil der Föderation sind, sitzt Picard zwischen den Stühlen, versucht der Obersten Direktive treu zu bleiben und sich nicht in die Geschehnisse einzumischen. Trotzdem nutzt er seinen kleinen Spielraum aus, um für Frieden zwischen den zerstrittenen Völkern zu werben. Es geht um Ideale, Mut und Opferbereitschaft, und dies demonstriert Picard wieder einmal vorbildlich. Überhaupt beschreibt der Autor eine perfekt aufeinander abgestimmte Crew, die nur ein Ziel hat: einen Krieg zu verhindern, ehe er überhaupt wirklich entsteht.

 

Die Handlung hat dennoch arge Logikprobleme, und das hat wieder einmal mit dem Zeitparadoxon zu tun, das diesmal besonders weit getrieben wird. Wie kann man in die Vergangenheit reisen, um etwas zu tun, was am Ende verhindert, dass man in die Vergangenheit reisen muss? Das Logikproblem, obwohl von Ward stellenweise erkannt, wird ganz und gar nicht aufgelöst. Ward macht seine eigene Aufgeschmissenheit zum Gegenstand des Buches: Die Zeitreise-Geschichte bereitet allen Beteiligten arge Kopfzerbrechen, und die Behörde für Temporale Ermittlung wird wohl ordentlich Überstunden machen müssen. Nein, Zeitreisegeschichten habe ich noch nie so wirklich gemocht, jedenfalls nicht, wenn man sie zu sehr für voll genommen hat.

 

Der Erzähler ist mit seiner ausufernden Allwissenheit stellenweise leicht anstrengend und definitiv abschweifend. Ward schafft es so nicht immer, die Balance zwischen Spannung und nötigen Informationen, die der Leser zum Gesamtverständnis benötigt, zu halten. Die zahlreichen Scharmützel an Bord des riesigen Zeit-Schlachtkreuzers sind hin und wieder lang gezogen. Trotz vieler Untersuchungen liegt der Zweck des mächtigen Schiffes zunächst lange im Dunkeln. Wir als Leser begleiten die einzelnen Teams und werden mit massenhaften Details aus verschiedenen Perspektiven konfrontiert, die sich lange Zeit nicht zu einem Gesamtbild zusammensetzen lassen. Generell sind zudem die Motive und das Handeln der Figuren vom Zeitschiff (allem voran des Captains Jonis) nicht immer glasklar, wobei man sich immerhin einiges zusammenreimen kann.

 

Unter dem Strich hatte ich das Gefühl, der Autor wirkt mit der Komplexität der Handlung immer wieder überfordert und driftet in einer Art von Kompensationsbedürfnis bewusst ab: Er eröffnet allerhand Nebenkriegsschauplätze. Dazu zählt auch, dass Charaktere selbst in dramatischen Krisensituationen dazu neigen, in Gespräche über Nichtigkeiten abzudirften, Handlungsflüsse durch Rückblenden unterbrochen werden und Erinnerungen ausschweifend erzählt werden.

 

Angestammte Figuren wie Picard, Crusher, Worf, Elfiki, Cruzen oder Konya werden in gewohnt guter Manier präsentiert, eine charakterliche Weiterentwicklung findet allerdings nicht statt. Ich hätte mir vielleicht eine ein wenig lebhaftere Charakterisierung gewünscht.

 

Eindeutig auf der Gewinnerseite stehen hingegen zwei weniger etablierte Figuren, die bereits in früheren Bänden eingeführt und seitdem nur noch sporadisch aufgetaucht sind. Hiermit meine ich Taurik und die Halbvulkanierin und Erstkontaktspezialistin T’Ryssa Chen, die mit wichtigen handlungstragenden Rollen bedacht werden und erheblich zur Lösung beitragen dürfen.

 

So merkt man bei T’Ryssa Chen, wie sehr sie seit ihrem Erstauftritt in der Frühphase des TNG-Relaunch zu einer im Kern bedachten und verantwortungsvollen Persönlichkeit herangereift ist. Bei Taurik ist es so, dass er gut als ihr Counterpart und Sparringspartner funktioniert. Besonders Spaß gemacht haben mir daher die verbalen Schlagabtausche der beiden. Man merkt, dass sie beste Freunde sind, die sich regelmäßig liebevoll sticheln. Ein klarer Pluspunkt des Romans.

 

In der Haut des armen Taurik möchte man indes nicht stecken. Bei der Untersuchung der Computersysteme des Zukunftsschiffes stößt er auf vitale Informationen über die Zukunft. Damit gerät er im Laufe der Handlung in einen Gewissenskonflikt. Darüber darf er jedoch unter keinen Umständen sprechen, nicht einmal mit Picard. Nach einer ausführlichen Befragung durch das Department of Temporal Investigations (Behörde für Temporale Ermittlungen) wird er gemäß der Obersten Temporalen Direktive zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Dieser interne Konflikt, den er deswegen durchlebt, wird von Dayton Ward glaubwürdig geschildert, und natürlich bleibt diese Frage offen und verströmt ein unangenehmes Gefühl mit Blick auf kommende Romane.

 

 

Fazit

 

Armageddon’s Arrow bringt trotz klarer Schwachstellen tatsächlich die erhoffte Veränderung für die TNG-Romane: Endlich geht es wieder um die klassische Sternenflotten-Mission, und der Odysseische Pass dürfte uns noch eine Weile erhalten bleiben. Der Konflikt zwischen den Golvonek und Raqilans, in den die Enterprise hineingerät, besticht mit unerwarteten Wendungen, auch wenn die Zeitreisegeschichte bei genauerem Nachdenken große Fragen und Ungereimtheiten aufwirft. Chen und Taurik dürfen glänzen und rücken im TNG-Reigen hoffentlich nun weiter auf.

 

Spannend bleibt die ungelüftete Frage, was Taurik denn über die Zukunft erfahren hat? Es handelt sich um ein gelungenes Abenteuer, das man auch gut für sich stehend lesen kann.

 

6/10 Punkten.

10-2022