Der Alpha-Quadrant ist nicht genug

 

"Admiral Janeway, wie schön Sie wieder zu sehen.", sagt Jean-Luc Picard in Nemesis und lächelt geschmeidig. Er war schon immer ein guter Diplomat, aber in seinem tiefsten Innern empfindet er wohl eher Gram. An manchem Tag verdrängt er, dass der Alpha-Quadrant langsam zu eng wird für so viele berühmte Sternenflotten-Kommandanten. Vorbei die Zeiten, wo er mit seiner Enterprise konkurrenzlos dorthin gehen konnte, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist.

 

 

Zurück in der Heimat

 

Es stimmt: Wir schreiben das Jahr 2378, und die Sternenflotte ist wieder um einige Paradegäuler reicher. Die Voyager ist nämlich nach siebenjähriger Reise durch den entlegenen Delta-Quadranten in heimatliche Gefilde zurückgekehrt. Doch während Picard seine Leinwandabenteuer weiter bestreiten konnte und DS9 eine literarische Fortsetzung spendiert bekam, war der Verbleib der Voyager eine Weile ungeklärt. Außer der Beförderung zum Admiral, wie uns der zehnte Kinofilm in einer kurzen, aber eindringlichen Sequenz vor Augen führte, ist über Janeway und ihre Crew seither nicht mehr viel gehört worden. Dabei ist die entscheidende Frage durchaus spannend: Wie haben sie sich eingereiht in eine Föderation, die nach Krieg und Verheerung nicht mehr die alte ist?

 

Pocket Books sorgte dafür, dass es seinen Autoren auch in dieser Angelegenheit alsbald in den Fingern kribbelte. Trotzdem musste erst einmal eine zündende Idee her. So leicht und dankbar wie der DS9-Relaunch ließ sich ein Sequel für Voyager nicht auf die Schiene setzen. Der TV-Epos um die ehemalige cardassianische Raumstation bot als Anknüpfungspunkte für eine Weitererzählung viele Themen und Öffnungsklauseln, weil er beileibe nicht mit dem Dominion-Krieg begann, dazu noch eine Vielzahl von (Gast-)Charakteren. Dagegen war die Voyager-Story von Anfang an als Odyssee konstruiert worden und mit der Heimkehr mehr oder minder an ihr natürliches Ende gelangt.

 

Gedankenspiele kamen ja schon während der TV-Serie dahingehend auf, die Voyager bereits früher zurückzuschicken, damit sie im Dominion-Krieg ihren Anteil leistet. Die Produzenten entschieden sich aber schließlich dagegen, weil es die Serie nicht nur verkompliziert, sondern auch das Serienprofil stark den Vorgaben von DS9 untergeordnet hätte. Für Herausgeber Marco Palmieri und sein Team von Pocket Books waren diese Spekulationen nichtsdestoweniger ein Feigenblatt, um den Voyager-Relaunch möglichst authentisch zu planen. Denn wenn es Berman, Piller und Taylor zumindest in Erwägung gezogen hatten, das Schiff wieder in den Sternenflotten-Ablauf zu integrieren und nicht prompt auf eine neue Fernreise zu schicken, so war das auch die Wegmarke für eine literarische achte Staffel.

 

 

Charakterliche Perspektiven

 

Das sagte freilich noch nichts über die Zukunft der Crew aus. Dabei sind die Protagonisten gegenüber der flexiblen, immer wechselnden Rahmenhandlung in Voyager stets das Wichtigste gewesen - wichtiger noch als bei den Vorgängerserien. Eindrucksvoll demonstriert hatte diese Tatsache gerade Endspiel, wo Janeway bereit war, für die 'Familie' sprichwörtlich über Leichen zu gehen - während es doch gerade in DS9 noch hieß, eine Crew müsse bereit sein, sich für eine größere Sache zu opfern. Voyager vertrat also streng genommen die Antithese dessen, was wir bislang in Star Trek in puncto Sternenflotten-Ideale kennen gelernt hatten.

 

Trotzdem - oder gerade deswegen - rang man sich bei Pocket Books zur Entscheidung durch, die Stammcharaktere nicht mehr als Einheit agieren zu lassen, sondern vielmehr in Grüppchen zu separieren und getrennte Wege gehen zu lassen. Als Erklärung führte Palmieri an, es sei unrealistisch, wenn nach der Rückkehr in den Alpha-Quadranten alles beim Alten bliebe. Bei allen anderen zwangsläufigen Veränderungen, derer ein Voyager-Relaunch bedurfte, schien das wohl die gravierendste Abkehr vom gewohnten Serienkonzept zu sein. Palmieri ergänzte, es käme vor allem darauf an, die weiteren Werdegänge der Protagonisten glaubwürdig darzustellen.

 

So hat der Ex-Maquis Chakotay über seinen zunächst eher unfreiwilligen Dienst auf der Voyager zur Sternenflotte zurückgefunden und ist, nachdem Janeway zum Admiral befördert wurde, bereit, das Schiff zu befehligen. Seine alte Fehde mit Tom Paris gehört längst der Vergangenheit an, und insofern nimmt er sich den einstigen Navigator gleich zum Ersten Offizier. Ansonsten hat sich die Führungsmannschaft ziemlich verändert - alte und neue Gastcharaktere sind in die Riege der Veteranen vorgerückt -, und Paris' Frau B'Elanna fällt erst einmal wegen einem überaus aufregenden Mutterschaftsurlaub aus. Der Doktor und Seven of Nine schließen sich einem Sternenflotten-Thinktank an, während Tuvok und Janeway regelmäßig zusammentreffen, um eine Art diplomatische Feuerwehr für die Föderation zu spielen.

 

 

Langzeitziele

 

Nun, gibt Editor Marco Palmieri zu, wäre es etwas dröge, permanent nur Grüppchen zu haben. Das Langzeitziel des Voyager-Relaunch ist es daher, die Crew über neue Begebenheiten zusammentreffen und zusammenwirken zu lassen. Aber Vorsicht: Weil sich die Relaunches anderer Serien schneller entwickelten und zudem der Voyager-Weitererzählung von zwei Seiten her näherten - man denke da an DS9 und TNG -, wurde das Zeitfenster für dieses Projekt von vorneherein eingeschränkt. So wissen wir beispielsweise, dass Kathryn Janeway anno 2381 bereits den physischen Tod finden wird.

 

Trotzdem sollte man dem vierten Star Trek-Spross eine Chance geben, sich neu aufzustellen. Und vielleicht ist die Folge sogar der Beginn einer neuen Reise. Aus Erfahrung wissen wir nicht umsonst, dass die Möglichkeiten eigentlich keine Grenzen kennen. Und wenn mittlerweile selbst Captains sterblich sind, dann gilt das nur umso mehr.