Control

Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: 2017
Seitenzahl: 360
Band: DS9 Post-Season-9/Post-Destiny 18

Zeitraum: 11/2386

 

Inhalt

 

In Dresden ziehen zwei Wissenschaftler nach einer schockierenden Entdeckung eine Trill-Investigativjournalistin namens Ozla Graniv ins Vertrauen. Diese wendet sich anschließend unter äußersten Geheimhaltungsvorkehrungen an Julian Bashir und Sarina Douglas. Sie berichtet ihnen von stichhaltigen Hinweise auf ein jahrhundertealtes Computerprogramm, das seit über zweihundert Jahren existiert und sich wie ein expandierender Tumor in allen Computersystemen der Föderation und anderen Mächten im Alpha- und Beta-Quadranten ausgebreitet hat. Das Programm dient der Sammlung von Informationen und der Überwachung; es ist in der Lage, zu kombinieren und in Gefahrensituationen Alarm auszulösen. Dieses Stück Software namens Uraei (auch ‚Control‘ genannt) hat sich über die Dekaden stetig angepasst und verfeinert. Infolgedessen ist es zu einer unabhängigen Intelligenz geworden, die inzwischen alle Aspekte des Lebens in der Föderation und deren Umfeld überwacht und gegebenenfalls interveniert.

 

Rasch erkennen Bashir und Douglas, dass Uraei mit Sektion 31 in Verbindung steht, die sie nun schon seit geraumer Zeit zu unterwandern und bekämpfen versuchen. Wenn es ihnen gelingt, dem Programm habhaft zu werden, könnte es ihnen dabei behilflich sein, die Organisation auszuschalten und zugleich möglichst viele handfeste Informationen über ihre langjährigen Aktivitäten ans Tageslicht zu ziehen.

 

Da die Beiden mittlerweile von Sektion 31 gejagt und bedroht werden, wenden sie sich an jemanden, der ihnen in dieser Situation erhebliche Unterstützung versprechen könnte: den wiedergeborenen Data und dessen Tochter Lal. Um ihren neuen, unerwarteten Gegner zu bekämpfen schließen sich Bashir und Douglas, begleitet von Journalistin Ozla Graniv, tatsächlich mit den Androiden zusammen. Doch der erste Versuch, Uraei zu observieren, schlägt fehl. Der Computer reagiert auf die Enttarnung sofort, und Sektion 31 wird umgehend tätig.

 

Für einige Zeit können sie beim cardassianischen Regierungschef Garak auf Cardassia Prime Zuflucht, doch Sektion 31 ist ihnen dicht auf den Fersen. Somit müssen sie schon bald weiterflüchten.

 

In Rückblenden erfährt man, wie Uraei entstanden ist und schließlich über seine Programmierung hinauswuchs. Dabei wurde es von einem einfachen Überwachungsprogramm schnell zu einer komplexen und hoch entwickelten KI. Das Programm entpuppt sich als Grundlage der totalen Überwachung eines superintelligenten Computers für den gesamten Raum der Föderation und darüber hinaus und zeichnet sich verantwortlich für unzählige Morde und Manipulationen an politischen Geschehnissen…

 

 

Kritik

 

Control stellt die direkte Fortsetzung von Disavowed und gleichzeitig den Abschluss der Erzählung rund um Sektion 31 dar. Da die Storyline rund um die ruchlose Geheimabteilung enden soll, war ich natürlich äußerst gespannt, wie dieses Finale aussehen würde.

 

Die Grundprämisse ist spannend und bietet Analogien zur Gegenwart, in der unser Leben immer stärker durch im Hintergrund agierende Algorithmen bestimmt und in entsprechende Bahnen gelenkt wird, von den totalitären Tendenzen der Digitalisierung in Staaten wie China mal ganz zu schweigen. Besonders absurd ist die Erkenntnis, dass die Super-KI, die außer Rand und Band geriet, die Menschheit bzw. Föderation eigentlich schützen sollte (und nach wie vor überzeugt ist, genau dies zu tun). Auch Sektion 31 geriet immer mehr unter die Pantoffel dieses perfiden Programms, und sie diente ihm fortan als eine Art biologische Exekutive.

 

Durch die Enthüllung, dass Control quasi das Gehirn von Sektion 31 ist, kann David Mack wunderbar begründen, weshalb die Abteilung so skrupellos und moralfrei agiert. Ihre Entscheidungen und Handlungen basieren eben auf kalter, berechnender Logik. Wodurch es im Laufe des Romans zu so mancher Szene kommt, die einem schier das Blut in den Adern gefrieren lässt.

 

Es gibt interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte von Sektion 31, die mich teils an die frühen James Bond-Filme erinnert. Interessant sind auch die eingestreuten Rückblenden, in denen man mehr über den Ursprung der KI erfährt. Erst dadurch wird in diesem Zusammenhang deutlich, wie Control zu dem wurde, was es in der Handlungsgegenwart ist. Das finale Flashback beweist besonders eindrücklich, wie sehr sich das Programm der Kontrolle seiner Schöpfer entzogen hat.

 

Das Buch ist ein packender Thriller geworden, der David Mack wie auf den Leib geschneidert ist. Wir wissen ja inzwischen, wie gut er sich darauf versteht, im ST-Universum düstere Geschichten mit Verschwörungen zu erzählen (Destiny, Vanguard etc.). Es entspinnt sich eine regelrechte Hetzjagd quer durch die Galaxis und gegen die Zeit, um einen Gegner zu bezwingen, der praktisch überall ist und über unerschöpfliche Informationen verfügt.

 

Die Handlung ist actionreich, aber leicht zu verfolgen, das Tempo tadellos atemberaubend. Mack arbeitet mit ständigen Handlungswendungen, die die Story unberechenbar machen und falsche Fährten legen. Der finale Kampf gegen Sektion 31 ist dramatisch und erfordert große Opfer, auch für Bashir persönlich.

 

Hierbei besteht wieder einmal das Problem, dass Mack extrem grausam und erschreckend schreibt, sodass ich behaupten würde, es schrammt wieder mal scharf an der Grenze dessen, was eigentlich für das ST-Franchise zumutbar ist. Aber innerhalb dieser Story passt es besser als in anderen Zusammenhängen, soviel muss ich zugeben.

 

Was Mack richtig macht, ist, dass er – wiederum sehr ST-typisch – moralische Diskussionen nach Bekanntwerden von Control und dessen Rolle in der Föderationsgeschichte einstreut. Ist es wirklich richtig, die KI zu naturalisieren? Sie agierte doch zum Nutzen der Föderationsbürger. Die meisten wissen nicht einmal von ihrer Existenz und führen nur deswegen ein gutes Leben (der Spruch hätte auch von Luther Sloan kommen können). Auf der anderen Seite stehen die vielen Einmischungen, Intrigen und Morde, die die KI begangen und somit das Wesen der Föderation nachhaltig kompromittiert hat. Das geht zu Zeiten des romulanischen Krieges los, um die Verwandtschaft der Romulaner mit den Vulkaniern zu vertuschen, und reicht bis hinein in die Gegenwart.

 

Das Figurenensemble, das Mack in diesem Buch zusammenbringt, ist abwechslungsreich. Auf der einen Seite hat man Sarina Douglas und Julian Bashir, Doppelagenten von Sektion 31 und seit den Ereignissen der The Fall-Reihe keine Offiziere der Raumflotte mehr. Dann hat man die Reporterin Ozla Graniv, die sich der bedingungslosen Suche nach der Wahrheit verschrieben hat. Und wir haben die seit der Cold Equations-Trilogie zurückgekehrten Figuren Data und Lal. Die Dynamik zwischen den fünf Charakteren beschreibt David Mack ausgesprochen lebhaft. Auch der Cameo-Auftritt von Garak passt gut ins Storykonzept einer so düsteren Geschichte; außerdem ist er ja mannigfaltig mit Bashir verbunden und in gewisser Weise sein ‚Agentenmentor‘.

 

Doch so spannend Control zu verfolgen ist, so hat der Roman seine eindeutigen Schlagseiten. Man stelle sich vor: Ein Computerprogramm, das sich im gesamten Föderationsraum offenbar unbemerkt und schrankenlos verbreitet hat, Sektion 31 irgendwann vollends übernommen hat und gegen jeden Angriff vorbereitet scheint. Wieso hat dies niemand bemerkt? So viele kluge Köpfe arbeiten in Föderation und Sternenflotte, und über Jahrhunderte blieb Control in den Schatten? Nein, das ist nicht recht vorstellbar.

 

Es entsteht eher der Eindruck, dass diejenigen, die davon wussten - irgendwer musste es wissen (so wie auch im Sternenflotten-Oberkommando einige von S31 wussten) -, keine Lust oder Bereitschaft hatten, dagegen vorzugehen, und das wirft ein übles Licht auf Sternenflotte und Föderation, die gerade in den späteren Relaunch-Romanen immer mehr heftige Schrammen bekamen. Das Ende des Buches stellt dann die hehre Planetenallianz mit ihren moralischen Prinzipien erheblich infrage, wodurch letztlich auch Enterprise-Captain Picard in einem anderen Licht da stehen könnte. Hier bleibt abzuwarten, ob die in dem Buch beschriebenen Vorgänge weitere Folgen haben werden.

 

Control kann letztlich durch Bashir und sein Team Entschlossener gestoppt werden. Für die Komplexität des Programms geht es am Ende schlichtweg zu einfach, Control zu besiegen, eingedenk des Umstands, dass die KI so lange schaltete und waltete, wie es ihr beliebte. Dies ist ein weiterer Punkt, der die gewaltige Bedrohung letztlich gar nicht mehr so überlebensgroß wirken lässt.

 

Auch die Involvierung von Data und Lal stellt an bestimmten Punkten der Geschichte durchaus ein Problem dar. Man kann verstehen, wieso Mack die beiden Androiden einbezog, da sie gewissermaßen das Verbindungsstück zwischen Mensch und Maschine darstellen. Doch an vielen Stellen wirken sie einerseits überlegen, etwa wenn sie in Sekundenbruchteilen auf eine versuchte Entführung reagieren. Andererseits muss Mack dann mit einigen Verrenkungen erklären, wieso sie in ihrer Übermacht trotzdem versagen. Das ist nicht immer glaubwürdig, wenn wir uns beispielsweise vergegenwärtigen, dass es zu einem weit früheren Zeitpunkt Data war, dem es gelang, die erste Borg-Invasion aufzuhalten, indem er ins Hive des entsprechenden Kubus eindrang.

 

Das Ende von Control ist gnadenlos und schrecklich, denn Mack bringt Sarina und Bashir wieder zusammen, ehe er erstere über die Planke schickt. Bashir wiederum wird schwer verletzt, aber sein Verbleib wird in diesem Buch nicht geklärt. Offenbar wird er überleben. Ich frage mich: Wäre der endgültige Kampf und Sieg gegen Sektion 31 nicht ein wunderbarer Abschluss für den Arc des genetisch erweiterten Arztes gewesen? Hier war Mack nicht ganz konsequent, doch dieser Kritikpunkt ist im Ganzen eher ein kleinerer.

 

 

Fazit

 

Action, Düsternis und Verschwörungen allenthalben, gepaart mit kraftvollen Charakterszenen, das alles bekommen wir erneut von David Mack geboten. Das Finale rund um Sektion 31 ist eine markerschütternde und aufwühlende Hetzjagd quer durch die Galaxis, und sie lässt keinen Stein auf dem anderen. In dieser Hinsicht ist der Roman sehr mitreißend.

 

Und doch gibt es inhärente Widersprüche in der Geschichte, die stutzig machen. Eine KI, die jahrhundertelang im Hintergrund die Fäden zieht und so heimlich die Geschicke der Föderation lenkt. Im Hinblick auf Gegenwartskritik ist dieser Ansatz hochinteressant, und doch passt es nicht wirklich zur Föderation, und viele Fragen, die der geneigte Leser sich stellt, bleiben unbeantwortet. Zudem hat Macks Geschichte zur Folge, dass die gesamte Geschichte der Föderation auf einer großen Lüge aufbaut und mit Unmoral und Toten gepflastert ist.

 

Die heile Star Trek-Welt ist endgültig abgebrannt. Finde ich das gut? Nein.

 

6/10 Punkten.

11-2022