I.K.S. Gorkon: A Good Day to Die

Autor: Keith R.A. DeCandido
Erscheinungsjahr: 2003
Seitenzahl: 290
Band: 1

Zeitraum: 7/2376

 

Vorbemerkung

 

Die Buchreihe Gorkon bzw. Klingon Empire fußt auf dem Anfang 2001 veröffentlichten TNG-Roman Diplomatic Implausibility, wo der Captain des titelgebenden Schiffes sowie einige weitere Figuren der Serie einen Gastauftritt hatten. Das Lesen von Diplomatic Implausibility ist allerdings für das Verständnis der Reihe aus der Feder von Keith R. A. DeCandido nicht erforderlich. Zeitlich ist Gorkon nach dem The Left Hand of Destiny-Doppelband angesiedelt, in der Kanzler Martok seine Macht im Imperium verteidigt.

 

 

Inhalt

 

Der Dominion-Krieg ist vorbei, und das Klingonische Reich ist nach jahrelangen schweren, verlustreichen Kämpfen sowie den jüngsten internen Erschütterungen darauf angewiesen, neue Raumgebiete und vor allem neue Ressourcen und Reichtürmer zu erobern. Kanzler Martok, der auf die Allianz mit der Föderation bedacht ist, lenkt die neoimperialen Ambitionen des Reichs in ein bislang unbekanntes Raumgebiet, den gewaltigen Kavrot-Sektor.

 

Gemeinsam mit elf weiteren Schiffen der modernen Chancellor-Klasse wird die 2.000 Mann starke I.K.S. Gorkon unter dem Befehl von Captain Klag (bekannt aus der frühen TNG-Episode Der Austauschoffizier) losgeschickt. Seine Mission: neue Welten zu erobern, unbekannte Zivilisationen zu unterwerfen und furchtlos dorthin zu gehen, wo kein Klingone je gewesen ist. Wir ahnen: Hier sollen wir erleben, wie Klingonen im Dienste ihres Reichs durch das All ziehen und welche Maximen und Handlungsmuster sie zur Anwendung bringen, um in ihrem Sinne zu wirken. Ein echtes Experiment.

 

Unter den Befehlshabern der klingonischen Kreuzer, die in den Kavrot-Sektor aufbrechen, kommt es frühzeitig zum Wettstreit: Wer entdeckt als erster jenen Planeten, den er wie eine Trophäe nachhause bringen darf? Wer bekleckert sich auf dieser Mission ammeisten mit Ehre, die es wert ist, besungen zu werden?

 

Die Wochen der Anreise in den Kavrot-Sektor sind nicht ganz einfach. Die Mannschaft lernt sich kennen, gerät aber auch aneinander. Die Atmosphäre verdüstert sich in einer Mischung aus Erwartungshaltung und Ungeduld. Der Druck, der auf Klag und seiner Mannschaft lastet, glorreiche Eroberungen für das Reich in die Tat umzusetzen, ist hoch – und eine ganze Weile keine Welten in Aussicht, wo dieses Ziel realisiert werden könnte. Was den Captain zusätzlich unruhig werden lässt, ist der Umstand, dass sein verhasster Bruder – der Captain der I.K.S. K’mpec – bereits in einem anderen Bereich des Sektors siegreich war, wie Klag mit Frustration erfahren muss.

 

Doch dann werden Klags stille Stoßgebete erhört, und die Gorkon stößt auf die von Subraumanomalien umringte Heimatwelt der 'Kinder von San-Tarah'. Der Erstkontakt zwischen der Klingonencrew und der fremden, wolfsartigen Spezies zeigt rasch, dass diese im Hinblick auf ihre Kodexe viel gemein haben. Beide sind Kriegervölker, die sich an Grundregeln der Tugend und Ehre binden (jedenfalls die Besseren von ihnen).

 

So kommt es letztlich zu einem Deal: In fünf Wettkämpfen – Jagd, Seeschlacht, Eroberung, Gewichtheben und Schwertkampf – sollen die Klingonen gegen die 'Kinder von San-Tarah' antreten. Tragen Klag und seine Leute den Sieg davon, werden sich die 'Kinder von San-Tarah' bereiterklären, sich ins Klingonische Reich einzufügen und den Klingonen Zugang zu ihren Ressourcen eröffnen. Unterliegen die Gorkon-Krieger, sind sie verpflichtet, die Welt zu verlassen und niemals zurückzukehren…

 

 

Kritik

 

Eine eigene, rein klingonische Narration hat es in vielen Dekaden Star Trek noch nicht gegeben. Hiermit betritt die vorliegende Buchreihe also definitiv Neuland, und allein deshalb war ich ausgesprochen neugierig.

 

Die starke Einleitung, in der Captain Klag auf Ty’Gokor geehrt wird (wo auch Botschafter Worf einen kurzen Gastauftritt absolviert) hat mich direkt abgeholt, ebenso die Entsendung der Gorkon in den Kavrot-Sektor und die Vorstellung der vielen Charakter, wobei die Geschichte in der zweiten Hälfte besonders Fahrt aufnimmt. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein bisschen Exposition bei einem Auftaktroman in eine ganz neue Reihe unverzichtbar ist; daher sollte man nicht zu ungeduldig in das Ganze starten.

 

Es ist wenig überraschend, dass an Bord der Gorkon das Who-is-who der Star Trek-Klingonen aus TNG und DS9 vertreten ist. Da DeCandido sich zudem Mühe gibt, die ganze Bandbreite der Mannschaft zu beleuchten, bekommen wir es im Roman nicht nur mit der ersten Reihe um Klag und seine Führungsoffiziere zu tun, sondern auch mit Untergebenen niedrigeren Grades (etwa Leibwächter, Soldaten, Gruppen- und Truppenführer). Eine Klingonencrew zu begleiten, macht es jedenfalls nicht unbedingt leichter, mit den Namen nicht durcheinanderzukommen. Es ist, zugegeben, etwas gewöhnungsbedürftig.

 

Was dem Autor einwandfrei gelungen ist, ist die im Vergleich zu Sternenflotten-Schiffen andersartige Atmosphäre an Bord eines großen, stolzen Klingonenschiffes einzufangen. Im Grunde handelt es sich bei der Chancellor-Klasse um das klingonische Äquivalent zur Galaxy-Klasse, einen mächtigen Explorer. Doch die Klingonen verstehen unter Erforschen und Entdecken etwas ziemlich anderes als die Föderation. Obgleich wir schon so viel über dieses Volk zu wissen glauben, hievt DeCandido mit der dichten Schilderung des Mikrokosmos an Bord der Gorkon das Culture Building auf eine neue Stufe. Wir sehen sozusagen die erste Garde der Verteidigungsstreitmacht in ganzer epischer Breite.

 

Im Grunde bekommt Klag mit seiner Begegnung mit den 'Kindern von San-Tarah' ein Bilderbuchszenario geschenkt, um die klingonischen Ideale zu verwirklichen: Er stellt sich in einer fairen, wenn auch harten Konfrontation in verschiedenen Disziplinen, und er hat die Möglichkeit, als Krieger einen triumphalen Sieg einzuheimsen. A Good Day to Die erzählt daher eindeutig eine Geschichte, die wirklich nur von Klingonen erlebt werden kann. Sie macht deutlich, dass Klingonen nicht einfach archaische und aggressive Wesen sind, sondern im Rahmen ihres eigenen kulturellen Horizonts auch fair, rechtschaffen und sogar sympathisch handeln können. Man muss eben nur ihr Mindset verstehen, und genau hier brilliert DeCandido.

 

Die 'Kinder von San-Tarah' sind zu Beginn noch ein wenig schwer fassbar, doch DeCandido tastet sich Stück für Stück an die Entfaltung dieses interessanten Volkes heran. Ab dem ersten Kampf und den folgenden Gesprächen erscheinen Klingonen und Einheimische als Gleichgestellte, sodass es aus Sicht der 'Kinder von San-Tarah' vermutlich nicht das allerschlimmste Schicksal wäre, sich der Klingonennation anzuschließen. Die Prüfungen sind bis auf wenige Ausnahmen sehr spannend und anschaulich geschildert.

 

Der Roman schließt mit einem offenen Ende; weiter wird es mit Honor Bound gehen.

 

 

Fazit

 

Am Anfang war ich ja ein wenig skeptisch, aber ich habe mich geirrt. Wer hätte gedacht, dass man mit einer reinen Klingonencrew so viel Spaß haben kann. Doch dem nicht genug: Gorkon ist viel tiefsinniger und intelligenter als man sich ein Kriegerabenteuer so vorstellen mag. DeCandido ist ein Meister der ST-Lore, baut die Klingonenkultur weiter aus und schildert glaubwürdige Figuren rund um Klag und seine Besatzung.

 

Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.

 

7/10 Punkten.

10-2021