Over A Torrent Sea

Autor: Christopher L. Bennett
Erscheinungsjahr: 2009
Seitenzahl: 350
Band: 6

Zeitraum: 2/-8/2381

 

Vorbemerkung

 

Der fünfte Roman der Titan-Reihe, Over A Torrent Sea, spielt nach der Crossover-Trilogie Star Trek: Destiny, und greift auf deren Ereignisse zurück.

 

 

Inhalt

 

Welch ein Katzenjammer! Die Welt ist untergegangen, noch bevor die Titan sie erretten konnte. Nach Sword of Damocles kamen unverhofft die Borg zurück und fielen in ungekannter Weise über den Alpha-Quadranten her, dass manch ein Admiral den Dominion-Krieg im Rückblick als "warm-up act" deuten wird (Seite 4). Dabei hatten die Macher bei Pocket Books, als sie Titan 2005 auf die Schiene setzten, ja eigentlich zu viel vom Krieg in Star Trek gehabt. Riker und seine bunte Crew waren angetreten, um der Sternenflotte wieder etwas vom traditionellen Geist einzuhauchen, zu den Wurzeln des Unterfangens zurückzukehren.

 

Das scheint, kaum ist das Projekt in die Gänge gekommen, nun schon wieder Makulatur zu sein. Die Föderation liegt in Trümmern. Viele Crewmitglieder kehren der Titan den Rücken, um sich für Wiederaufbauprojekte zu engagieren. Die Wiedergeburt einer Sternenflotte, die sich ihren Idealen verschreibt, erscheint nun weiter denn je entfernt.

 

Umso interessanter ist die Begründung, die das Oberkommando anführt, um ausgerechnet die Titan trotz einer durchs Fegefeuer gegangenen Planetenallianz wieder auf große Fahrt zu schicken. Riker und seine Leute hätten (in der zurückliegenden Destiny-Erzählung) durch ihre Forschungsreise durch den Gum-Nebel maßgeblich dazu beigetragen, einen Weg zu finden, die Borg zu besiegen und den Quadranten damit vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Es sei also gerade jetzt - da sich im Hintergrund eine neue, mächtige Allianz aus Romulanern, Tholianern, Breen und anderen zu formieren beginnt - äußerst wichtig, jemanden da draußen zu haben, der die Augen offen hält. Und nebenbei ein Symbol setzt, wo man in einigen Jahrzehnten wieder hinkommen möchte: zurück zur friedlichen Erforschung.

 

Das lässt sich Riker nicht zweimal sagen. Fast hat man den Eindruck, der Titan-Captain habe gepokert und gewonnen. Auch, wenn er vor der Admiralität Gegenteiliges behauptet hat, wollte er sicher als Letztes, dass seine Mannschaft auseinandergeht. Nun hat er ein selten gewordenes Ticket erworben, wieder in die Ferne zu segeln (wenn auch nicht ganz so fern wie bei der letzten Expedition in die Ausläufer des Orion-Arms). Diesmal geht es zu einem Planeten namens Droplet.

 

Der Himmelskörper weckt Interesse: Er gehört zu einer Klasse, die gerade vor ein paar Jahren entdeckt wurde. Es handelt sich um eine Ozeanwelt, die ausschließlich aus Wasser und Eis besteht. Keine Kontinente, keine Inseln, nur ein endloses Meer, ebenso weit wie tief. Ungefähr neunzig Kilometer tief ist der Druck derart vernichtend, dass das Wasser selbst zu Eis gepresst wird, auch wenn es da unten kochend heiß ist. Als wäre dieser Planet nicht ungewöhnlich genug, existieren obendrein noch Lebensformen in seinem Ozean, die es eigentlich nicht geben dürfte.

 

Wasser. War da etwas? Ach ja, Navigatorin Aili Lavena ist ja ihrerseits so eine Art Aliennixe und damit perfekt geeignet, im Mittelpunkt dieser ganzen Expedition nach Droplet zu stehen. Nicht von ungefähr wählt Riker sie für das Außenteam aus, das in einem zum U-Boot umgerüsteten Shuttle loszieht, um den endlosen Ozean zu erkunden. Doch kaum hat Lavena ihrem inneren Drang nicht widerstehen können und einmal ihre Flossen durch das fremde Gewässer gereckt, wird sie von einer unbekannten Kreatur attackiert. Durch eine ominöse Quallenlebensform wird sie vor einer gefährlicheren Situation bewahrt, muss jedoch die Investigation abbrechen.

 

Die Mission bedarf eines Neuanlaufs. Unter anderem findet man in der Nachlese heraus, dass der Stamm des Wesens, das Lavena rettete, hoch empfindungsfähig und intelligent ist. Zudem ist diese Spezies nicht feindlich gesonnen, sondern war offenbar selbst um eine Kontaktaufnahme bemüht. Im Zuge einer kleinen Kontroverse schießt sich die Führungsmannschaft darauf ein, davon auszugehen, dass die Oberste Direktive hier nicht greift, gibt es doch Indizien auf die enorme Intelligenz der Quallenwesen. Euphorisch entscheidet sich Riker, Lavena zu begleiten, um mit ihnen zu kommunizieren. Dabei wird die Pacificanerin den Löwenanteil an der Herstellung des Erstkontakts haben; sie ist aufgrund ihrer nautischen Physiologie prädistiniert dafür.

 

Die Freude währt nur kurz. Bald schon keimen neue Probleme herauf: Ein großer Asteroid nähert sich Droplet - auf Kollisionskurs. Stoppt man ihn nicht, ist sein Schadenspotential enorm. Riker gibt seiner Vertretung auf der Titan freie Hand. Doch als das Feuer auf den interstellaren Gesteinsbrocken eröffnet wird, verteilt dieser hochexplosives Material, das unter seiner Nickeleisensichel schlummerte. Die Titan wird schwer beschädigt.

 

In den Meeren Droplets, wo Riker und Lavena unterwegs sind, schlägt das Verhalten der Quallenwesen um. Sie werden aggressiv und halten das Expeditionsteam fest. Die Situation destabilisiert sich rapide: Während die Titan im Orbit große Probleme hat, nimmt Riker an, die Quallen hätten das Vertrauen verloren. Doch dann kommt heraus, dass das Eingreifen der Titan selbst ursächlich ist: Der Beschuss des Asteroiden setzte ein Strahlungsgemisch frei, das das Droplet-Ökosystem in Mitleidenschaft zog...

 

 

Kritik

 

Zählen wir es einmal auf: ein Ökosystem im All, nachgerade seltsame Waberwesen, hinter denen sich eine ganze Gesellschaft verbirgt. All das noch angereichert durch lange Erläuterungen, die gerade unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten durchaus Sinn ergeben. Dies klingt nach dem Erfolgsrezept, das Christopher L. Bennett bereits einmal in der Titan-Reihe anwandte, nämlich in Orion's Hounds. Damals war ihm ein echter Coup gelungen, der mit Abstand beste Band der Serie. Und doch - man ahnt es - scheitert nun eine Neuauflage von Glanz und Gloria. Welches sind nur die Gründe dafür?

 

Fangen wir ganz von vorne an: Titan ist durch Destiny verändert worden. Dafür kann Bennett nicht das Geringste. Nichtsdestoweniger spielt der Einfluss, den die letzte Crossover-Trilogie hinterließ, eine nicht unwesentliche Rolle für die Fortsetzung der Reihe. Over A Torrent Sea ist so wie der Hintergrund seines Covers: Die Farbe spielt eine untergeordnete Rolle, solange sie nur düster ist. Unverkennbar hat die Masseninvasion der Borg eine tiefe emotionale Schneise in das Selbstwertgefühl der Crew gerissen. Sollte die Titan nicht das Flaggschiff des Optimismus und des Aufbruchs sein?

 

Davon ist jedenfalls in Over A Torrent Sea nicht mehr viel übrig. Der ganze Tenor und alles, was die Beziehungen der Charaktere prägt, ist dunkel und schwermütig geworden. Das ist eine Zäsur für die weithin unbeschwert gestartete Titan. Natürlich findet das Oberkommando eine noch so fadenscheinige Begründung, Rikers Truppe wieder hinaus zu schicken - show must go on. Umso mehr scheint der Nimbus der strahlenden, runderneuerten Forschungsmission gebrochen. Dummerweise ist damit das Serienkonzept in Abgrenzung zu anderen Buchreihen mehr denn je infrage gestellt. Soviel zum Grundsätzlichen.

 

Für den fünften Titan-Sprössling an sich sieht es indes kein Bisschen besser aus, als die Ausgangslage erahnen lässt. Wieder einmal führt Gutmenschentum in die Beinahe-Katastrophe. Potzblitz und Wolkenbruch! Es darf nicht wahr sein: Schon wieder lässt man Rikers Mannschaft eine Dummheit begehen, die im Zusammenhang mit der Obersten Direktive steht. In Sword of Damocles war bei mir ja eigentlich die Schmerzgrenze erreicht, aber nun bin ich mir sicher, dass es keine Rolle mehr spielt, wie oft man noch mit demselben Kopf gegen dieselbe Wand anrennen wird. Hauptsache, die Mischt-Euch-ja-nicht-ein-Moral wird weiter per Holzhammermethode vermittelt.

 

Die restliche Story kann man nur als öde bezeichnen. Auffällig an ihr ist in erster Linie die Abwesenheit eines vernünftigen Spannungsbogens. Streckenweise glaubt man glatt, es mit Versatzstücken von Frank Schätzings Der Schwarm zu tun zu haben. Was Orion's Hounds so interessant machte, waren vor allem die reichhaltigen Quellenbezüge, die so miteinander verwoben wurden, dass ein unverkennbarer Aha-Effekt dabei herauskam. Beim vorliegenden Buch ist das keineswegs mehr so. Droplet ist eine reine Wasserwelt. Schön und gut, aber an viel mehr als einer Voyager-Episode können wir uns da im Canon nicht bedienen.

 

Diesmal fehlt auch der interessante Konflikt: Es gibt keine konkurrierenden Parteien und keine Auseinandersetzungen, wie Riker sie im letzten Bennett-Roman insbesondere mit Christine Vale hatte. Die Essenz von Over A Torrent Sea schmiegt sich stark dem Charakter Lavenas an, der nur mäßiges Interesse beim Leser zu wecken vermag. Dabei gibt sich Bennett alle Mühe, die pacificanische Navigatorin anfassbar zu machen und auch ihre intime Vergangenheit mit Riker auszuleuchten.

 

In der zweiten Hälfte der Geschichte schiebt sich dann ein anderer Handlungsbogen dazwischen, der ebenfalls etwas mit beeinflusstem Verhalten zu tun hat. Durch einen telepathisch-empathischen Kontakt zwischen Tuvok und Troi wird Doktor Ree in Mitleidenschaft gezogen. Seine verdrängten, schwer auf ihm lastenden Gefühle, dass er Trois letztes Baby nicht retten konnte, führen dazu, dass er geradewegs durchdreht - und die Counselor entführen wird. Dieser Handlungsbogen wirkt wie eine Kapitulation vor der eigentlichen Story um Droplet, auf der anderen Seite ist er - mag das empathische Beeinflussungsphänomen an den Haaren herbeigezogen wirken - halbwegs von Interesse, weil er endlich einmal handfeste Charakterstudien betreibt.

 

Verglichen mit unsäglichen Pseudokonflikten in früheren Titan-Romanen, die in Sword of Damocles zur Lächerlichkeit kulminierten, erscheinen die Charakterszenen überhaupt geerdeter, sinnhaltiger. Ob es nötig war, Tuvok zu einem psychischen Wrack zu machen, indem man ihm von den Borg seinen Sohn nehmen ließ, darüber kann man sich trefflich streiten, und es lag wiedermals nicht in Bennetts Ermessen, sondern im Konzept von Destiny. Auf jeden Fall ist es schlüssig, wenn er der Zuwendung Counselor Trois bedarf. Und auch Ranul Kerus Stunde schlägt, der auf den Vulkanier zugeht und mit ihm seinen eigenen Schmerz über den Verlust seines Lebensgefährten Hawk (auch gestorben durch die Borg) teilen kann.

 

Die Gefühle, die zwischen Pazlar und Ra-Havreii reifen, schildert Bennett gekonnt. Es scheint, dass sich ihre Beziehung verfestigt. Auch, wenn keiner von ihnen das offen zugeben will: Sie mögen einander. Deanna Trois Schwangerschaft und die Katastrophe, die sie mit einer Fehlgeburt bereits erlebte, wirken ohne die Lektüre der Destiny-Romane nicht ganz nachvollziehbar; zu viel ist da einfach geschehen. Aber auch an dieser Stelle vermeidet Bennett unnötigen Kitsch und konzentriert sich aufs Wesentliche: auf eine teils verwandelte werdende Mutter.

 

 

Fazit

 

Bedauerlicherweise ist der Rest der Geschichte so staubtrocken und uninteressant, dass Over A Torrent Sea unterm Strich den Tiefststand seines Vorgängerwerks nicht heben kann. Es ist das erste Mal, dass mir einfach nichts mehr einfallen will, außer müde mit den Achseln zu zucken. Titan schaut keiner rosigen Zukunft entgegen. Und dafür muss man nicht einmal Destiny bemühen. Nun bewahrheitet sich, dass die Macher, als sie die Reihe aus der Taufe hoben, mehr auf sprühende Farben und große Losungen setzten denn auf innovative Ansätze. So gesehen wurde Titan am langen Ende nicht durch die Borg gefressen, sondern von der eigenen Konzeptlosigkeit.

 

Wären nicht die Sprache und erklärenden Fertigkeiten Bennetts sowie ein paar brauchbare Charakterszenen würde Over A Torrent Sea auf dem Level von matter, wortblähender Fan-Fiction-Kost angelangt sein. Wer das schon als Erfolg feiern will - nur zu. Vielleicht sollte man bescheiden werden.

 

4/10 Punkten.

9-2009