Available Light

Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: 2019
Seitenzahl: 360
Band: 26

Zeitraum: 11/-12/2386

 

Inhalt

 

Sektion 31 und alle ihre illegalen Machenschaften wurden ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt…allerdings auch eine Menge anderer Informationen über geheime Aktivitäten und Verstrickungen hochrangiger Persönlichkeiten in der Föderation. So ist auch bekannt geworden, dass Captain Jean-Luc Picard Beihilfe beim Sturz des einstigen Föderationspräsidenten Min Zife leistete, auch wenn er an dessen Ermordung keinen Anteil hatte.

 

Dennoch ist Picard damit ins Fadenkreuz der Sternenflotten-Justiz geraten und sieht ein Gerichtsverfahren sowie möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für seine weitere Karriere auf sich zukommen. Generalanwältin Philippa Louvois (bekannt aus der denkwürdigen TNG-Episode Wem gehört Data?) läuft sich, mit Unterstützung durch Föderationspräsidentin zh'Tarash und Flottenadmiral Akaar, schon einmal warm, und Picard muss ernstliche Probleme befürchten. Doch noch braut sich dieses Unheil erst zusammen.

 

In der Zwischenzeit ist die Enterprise weiterhin im Odysseischen Pass unterwegs. Dabei stößt sie auf ein gigantisches, vermeintlich leeres Raumschiff, das offenbar seit Jahrhunderten beschädigt im All treibt. Während sich ein Erkundungstrupp an Bord des alten Raumers umschaut, findet sich am Ort des Geschehens eine Spezies ein, die sich scheinbar auf das Einsammeln und Vermarkten von Weltraumschrott spezialisiert hat, und beginnt Picard Ärger zu bereiten, indem sie nachdrücklich Anspruch auf das Wrack erhebt.

 

Zeitgleich stellt sich heraus, dass das unbekannte Schiff gar nicht so leer ist wie gedacht und dringend technischen Beistand benötigt…

 

 

Kritik

 

Available Light ist ein Roman, der sich in vielerlei Hinsicht mit den Konsequenzen früherer Ereignisse beschäftigt. Das ist ein interessanter Zugriff und eine kluge Form der Selbstreferenzialität, bei der zahlreiche vergangene Ereignisse Revue passieren gelassen werden. Hängt diese nachdenkliche Rückschau mit dem bevorstehenden Ende der eigenständigen Romankontinuität der ST-Serien im 24. Jahrhundert zusammen? In jedem Fall wird nicht nur starker Bezug zur einschneidenden The Fall-Reihe hergestellt, sondern auch und gerade auf den Geschehnissen von Section 31 – Control aufgebaut beziehungsweise auf bestimmten Werken der A Time To…-Miniserie, welche bereits 2004 herausgebracht wurde.

 

Available Light knüpft unmittelbar an das Ende von Control an. Sektion 31 ist aufgeflogen, ihre Agenten werden verfolgt und verhaftet, und Picard ist ein Stück weit in Ungnade gefallen. Admiral James Akaar lässt den Captain wissen, dass dies Folgen für ihn haben wird; den Admiralstitel kann er sich jetzt wohl abschminken (ja, dies ist wohlgemerkt die Litverse-Zeitlinie). Wir dürfen verfolgen, wie Akaar sich mit dem Fallout der Enthüllungen über die ruchlose Geheimorganisation auseinandersetzt und die schwierige Aufarbeitung in die Wege leitet. Die letzten Getreuen von Sektion 31 werden von ihm und seinem Team konsequent zur Strecke gebracht, teils mit rabiateren Methoden. Oberkommandant und Präsidentin müssen sich der Frage stellen, wie weit die lückenlose Aufklärung wirklich gehen soll. Das allein ist spannend und gut geschrieben, und es erzeugt eine gewisse Befriedigung, dass es nach so vielen Jahrhunderten ihres rücksichtslosen und eigenmächtigen Agierens der Sektion endlich an den Kragen geht.

 

Dieser B-Plot, der sich nebenbei durch das Buch zieht, ist vielleicht manchmal ein wenig zu stark ausgebreitet, und streckenweise fragt man sich, was die Geschehnisse auf der Erde noch mit der Enterprise zu tun haben (immerhin handelt es sich um einen offiziellen TNG-Roman), dennoch ist dies der wohl interessanteste Teil des Werks. Nicht nur, dass es eine Menge Wendungen gibt. So stirbt eine Nebenfigur, die Star Trek sowohl im TV wie auch im Litverse lange Zeit begleitet hat. Man erhält einen Einblick, wie die Aufklärungsarbeiten eingeleitet und organisiert werden (wobei natürlich Picard auch eine essentielle Rolle spielt). Der Handlungsbogen verströmt eine Menge Foreshadowing mit Blick auf die kommende Gerichtsverhandlung (die wir dann in Collateral Damage bekommen werden). Picard hat zwar in seinem Leben schon eine Menge mitgemacht, und doch scheint diese juristische Konfrontation schwer für ihn zu werden.

 

Die an und für sich starke Sektion 31-Story versandet leider zusehends, sodass der Leser ein wenig unbefriedigt zurückbleibt. Auch wäre interessant gewesen, Reaktionen aus weiteren Teilen der Föderationsgesellschaft einzustreuen, dieses Potential verschenkt das Buch aber. Ich finde: Ein reiner Roman rund um die Nachwehen der S31 mit Fokus auch auf Picard wäre wahrscheinlich noch besser gewesen als die letztlich gewählte Ausgestaltung, hätte noch dichter mit dem Enterprise-Captain und seinen Ansichten verbunden werden können.

 

Demgegenüber ist die parallel stattfindende A-Handlung weniger packend, denn es ist eine klassische Alien-of-the-week-Story. Picard muss sich mit einem unbekannten Raumschiff beschäftigen, das einen Hauch Mystery verströmt. Die eigentliche Handlung dreht sich um jenes Schiffswrack, das die Crew findet. Schnell stellt sich heraus, dass dort Lebewesen an Bord sind, die Hilfe brauchen. Erschwerend kommt hinzu, das eine Gruppe Plünderer auftaucht und das Schiff beansprucht. Dieses Szenario hatten wir in Variationen schon gelegentlich bei Star Trek, es dürfte niemanden von Hocker reißen. Besonders bedauerlich finde ich, dass Dayton Ward irgendwie auch bei sich selbst klaut, denn im Roman Armageddon's Arrow präsentierte er ja vor nicht allzu langer Zeit ein nicht unähnliches Setting.

 

Die erwähnte Plünderspezies (Torrekmaten) erweist sich anfangs als aggressiv, doch man lernt, zu kooperieren, auch wenn der Sinneswandel der torrekmatischen Kommandantin etwas schnell daherkommt. Dass sich die zweite Welle an Torrekmaten dann der Enterprise anschließen und Lieb Kind machen, war leider recht vorhersehbar. Zwar ist es schön, dass es mal nicht allzu feindselig wird, doch die Standardprozedur, einer in Not geratenen Mannschaft zu helfen, ist zu einem so fortgeschrittenen Zeitpunkt im TNG-Relaunch einfach ein wenig dünn. Da hilft es auch nicht, dass die Fremden Leute digitalisieren können. Hier hätte man sicher noch einiges mehr herausholen können, so bleibt der ganze Plot hinter den Möglichkeiten zurück.

 

Die Charakterentwicklung ist in diesem Buch eher lauwarm. Zwar gibt es zu Anfang einen grübelnden Picard zu sehen, der über seine Involvierung in die Sektion 31-Angelegenheiten sinniert. Nachdem ihm aber Beverly den Kopf wäscht, ist das vorerst wieder vergessen. Dadurch wird Picards inneres Hadern doch abrupt abgewürgt, auch wenn er ein inzwischen hartgesottener Captain ist. Hier wäre sicher mehr drin gewesen.

 

Einen größeren und bemerkenswerten Auftritt hat T’Ryssa Chen. Die Erstkontaktspezialistin der Enterprise hat sich, seitdem sie in Greater Than The Sum eingeführt wurde, enorm verändert. Sie ist zwar immer noch eine Exotin an Bord, doch die Abenteuer, die sie erlebt hat, haben sie reifen lassen, ohne dass ihre Neugier und Extrovertiertheit verschwunden sind. Die freundschaftliche Verbindung zum Vulkanier Taurik wird in diesem Buch bedeutend. Die Interaktionen von Chen mit der Crew und ihr aktiver Beitrag zur Story sind dabei gut geschildert.

 

Der Roman ist insgesamt routiniert geschrieben, liest sich flüssig und hat mich trotz seiner Schwächen durchaus unterhalten. Dayton Ward lässt sich Zeit, nichts wirkt gehetzt – das ist ein großer Vorzug des Buches. Der Autor baut die Geschichte peu à peu auf und gibt den jeweiligen Plots jede Menge Luft zum Atmen. Dadurch kann er ab und an für eine überraschende Wendung sorgen. Das Ende von Available Light ist zwar kein Cliffhanger, dennoch schließt Ward seine Handlung so ab, dass sie im nächsten Teil problemlos wieder aufgegriffen werden kann. Jetzt sind die Erwartungen in Bezug auf Collateral Damage natürlich groß.

 

 

Fazit

 

Available Light stellt die Enterprise vor eine Bewährungsprobe, während ihr Captain mit den Konsequenzen einer Tat aus seiner Vergangenheit fertig werden muss, die ihm in der Zukunft noch schwere Probleme bereiten könnten. Ruhe vor dem Sturm-Atmosphäre, aber auch eine Art des nachdenklichen Rückblicks zurück auf verschiedene Punkte des Litverse.

 

6/10 Punkten.

10-2022