A Pocket Full of Lies

Autorin: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: 2016
Seitenzahl: 350
Band: 8.12

Zeitraum: 6/-7/2382

 

Inhalt

 

Die ausgedehnte Forschungsreise der Full Circle-Flotte wird fortgesetzt. Nun konzentriert sich die Sternenflotten-Formation auf einen Raumcluster, in dem die Spezies der Nihydron, der Zahl, der Rilnar und der Krenim leben. Wir erinnern uns: Just dieses Gebiet hatte die Voyager während ihrer ersten Odyssee durch den Delta-Quadranten noch großzügig umflogen. Janeway ist in der Zwischenzeit zu Ohren gekommen, dass die Nihydron als besonders kundig über diese Raumregion gelten und auf das Sammeln von Informationen spezialisiert sind; somit macht sie rasch ein diplomatisches Treffen aus.

 

So vielversprechend dieser Auftakt anmuten mag, so sehr droht er zum Debakel zu werden. Als die Nihydron-Abgesandten Janeway begegnen, entgleisen ihnen die Gesichtszüge. Denn Kathryn Janeway ist das Ebenbild des sogenannten Denzit, eines gefürchteten militärischen Oberkommandierenden der Rilnar, der die Truppen auf dem seit Jahrhunderten umkämpften Planeten Sormana seit einer Weile befehligt. Die Rilnar und die Zahl – zwei Völker, die sich aus einer Rasse entwickelt haben – liefern sich auf ihrer Heimatwelt seit unzähligen Generationen einen schwerwiegenden Konflikt. Dank der Taktiken des neuen Denzit sind die Rilnar sogar im Begriff, die Oberhand auf Sormana zu erlangen, so heißt es.

 

Als wäre der Umstand, dass Janeway eine Doppelgängerin haben muss, die sich folgenreich in einen anderen Konflikt einzumischen scheint, nicht erschütternd genug, so kann die Existenz einer solchen Doppelgängerin seit den Geschehnissen aus The Eternal Tide eigentlich nachgerade unmöglich sein. Denn der Zwischenfall mit dem Omega-Kontinuum brachte es mit sich, dass jede andere Janeway aus jedem anderen Universum oder einer Zeitlinie eigentlich nicht mehr existieren kann.

 

Die Full Circle-Flotte bricht also nach Sormana auf, um dieser beunruhigenden Sache nachzuspüren. Während Außenteams in den Territorien der Zahl und Rilnar – die abgesehen von Sormana eigentlich recht friedlich miteinander auskommen – die Hintergründe für den Konflikt recherchieren, findet die Crew der Voyager heraus, dass es sich beim Denzit tatsächlich um eine Kathryn Janeway aus einer anderen Zeitlinie handelt. Es ist Chakotay, der sie wieder erkennt. Er hatte jene Janeway im Zuge eines temporalen Abenteuers in der Episode Zersplittert kennengelernt. Diese Kathryn Janeway wurde laut eigener Auskunft von den Zahl – die über temporale Technologie verfügen sollen – aus der Zeitlinie entfernt, befragt, gefoltert und schließlich von den Rilnar befreit, die sie seither in ihrem Kampf auf Sormana mit ihrer Sternenflotten-Ausbildung unterstützt. Wenn man so will: Ein Bruch der Obersten Direktive, der auf den Kriegsverlauf bedeutende Auswirkungen hatte.

 

Obwohl Denzit-Janeway ihren Dienst bei der Föderation an den Nagel gehängt hat, sieht es Admiral Janeway als ihre Pflicht an, sie nach Hause zu holen, koste es was es wolle. Dabei holt sie sich spezielle Unterstützung von der U.S.S. Titan, indem sie einen alten Freund auf ihr Ebenbild ansetzt. Dies hat Gründe: Da Denzit-Janeway aus der Zeitlinie entfernt wurde, ehe es die Voyager zum ersten Mal in den Delta-Quadranten verschlagen hat, erkennt sie niemanden von ihrer Crew – bis auf Tuvok, der schon Jahre vor seinem Dienst auf der Voyager mit Janeway befreundet war. Er soll Denzit dazu überreden, ihre Zelte abzubrechen. Ein Plan, der nach hinten loszugehen droht, denn der Vulkanier schleppt eine schwere emotionale Bürde mit sich herum, die ihn empfänglich für die Argumente Denzits macht – die er zudem zum Teil vor der Crew der Voyager verheimlicht.

 

Während einige Crewmitglieder des Flottenverbands in die Kolonialwelten der Zahl und der Rilnar ausschwärmen, um mehr über deren Konflikt zu erfahren, begibt sich die U.S.S. Vesta unter Kommandant Regina Farkas und Admiral Janeway ins Gebiet der Krenim. Dort kann sie eine mit temporalen Schilden ausgestattete Logbuch-Boje orten, die anscheinend von der Voyager stammt - von einer anderen Voyager wohlgemerkt. Die Aufzeichnungen im Innern der Boje liefern Hinweise darauf, dass sich die Voyager in einer anderen Zeitlinie heftige Auseinandersetzungen mit den Krenim geliefert hat, doch diese Begegnung wurde aus der Geschichte eliminiert. Kurz darauf deuten weitere Ermittlungen darauf hin, dass die Krenim sich auf Sormana möglicherweise hinter den Kulissen einmischen und ihre fortschrittliche Technologie unter die Zahl bringen. Was sagt das alles über die Fähigkeiten der Krenim aus, Zeitreisetechnologie entwickeln und einsetzen zu können? Die Implikationen für die Mission der Voyager in dieser Zeitlinie und das Verhältnis zu den Krenim könnten gravierend sein…

 

 

Kritik

 

Diesmal nimmt sich Autorin Kirsten Beyer vor allem die Episoden Ein Jahr Hölle und Zersplittert im zweiten großen Voyager-Zyklus vor, deren Handlung sie in Verbindung mit ihrer bisherigen Serienfortsetzung weiterführt. Die beiden besagten Folgen gehören definitiv zum Besseren, was Voyager in sieben TV-Jahren abgeliefert hat, und sie ließen die eine oder andere spannende Frage zurück. Insofern ist die Ausgangslage für das Buch nicht die schlechteste. Zugleich hat wohl keine ST-Serie wie Voyager so oft irgendwelche Alternativzeit-Szenarien erkundet, nur um dann allzu schnell auf den Reset-Knopf zu drücken. Das Auftauchen der ‚doppelten Janeway‘ ist für die Show wahrlich keine Neuheit und hat mindestens in den Folgen Die Verdoppelung und Endspiel bleibende Erinnerungen hinterlassen (nicht nur zum Positiven). Und allmählich scheint es mir ein wenig zu viel, Janeway auf eine Art alterniertes Ich treffen zu lassen.

 

Insofern hat mich der konstruiert und wenig innovativ wirkende Plot zunächst nicht unbedingt vom Hocker gerissen. Störend war, wie das Auftauchen der zweiten Janeway (Denzit) zunächst zerredet und durchtheoretisiert wird. Es weckte gewissermaßen Erinnerungen an das nicht immer erquickliche The Eternal Tide, wo sich die Autorin übel in temporalen Kausalitäten, Anomalien und Paradoxien verheddert hat. Das lässt sich anfangs im vorliegenden Buch nicht sehr viel besser an; vor allem sind viele der gebotenen Gedankengänge und Erklärungen nur schwer nachvollziehbar. Da werden Theorien wie Paralleluniversen und andere Zeitlinien gleich mal verworfen. Die Begründung, dass alle Janeways sämtlicher Multiversen zu exakt dem Zeitpunkt gestorben sein müssen, wie ‚unsere‘ Prime-Janeway, vermag überhaupt nicht zu überzeugen, ja, es wirkt alles an den Haaren herbeigezogen. Janeway konnte das angeblich spüren, weil es eine kosmische Konstante war, aber im Prime-Universum brauchte es Q, um sie zurückzubringen (?!). Denzit-Janeway wird einfach so von einem Arzt zurückgebracht. Das es am Ende dann doch eine Janeway aus einer anderen Zeitlinie ist, führt diese ganze Diskussion endgültig ins Absurde. Keine Worte mehr, euer Ehren.

 

Dass Prime-Janeway wieder einmal verbissen sein muss, die gute Sternenflotte zu verkörpern, weckt wiederum Erinnerungen an Equinox. Doch anders als in dieser Doppelfolge, wo es handfeste Gründe gab, Captain Ransom und seine Crew zur Strecke zu bringen, ist ihr Entschluss, Janeway Nr. 2 aus ihrer derzeitigen Tätigkeit zu entfernen und in die Föderation zurückzuführen, höchst fraglich. Denn betrachten wir das Ganze mal bei Lichte: Denzit stammt aus einer anderen Zeitlinie, hat andere Erfahrungen gemacht, hat ihren Dienst bei der Raumflotte beendet (auch wenn diese das logischerweise nie erhalten hat) und sich dann in einen lokalen Konflikt auf einem Planeten eingemischt bzw. eine Seite dort in ihrem Kampf unterstützt und möchte das auch weiterhin tun. Dabei handelt es sich um eine Warpzivilisation, die Erste Direktive greift also nicht. Diese Art von Intervention durch eine Sternenflotten-Person mag zwar nicht wünschenswert sein, doch die Nachdrücklichkeit, mit der Prime-Janeway um jeden Preis ihr Ebenbild stoppen und dingfest machen will, überzeugt wenig.

 

Das scheint auch Beyer selbst bewusst zu sein; immerhin wird die Wackeligkeit von Janeways Argumentation auch im Gespräch mit dem übereilt zurückgeholten Tuvok thematisiert. Allerdings hilft dies nur wenig, denn die Autorin springt allzu schnell weiter mit ihrem durchaus problematischen Plot, in dem Prime-Janeway sich wieder einmal zur Herrin über Gut und Böse aufschwingt. Die Begründung im Buch, dass zu wenig Zeit sei, um alle Details zu durchdenken und durchzudiskutieren, wirkt wie der eher hilflose Versuch, den Leser dazu zu bringen, die ganze Sache nicht allzu sehr zu hinterfragen und sich auf das geschilderte Geschehen einzulassen. Wenn man Janeway schon wieder auf die Jagd gehen und ihren Vorstellungen von Richtig und Falsch nachsetzen lässt, so wäre es doch überaus spannend gewesen, eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Figur zu leisten. Wie hatte Chakotay ihr einstmals so treffend gesagt: „Ich kenne Sie, Kathryn. Sie wissen manchmal nicht, wann man zurückstecken soll.“ Doch wer sich eine vertiefte Charakteranalyse oder gar eine Art Selbstabrechnung erwartet, wird enttäuscht werden. A Pocket Full of Lies ist bloß eine weitere Abenteuererzählung.

 

Die Story um die Krenim und die Zeitreisen vermag indes durchaus zu gefallen. Die Crew erfährt endlich, was sie im alternativen ‚Höllenjahr‘ erlebt hat, das letztlich durch die Revidierung der Zeitlinie so nie stattgefunden hat. Auch, wenn ich mir an mancher Stelle mehr Details und Tiefgang gewünscht hätte, ist die Frage nach den Zeitreisepotenzialen und deren Nutzungsbereitschaft durch die Krenim dieser aktuellen Zeitlinie spannend. Auch stellt sich die Frage, inwiefern die Krenim im Konflikt auf Sormana ihre Finger im Spiel haben und zu einer größeren Bedrohung werden könnten.

 

Leider wird aus dem Buch im weiteren Fortgang eher so etwas wie ein Flickenteppich. Die Voyager-Crew stellt verschiedene Ermittlungen an, zunächst in Bezug auf Janeway Nr. 2, später in Bezug auf die Krenim und die Geschehnisse rund um den Konflikt. Hier verfolgen wir, wie sich an verschiedenen Schauplätzen eine Art Puzzle zum Sormana-Konflikt zusammensetzt, was handwerklich nicht schlecht gemacht ist. Trotz des Cliffhanger-Endes fügt sich jedoch alles ein wenig lieblos. Die Haupthandlung der ersten Hälfte, der Bürgerkrieg auf Sormana, wird nach circa drei Vierteln des Buches zu einem überhasteten Abschluss gebracht. Das letzte Viertel beschäftigt sich unter anderem mit den Hintergründen der Janeway-Doppelgängerin und deren Peinigern, die schon komplex sind und dem Leser Geduld abverlangen. Einfach ist es jedenfalls nicht, den Erklärungen des vermeintlichen Schurken wie auch den Schlussfolgerungen der Führungsoffiziere der Föderationsflotte zu folgen. Immerhin muss man Beyer zugute halten, dass sie viel Zeit aufwendet, um die Geschichte wirklich für jeden Charakter zu einem vorläufigen Ende zu bringen.

 

Die Charakterarbeit ist dennoch eine ähnliche Warm-Kalt-Angelegenheit wie das ganze Buch. Manchmal gibt es schöne und auch humorvolle Szenen, manchmal wirkt vieles abgewürgt, sprunghaft abgehandelt und eher mit der Brechstange in die Handlung integriert. Ein Beispiel für letzteres wäre Nancy Conlon, Kims neue Freundin, die unter den Folgen der Vereinnahmung durch eine körperlose Spezies leidet (letzter Dreiteiler). Das geht schließlich soweit, das sie die Beziehung mit Harry Kim beendet. Ähnlich überhastet kam für mich Tuvoks Rückholung auf die Voyager. Dies gilt ähnlich für das ihm angedichtete oder wenigstens arg aufgeblasene Trauma. Überzogen wirkt denn auch Tuvoks Ausraster am Ende der Geschichte. Nach Jahren, die derweil vergangen sind, sollte er inzwischen doch den Tod seines Sohnes halbwegs verarbeitet haben (erst recht jemand wie er mit seiner reichhaltigen Erfahrung). Davon abgesehen wird er wieder zurück in die Titan-Reihe wechseln, und dort wird diese Entwicklung vermutlich eher weniger aufgegriffen werden. Ob man dem Charakter also mit dem ganzen Wiederauftreten in Voyager einen Gefallen getan hat, sei mal dahingestellt. Da war die Nebenhandlung rund um Ensign Icheb besser integriert, dessen anfängliche Bemühungen, für B’Elanna Torres Effizienzberichte zu erstellen, ihn dorthin führen, wo er am allgemeinen Geschehen der Geschichte mitwirken kann. Ein klein wenig überraschend kam zudem das Q-Cameo. Es harmoniert meiner Meinung nach nicht mit dem Schluss von The Eternal Tide, was aber nicht schlimm ist, denn damals fand ich seinen Abgang nicht besonders schlüssig. Natürlich gibt es noch Szenen mit anderen Charakteren der Voyager (oder besser: der Full Circle-Flotte), aber obwohl etwa Tom und B’Elanna durchaus ihre Auftritte haben, ist das Vorkommen der meisten VOY-Protagonisten diesmal eher Nebenschauplatz.

 

 

Fazit

 

Die Ausgangssituation eines Janeway-Duplikats, das sich in einem internen Konflikt in den Tiefen des Delta-Quadranten engagiert, ist bereits arg gewöhnungsbedürftig, ebenso deren Herleitung. Was die Geschichte rettet, ist zum einen der Umstand, dass sie an zwei gelungene und interessante Folgen aus der Serie anknüpft, auch wenn es in meinen Augen den ganzen Zirkus einer erneuten Doppelgängerin nicht gebraucht hätte. Es blitzen immer mal wieder gute Charakterszenen, spannende Momente, interessante Ermittlungsarbeiten und auch Action durch. Dennoch bleibt es bei diesem kurzen Aufblitzen, denn der Roman schafft es nicht, ein stimmiges Gesamtbild zu kreieren.

 

5/10 Punkten.

1-2022