The Eternal Tide

Autorin: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenzahl: 400
Band: 8.8

Zeitraum: 8/-9/2381

 

Inhalt

 

Es liegen dramatische Tage hinter der Voyager und ihrer neun Schiffe umfassenden Flotte. Nachdem die Planck durch die Children of Storm zerstört wurde, die Demeter schwer und mit großen personellen Verlusten geborgen werden konnte, gab es viel Schmerz zu verarbeiten. Nicht zuletzt hatten Chakotay und Eden im Brennpunkt der letzten Krise ihre ganz persönliche Konfrontation, die Spuren hinterlassen hat.

 

Nun trifft die Flotte bei New Talax ein und hat – einschließlich eines willkomenen Tests der neuen Sternenflotten-Jäger und eines kleinen Wiedersehens mit Neelix – die Gelegenheit, ein wenig durchzuatmen…und sich gleich auf ihren nächsten Auftrag vorzubereiten: in ehemaliges Borgterritorium zurückzukehren, um der wesentlichen Frage, die das Projekt ‚Full Circle‘ betrifft, weiter nachzugehen. Sind die Borg nach der Entfaltung der Caeliar-Gestalt wirklich ein für allemal verschwunden? Stellen sie oder ihre Hinterlassenschaften noch eine Bedrohung für die Föderation dar?


Nach den vergangenen Wochen, die keine Begegnungen mit den kybernetischen Wesen mehr brachten, glauben einige Mannschaftsmitglieder bereits, es sei vergeudete Zeit, im Borgraum nach dem Rechten zu sehen. Doch immerhin geht es nicht nur um die Frage des Verbleibs der Borg, sondern – wie die letzten Einsätze eindrucksvoll und erschreckend gezeigt haben – auch darum, sicherzustellen, dass der politisch ohnehin instabile Delta-Quadrant nicht komplett destabilisiert, wenn sich bestimmte Spezies ehemalige Borgtechnologie zu Eigen machen und dadurch die Mächtebalance empfindlich verschieben.


Wieder einmal wird sich die Flotte in mehrere Gruppen aufteilen. Dabei wird die Voyager auf Wunsch Chakotays jene Welt besuchen, auf der er selbst einst die Kooperative kennenlernte: vom Kollektiv getrennte und doch miteinander verbundene ehemalige Drohnen, die eine neue Form der Gemeinschaft auf einem entlegenen Planeten aufzubauen versuchten. Afsarah Eden wiederum kann die seltsamen Träume und Erinnerungsfragmente an ihre verschütt gegangene Vergangenheit im Delta-Quadranten nicht länger verdrängen.


Nachdem der Doktor ihr im Rahmen eines medizinischen Gutachtens bestätigt, dass ihre genetische Struktur nur vermeintlich menschlich ist, tatsächlich aber einer unbekannten, weit entwickelten Spezies zu entstammen und zudem gezielt konstruiert worden scheint, begibt sie sich auf die Suche nach Antworten. In Begleitung von Counselor Cambridge und des Doktors reist sie zum Mikhal-Außenposten, in dessen Umfeld mehrere Artefakte lagern, die bei ihrer letzten flüchtigen Begegnung seltsame Gefühle in Eden auszulösen schien. Und nun, bei genauerem Hinsehen, stößt sie sogar auf eine Sternenkarte, die sie nach und nach auf eine Reise zu den Wurzeln ihrer wahren Identität führt - und die Fährte eines sehr mächtigen, uralten Volkes.


Indes findet die Voyager keine Spur mehr von der Kooperativen. Das ganze System scheint von einer anderen Spezies annektiert worden zu sein. Doch kurz darauf hat Seven einen telepathischen Kontakt mit Riley Frazier, einer alten Bekannten.


Währenddessen im Q-Kontinuum: Amanda Rogers und Q-Junior, die beiden einzigen ‚Nachfahren‘ der unsterblichen und omnipotenten Q, beginnen eine rätselhafte Entdeckung zu machen. Offenbar ist der Tod Kathryn Janeways ein sogenannter ‚fixer Punkt in der Zeitlinie‘. Das bedeutet, dass Janeways Tod in sämtlichen Paralleluniversen und möglichen Zeitlinien zustande kommt.


Amanda und Q begeben sich in eigener Sache auf die Suche nach einer Erklärung für diesen merkwürdigen Umstand. Sie entwickeln die These, dass Janeways älteres Ich das Multiversum (die Maßstabsebene, in denen die Q denken) irreversibel kontaminierte, als sie ihre Crew früher als eigentlich vorgesehen (durch den Transwarp-Hub der Borg) nachhause brachte. Bald schon, so befürchtet Q-Junior, wird eine mächtige Anomalie entstehen, die die Integrität der Raumzeit bedroht. Um das temporale Gefüge zu schützen, scheint es nur eine Möglichkeit zu geben: Kathryn Janeway muss wieder zum Leben erweckt werden…

 

 

Kritik

 

Der großartige Neustart von Voyager mit Full Circle liegt nun schon einige Bände zurück, und trotz der guten schriftstellerischen Figur, die Kirsten Beyer alles in allem macht, hatte ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, es könnte noch einmal deutlich bergauf gehen. Die Autorin erzählte mit Unworthy und Children of Storm höchst mittelmäßige Einzelabenteuer, durchsetzt von viel belangloser Soap und wenig roter Linie. Viele der Fragen, die Full Circle rund um das Verschwinden der Borg (und damit auch zur Person Seven of Nines) aufgeworfen hatte, wurden nicht mehr aufgegriffen, geschweige denn beantwortet. Nun scheint sich ein langsamer Wind of Change breit zu machen, und obwohl The Eternal Tide noch nicht der große Wurf ist, gelobt der Voyager-Relaunch an vielen Stellen Besserung. Warum?


Ein zentraler erster Punkt ist, dass die Handlung – so seltsam sie teilweise auch anmuten mag – erfrischend mysteriös ist. So viele Zeichen und Wunder; man rätselt ständig mit. Der Leser weiß nicht genau, was es mit den offenbar für das Raum-Zeit-Kontinuum bedrohlichen Todesumständen Janeways oder der entdeckten Anomalie im Delta-Quadranten auf sich hat; ebenso sehr tappt er mit Blick auf Edens Vergangenheit im Dunkeln. Da ist nur die Vorahnung, dass die Flottenkommandantin, die zuletzt immer wieder von eigenartigen Visionen heimgesucht wurde, eine düstere und große Geschichte im Rücken haben muss. Dass all diese Handlungsbögen miteinander konvergieren, ist erst einmal etwas Begrüßenswertes.


Mit dieser ominösen Erzählung, die The Eternal Tide grundsätzlich prägt, geht zweitens einher, dass sie viel persönlicher ist als vorangegangene Bücher. Und die Personen, die hier im Vordergrund stehen, sind auch mit die zentralen Protagonisten in Voyager. Eden und Janeway machen eindeutig den Mittepunkt aus. Dadurch bekommt das allgemeine Geschehen wieder ein natürliches Zentrum. Meiner Meinung nach war es längst an der Zeit, Janeway zurückzubringen.


Drittens versucht Beyer, dem in Peter Davids Before Dishonor willkürlich erschienenen Tod Janeways (hier ging es eigentlich nur darum, mal ein altes Tabu zu brechen und einen Captain umzulegen) eine höhere Note zu verleihen, irgendeinen vernünftigen Grund zu finden, der ihn rechtfertigt und beschreibt. Diese Bestrebung ist im konkreten Fall vielleicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen, aber grundsätzlich zu begrüßen, denn Janeway war im Zuge der Borgeskapaden des TNG-Relaunch ehrlicherweise schlicht verheizt worden – etwas, das später in Destiny einen traurigen Höhepunkt auch mit anderen Figuren und ganzen Welten erfuhr.


Trotz all dieser positiven Markenzeichen ist The Eternal Tide kein Buch, das in die Oberklasse der Star Trek-Romane vordringen kann. Das hat, wie so häufig, eine ganze Reihe von Gründen. Da ich mich mit der Kritik steigern möchte, fange ich beim Einfachsten an: Der Roman nimmt sich deutlich zu viel vor.

 

Elementare Diskussionen im Reich der Q, unterschiedliche Erlebnisse auf den einzelnen Schiffen der Flotte, Edens Suche nach ihrer Herkunft, Janeways Wiederbelebung und das anschließende Temporalabenteuer, bei dem es mal eben darum geht, mit einem Fixpunkt im Multiversum umzugehen, die Wahrheit hinter dem berüchtigten Omega-Partikel lüften und ein ganzes Anti-Q-Kontinuum entdecken, dann der Besuch bei Neelix, die Erzählung rund um Rileys Kolonie… Man droht den Überblick zu verlieren, und angesichts dessen werden auch nicht alle zweit- und drittrangigen Plots zur Zufriedenheit des Lesers aufgelöst.

 

Auffällig ist die stark schwankende schriftstellerische Qualität der einzelnen Handlungsbögen. Während die Szenen auf der Voyager noch sehr authentisch und unterhaltsam herüberkommen, schwächeln andere Plots streckenweise und erwecken durch ihre relative Bewegungslosigkeit den Eindruck, dass sie teilweise nur dazu dienen, das Buch irgendwie auf seine 400 Seiten zu bringen.


Die Rückkehr der Q sehe ich ambivalent. Einerseits ist es eine gute Idee, wieder mit ihnen zu arbeiten, nachdem das unsägliche Q&A ihnen im Prinzip die Daseinsberechtigung entzogen hat. Andererseits hätte die ganze Geschichte sicherlich auch ohne eine in der ersten Hälfte kompliziert eingefädelte Handlung zu temporalen Irrungen und Wirrungen funktioniert. Gerade die Koppelung von Janeways Tod mit der Existenz von Q-Junior beziehunsweise Amanda empfand ich als einen der Tiefpunkte. Schließlich erscheint Janeway in diesem Buch mehr als eine neue Q denn als ehemaliger Voyager-Captain, da erst zum Schluss die persönlichen Begegnungen, zum Beispiel mit Chakotay und Seven, wichtiger werden.

 

Auch ist meinem Empfinden nach gewöhnungsbedrüftig, was am Ende im Zusammenhang mit der Anomalie eröffnet wird: Diese ist nämlich nichts anderes als das entartete Omega-Molekül, das wir ursprünglich aus der Voyager-Folge Die Omega-Direktive kennen. Letztlich offenbart Eternal Tide dem Leser, dass es zwei fundamentale Gegengewichte im Universum gibt: Omega auf der einen und die Q auf der anderen Seite - zwei übermächtige Entitäten, die in Richtung gegenseitiger Auslöschung streben.

 

Diese Handlung an sich wäre neben ihrer Abgehobenheit auch wenig interessant, wenn in ihrem Zusammenhang nicht das Rätsel um Edens Herkunft geklärt würde. Sie, so stellt sich heraus, stammt selbst aus der Omega-Anomalie, daher ihre unnatürlichen biologischen Eckdaten. Omega erschuf sie, um die Q zu zerstören.

 

Edens Vergangenheit wird, wie ich finde, gerade zum Ende hin durchaus spannend entfaltet. Nichtsdestotrotz werde ich den Eindruck nicht los, dass man bei ihrer Figur immer mehr von einem DS9-Charakter abgeguckt hat. Insgesamt fühlt es sich an, als wolle man sie zu einer Art Delta-Quadrant-Odo machen, auf der Suche nach den eigenen Wurzeln in der Ferne. Selbst, wenn die Spurensuche der Flottenbefehlshaberin ein wenig anders funktioniert als Odos Suche nach seinem Volk: Das alles hatten wir irgendwie doch schon mal, oder? Auch in Vanguard gab es bereits eine uralte, mächtige und ominöse Rasse zu besichtigen.


Nicht zuletzt ist Janeways Rückkehr nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte. Die Verkoppelung mit den Q und dem Eden-Plot wirkt übertrieben und hinterlässt das Empfinden, hier wolle auf Biegen und Brechen eine furiose, markerschütternde Rückkehr des alten Captains zelebriert werden. Diese mündet dann in ein Raumzeit-Paradoxon, wie wir es bereits aus der letzten TNG-Doppelfolge kennen. Die Suche nach Erklärungen für dieses (für mich nicht ganz wasserdichte) Phänomen gerade in der zweiten Hälfte des Buches ist zäh. Wie schon gesagt, muss man Beyer zugute halten, dass sie Janeways Tod mit einem Argument versehen wollte. Trotzdem hätte es The Eternal Tide gut getan, wenn dies eine Nummer kleiner gegangen wäre.

 

 

Fazit

 

Man kann also gewissermaßen sagen, dass die Stärken des Buches wesentliche Schwächen beinhalten. Am Ende steht nichtsdestotrotz ein durchaus lesenswertes Werk, das mit einer Hypothek Schluss macht, die Voyager viel zu lange mit sich herumgeschleppt hat: Die Leitwölfin ist wieder zurück. Ein Glück, dass sich die Frage, wie sich Eden und Janeway in Zukunft arrangieren werden, bereits erledigt zu haben scheint…

 

6/10 Punkten.

8-2012