Before Dishonor

Autor: Peter David
Erscheinungsjahr: 2007
Seitenzahl: 400
Band: 4

Zeitraum: 5/2380

 

Inhalt

 

Resistance und Before Dishonor drehen sich beide um die Borg.“, sagt die für den TNG-Relaunch zuständige Pocket Books-Lektorin Margaret Clark im Communicator. „In Q&A darf Jean-Luc Picard forschen gehen, doch entdecken wir in Before Dishonor, dass man den Borg nie den Rücken zuwenden sollte.“ Damit wäre ja bereits das Wichtigste gesagt: Die Borg etablieren sich als feste Größe in einer atmosphärisch ausgesprochen düsteren Second Decade. Doch womit genau beschäftigt sich der Fortsetzungsroman von Resistance?

 

Wir erinnern uns: Im Buch von J.M. Dillard besiegte Picard – mit einem mehr oder minder geglückten Trick – einen im Alpha-Quadranten gestrandeten und vom Hive-Bewusstsein abgeschnittenen Borg-Kubus, welcher es sich zum Ziel gemacht hatte, die Menschheit zu exterminieren. Jetzt treibt der ausgeschaltete Würfel im Raum – und ist begehrtes Untersuchungsobjekt eines Sternenflotten-Spezialkommandos. Admiral Kathryn Janeway – die Borg-Bezwingerin schlechthin – ist da nicht weit. Sie leitet das Außenteam, welches Informationen über das Kollektiv im Allgemeinen und diesen verselbstständigten Kubus im Speziellen sammeln soll. Doch kaum ist sie an Bord des Schiffes, passiert etwas: Sie geht den eigentlich nur ruhenden Kybernetikwesen in die Falle – und wird kurzerhand zur Queen assimiliert.

 

Auf der Erde, Lichtjahre entfernt, ahnt Seven of Nine, was geschehen ist, und da sie auf regulärem Wege das Oberkommando nicht von ihrer Befürchtung überzeugen kann, macht sie sich selbstständig. Ihr Ziel: Der einzige Mensch, der um die unberechenbare Gefährlichkeit der Borg weiß. Jean-Luc Picard, der gerade auf Vulkan zur Einweihung der Sarek-Diplomatenschule verweilt, staunt nicht schlecht, als Seven bei ihm erscheint. Mithilfe der Mentaltechniken eines ziemlich alten Vulkaniers, der mal Captain Kirks XO war, gelingt es, Sevens Vermutung zu bestätigen.

 

Und diesmal ist die Föderation besonders gefährdet: Denn die Borg assimilieren nicht mehr – sie absorbieren. Und zwar alles, was ihnen nützlich erscheint, um daran zu wachsen. Nachdem ein ganzer Akira-Kreuzer mit Haut und Haar geschluckt und Pluto getilgt wurde, stellen die Borg – die sich als Würfel-Kollektiv verstehen und gleichsam neue Generation – ein Ultimatum: Sie fordern die Auslieferung von Picard und Seven. Anderenfalls würde die Erde angegriffen.

 

Vor lauter Verzweiflung gibt das Oberkommando Picard den Befehl, ins Sol-System zu fliegen, um sich den Borg zu übergeben. Doch der Captain widerruft die Order und lässt Kurs setzen auf einen Planeten, der unter strengen Sicherheitsbedingungen besondere Sternenflotten-Funde aus der Geschichte aufbewahrt; so auch einen kleineren Planeten-Killer, den anno dazumal die Enterprise-D in Peter Davids früherem Borg-Roman Vendetta bergen konnte. Jetzt soll er als Verteidigungswaffe gegen die bionischen Invasoren herhalten…

 

 

Kritik

 

Before Dishonor funktioniert nach dem 'The Empire Strikes Back'-Prinzip, zumindest lässt es sich so an. Denn aus ihrer Niederlage in Resistance haben die Borg gelernt und sich darauf eingestellt. Leider wirkt ihre große Rache – trotz Peter Davids Bemühungen, das Dämonische herauszuheben – wenig beeindruckend. Warum sollte sie das auch? Ein Borg-Würfel, der sich selbstständig machte, jetzt Schiffe frisst und später sogar Pluto? Das könnte glatt aus einem schlechten Comic stammen. Ich frage mich mittlerweile, wie verzweifelt Palmieri und Clark mit ihrem Borg-Monsterhype wirklich sind und wie viele Steigerungen des Ewigselben sie noch durchzuführen gedenken? Unter alledem verkommt selbst der (zumindest physische) Tod Kathryn Janeways – übrigens der nunmehr dritte Star Trek-Captain, der mit dem Ableben konfrontiert wird – zur sinnentleerten Geste. Fragen wir uns: Wie konnte es soweit kommen?

 

Punkt eins bleiben die Borg. Überhaupt scheint nicht richtig durch, was da mit diesem Kubus passiert ist. Er hat sich irgendwie ein internes Kollektiv geschaffen, ist also selber zu einem lebendigen Teil der Borg geworden und sieht sich folglich als nächster Schritt in der Evolution der bionischen Wesen an. Was aber an Borg besonders fortschrittlich sein soll, die völlig widersprüchliche Verhaltensweisen an den Tag legen und eine nachgerade Charakterlichkeit, das ist nicht wirklich ersichtlich. Zweifellos eine Altlast von Resistance, das auf einem freilich sehr niedrigen Niveau bereits damit experimentierte, die Natur der Borg abzuändern. Was die Vorgaben von Pocket Books waren, das kann auch Peter David nicht einfach umschiffen. Seine Strategie besteht also darin, einen oben drauf zu setzen, die Borg mit weitaus gefährlicheren Waffen und Methoden darzustellen – und er scheitert. Das offene Ende des Buches ist wenig Freude erweckend, denn es stimmt ein auf eine dritte Borg-Runde in der Second Decade.

 

Punkt zwei betrifft die neuen Crewmitglieder. Obwohl David deutlich mehr Mühe als J.M. Dillard zeigt, ihnen eine Tiefe zu verleihen, kommen Kadohata, Leybenzon und T'Lana leider gar nicht gut weg. Anstatt dass der Leser Sympathie für sie entwickeln kann, verschwören sich die Neuen kurzerhand gegen die Alten, und das lässt das Gefühl aufkommen, Loyalität sei ein geradewegs angeborenes Gut und eine Schneise ginge durch die Führungsmannschaft. Der Grund für ihr Agieren ist indes auch eine Zwickmühle: Denn das Oberkommando hat vom verzweifelten Föderationsrat die Anweisung bekommen, Picard und Seven den Borg auszuliefern – und Kadohata, Leybenzon und T'Lana verstehen sich als Eintreiber der Hierarchie, weil es mit ihrem Pflichtgefühl Picard gegenüber offenbar noch nicht so weit gediehen ist. Wie auch immer: Die ganze Idee ist ziemlich hirnrissig. Denn unabhängig davon, dass der Föderationsrat keine Garantie hat, ob die Borg nach der Auslieferung der beiden Genannten nicht doch auf die Erde losgehen, liest sich ein derartiges Verhalten im humanistischen 24. Jahrhundert alles andere als leichthin. Es wirkt schlicht aus der Rolle gefallen.

 

Noch etwas: In einem Borg-Roman als Nebenfigur Spock zu haben, ist gewöhnungsbedürftig. Denn in vielerlei Hinsicht passt er nicht wirklich in die Szenerie. Und das Dreamteam Picard-Seven im Kampf gegen das Kollektiv einmal vereint zu sehen, ist mehr Symbol denn keimender Inhalt. Mehrere total überflüssige Personen tragen nicht gerade zur Abrundung der Akteurskonstellation bei; man denke nur an Nechayev und Jellico, die in einem Bunker auf der Erde Wetten auf den Untergang abschließen. Überhaupt scheint TNG ohne Gäste aus anderen Serien kaum mehr überlebensfähig, was schon für sich sprechen sollte. Last but not least: Ganz schrecklich – Picards immerwährende Befehlsverweigerungen in Sachen Borg-Thema werden allmählich zum blinden Automatismus. Warum werden denn immer Situationen nach dem First Contact-Prinzip konstruiert?

 

Um auf ein Drittes aufmerksam zu machen: Es fiel bereits das Stichwort 'überflüssig'. Trotz der durchaus erfreulichen vierhundert Seiten ist das Buch an mancher Stelle arg in die Länge gezogen. Szenen wie die sich böse freuende Janeway-Borg-Queen, die sich über etliche Zeilen ziehen, hätte man problemlos weglassen können, denn ein Schockeffekt ist es nur bedingt. Auch das Auftauchen von Grim Vargo ist rundum langweiliger Morast in Before Dishonor, welches man gut und gerne auf dreihundert Seiten hätte komprimieren können.

 

Was mir im Speziellen sauer aufgestoßen hat, war die Darstellung der Privatpersonen Picard und Beverly. Ich denke da insbesondere an eine Szene in ihrem Quartier. Sie reden und flunkern miteinander wie Teenager, und obwohl man sich für sie freuen sollte, dass sie einander ihre Gefühle endlich zeigen und diese ausleben dürfen, zuckt man zusammen, wenn Picard plötzlich Scherze treibt, seiner Freundin leicht zweideutig hinterher ruft, ob er ihr den Rücken waschen solle - oder Anstalten macht, dem Aberglauben zu verfallen. Alles absolute Picard-Tabus!

 

Für Beverly gilt das Gleiche: Beide sind ja nun schon nicht mehr die Jüngsten, und ganz generell widerspricht Peter Davids Figurenzeichnung den Vorgaben. Selbst, wenn Picard in den letzten beiden Kinofilmen, zugegeben, ein wenig humorvoller geworden ist: Eine Überzeichnung ist eine Überzeichnung ist eine Karikatur, und die Karikatur des Privatmenschen Picard führt ganz schnell zu einem Weniger an Würde. Das gilt übrigens genauso, wenn Picard ständig "Merde!" von sich gibt und damit eine seltsame Vorliebe für Fäkalbegriffe an den Tag legt, die sich im Laufe von mehr als einhundertsiebzig TNG-Episoden nie gezeigt hat.

 

Was noch fehlt, ist ein Wort zum berühmten Peter-David-Humor zu verlieren, von dem der Autor gerade in seiner Stammserie New Frontier regen Gebrauch macht. Wie nicht anders zu erwarten stand, versucht David auch Before Dishonor seinen Stempel der dosierten Weltraumkomik an manchen Stellen aufzudrücken. Bedauerlicherweise funktioniert das nur in den seltensten Fällen, sondern hat eher den Effekt, dass den Leser - ähnlich wie bei Picard und Beverly - ein Gefühl der Befremdung beschleicht. Der von David vor allem als selbstkritische Anspielung auf manchen Common Sense in Star Trek konstruierte Humor ist zu einem großen Teil schon deshalb verfehlt, weil er sich mit der ernsten globalen Handlung von Before Dishonor kaum verträgt. Dann wieder sind manche Einlagen dermaßen infantil, dass man sich auch eine Sci-Fi-Satire hätte angucken können.

 

Die Gemengelage sieht nicht gut aus. Fragen wir also anders: Was hat Peter David, zumal in Anbetracht der schlechten Ausgangslage für die Story, gut gemacht? Er nimmt viele Details auf. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang die Querverbindung zu Vendetta, der TNG-Folge um den Borg Hugh, aber auch eine Lady Q, welche Janeway ins Gewissen spricht und sie vor ihrem drohenden Scheitern warnt. Womöglich hat sie auch ein Interesse an der Admiralin. Die deckende Position Picard gegenüber kann als Nachklapp zu Q&A begriffen werden. Auch ist es erfreulich, dass sowohl Picard als auch Janeway in dem Buch eine Nuance von Fehlbarkeit und innerer Zerrissenheit erhalten.

 

Durch all das bekommt Before Dishonor eine deutlich komplexere Note, wenngleich die kläglich-platte und brachiale Grundgeschichte am Ende das Meiste unter sich begräbt. Der zumindest physische Tod Janeways indes zeigt, dass ganz schleichend ein bislang geltendes Tabu gebrochen wurde: nämlich einen Stammcharakter zu opfern. Solange das Verscheiden von Serienprotagonisten nicht pathologisch wird, macht die Aufhebung des 'Überlebensdogmas' künftige Geschichten vielleicht interessanter, da unberechenbarer. In diesem speziellen Fall allerdings nicht.

 

 

Fazit

 

Nach KRAD jetzt Peter David. Selbst die ganz Großen im TrekBook-Business scheinen sich die Zähne an der Second Decade auszubeißen. Keine Frage, die Anti-Muse (= Perspektivlosigkeit und dadurch mangelnde Inspiration) ist der Feind eines jeden Autors. Und das macht uns Before Dishonor – die nunmehr dritte Flaute in Folge – nur allzu deutlich.

 

Doch waren bei Q&A und insbesondere Resistance noch handwerkliche Fehler auffällig, kann das bei Before Dishonor von Peter David nur bedingt kritisiert werden. In vielerlei Hinsicht scheint er sich sogar Mühe zu geben, möglichst viel aus dem Stoff herauszuholen – und landet trotzdem auf dem Bauch. Damit ist, für mich zumindest, bewiesen, dass die Wurzel des Übels tiefer liegt. Was schon mit Resistance hinten und vorne nicht aufgegangen ist, kann mit einem Borg-Fortsetzungsroman nur schief gehen.

 

Was nun? – Die Second Decade als einziger Borg-Plot? Mir dreht sich schon jetzt der Magen um. Übrigens: When I was at your age Pluto was a planet!

 

4/10 Punkten.

2-2008