2081-2151: Ära der Weltraumnomaden

 

 

Die Verbindung von Zefram Cochranes Warpantrieb und dem infolge des Ersten Kontakts (2063) entstandenen Handelsabkommen mit den Vulkaniern (Mitte der 2070er Jahre) eröffnet der Erde im späten 21. Jahrhundert den Zugang zu mehreren großen Handelsstraßen in ihrem stellaren Umfeld. Dies bietet die Aussicht, Ressourcen heranzuschaffen, die auf dem durch den Dritten Weltkrieg schwer geschundenen Blauen Planeten dringend zum Wiederaufbau benötigt werden. Unterstützt durch die verbliebenen irdischen Regierungen, entstehen um 2081 die Earth Cargo Services, ein multinationales privates Firmenkonglomerat mit dem Ziel, Güter im interstellaren Raum zu befördern. Die Sternenflotte ist noch lange nicht gegründet, und die Erde besitzt keinerlei Erfahrungen mit dem Weltraum oder (abgesehen von den Vulkaniern) dort lebenden und arbeitenden Spezies. Nur wenige Wagemutige finden sich, die willens und in der Lage sind, ihr Leben im ewigen Vakuum zu verbringen, um mit riesigen, langsamen Frachtschiffen zwischen den Handelsknotenpunkten zu verkehren. Es beginnt die Ära der sogenannten Weltraumnomaden. Sie sind es, die für die Menschen die Tür zu den Sternen aufstoßen.

 

 

Die Earth Cargo Services

 

Ein wichtiger Impuls, der frühzeitig die Bildung einer übergeordneten, multilateralen Handelsgesellschaft nahe legte, war der Umstand, dass die Vulkanier deutlich gemacht hatten, nicht mit einzelnen Nationen der Erde separate Handelsverträge abschließen zu wollen. Stattdessen entstand ein fundamentales Handelsabkommen, das die gesamte Erde umfasste. Dazu erwarteten die Vulkanier den Aufbau eines gemeinsamen, weltumspannenden Konsortiums, da sie nur mit einer geeinten Erde wirtschaftlichen Austausch betreiben wollten.

 

Obwohl es bis 2090 auch noch ein paar andere Firmengründungen bzw. -zusammenschlüsse gab, setzten sich die Earth Cargo Services (E.C.S.) als einziger tragfähiger Verbund durch, der imstande war, das nötige Risikokapital aufzubieten. Der interstellare Handel war ein Geschäft, das mit großen Unwägbarkeiten und Risiken verbunden war, und es fehlten entsprechende Erfahrungen, um die Erfolgsaussichten abzuschätzen. Offiziell waren die E.C.S. der Transportbehörde der Erde unterstellt, die jedoch (aufgrund der Eigenständigkeit und großen Entfernung der E.C.S.-Frachter) faktisch nie einen nennenswerten Einfluss auf ihre Geschäftspolitik hatte. Bis zum Beginn des 22. Jahrhunderts hatten die E.C.S. mehrere Dutzend großer, speziell für den interstellaren Frachtflug genormter Schiffe angeschafft und diese zu günstigen Konditionen an jene Personen weiterverkauft oder -vermietet, die sich bereiterklärten, für die Gesellschaft tätig sein zu wollen.

 

Das Prinzip der E.C.S. sah vor, dass jede Frachtercrew ihr eigenes Schiff unterhalten sollte. Die Gesellschaft vergab über die Transportbehörde Lizenzen an diese Crews, die als Handels- und Aktivitätserlaubnis fungierten. Wenn Frachter hinter dem Zeitplan lagen, wichtige Rendezvous mit Kunden verpasst hatten oder nicht den erwarteten Umsatz erwirtschafteten, trat üblicherweise die Transportbehörde auf den Plan, um Mahnungen auszusprechen. Im Extremfall sahen die Statuten der Gesellschaft den Entzug einer Lizenz vor, wenn das definierte Soll (Anlieferung oder Abtransport von Gütern in einem vorgegebenen Zeitraum) nicht erfüllt wurde.

 

Da die Frachtercrews weitgehend als selbstständige (Sub-)Unternehmer agierten, trugen sie ein hohes Risiko, waren aber zugleich relativ frei im Ausloten bzw. Aushandeln neuer Geschäfte. So waren sie z.B. berechtigt, bestehende Ware, die in den Frachträumen befördert wurde, gegen lukrativere Rohstoffe, die auf der Erde benötigt worden, zu tauschen. Hierzu gaben die E.C.S. in regelmäßigen Abständen bestimmte Referenzlisten heraus, die die Handlungsspielräume der Frachtercrews umrissen. Wenn es erfolgreich gelang, zusätzliche Geschäfte zum Nutzen der Gesellschaft abzuschließen, waren den Transportarbeitern kräftige Bonuszahlungen sicher. Dieses auf das Marktgeschehen setzende Prinzip sollte zu einer sukzessiven Ausweitung und Belebung des interstellaren Frachtgeschäfts der Erde führen.

 

Die Schiffe, die für die E.C.S. arbeiteten, waren sehr langsam. Zunächst waren sie gerade so zu Warp eins in der Lage. Später entstand die J-Klasse, die aufgrund eines stärkeren Antriebs nicht nur immerhin Warp eins Komma acht erreichte, sondern deren Transportkapazitäten auch deutlich größer waren. In der ersten Hälfte des 22. Jahrhunderts gesellte sich noch die modernere und längere Y-Klasse hinzu, sodass sich die E.C.S. in ihrer Hochphase hauptsächlich auf zwei bewährte Frachtermodelle stützten.

 

Die E.C.S. Horizon, die zu einem späteren Zeitpunkt von der Familie Mayweather betrieben werden sollte, gehörte zu den allerersten Frachtschiffen der J-Klasse und wurde im Jahr 2103 in Dienst gestellt. Bei den ersten E.C.S.-Schiffen war noch Zefram Cochrane selbst in die Entwicklung des Triebwerks involviert gewesen, da der Warpantrieb zu dieser Zeit noch etwas Exklusives gewesen war. Die E.C.S.-Frachter funktionierten im Prinzip wie Güterzüge oder Lastwagen mit Anhänger – die relativ kleine Frontsektion enthielt das eigentliche Schiff mit Triebwerk und Mannschaftsquartieren. Die Fracht wurde in einzelnen Modulen an die Frontsektion angekuppelt. Da die Jobs hart waren, stand keine große Zahl an Mannschaftsmitgliedern zur Verfügung – die meisten Schiffe waren nicht voll besetzt. Deshalb war es normal, dass ein Crewman mehrere Funktionen innehatte. Im Extremfall übten einzelne Besatzungsmitglieder bis zu fünf Aufgabenbereiche wie z.B. Chefingenieur oder Sanitäter aus.

 

 

Leistung und Kultur der Weltraumnomaden

 

Die E.C.S.-Frachter gehörten zu den ersten irdischen Raumschiffen, die einen Warpantrieb einsetzen konnten. Auf diese Weise wurde es möglich, benachbarte Sonnensysteme zu erreichen. Doch selbst Alpha Centauri, der nächste Stern, war damit noch Monate, wenn nicht Jahre, entfernt. Obwohl die Limitationen des Warpantriebs auf Jahrzehnte bestehen blieben, gelang es der E.C.S., die Solidität ihrer Schiffstypen soweit zu stärken, dass diese in der Lage waren, äußerst lange Flüge weitgehend autark und ohne allzu großen Energieverbrauch zu absolvieren. Hierdurch wurde es möglich, ausgedehnte Transporte bis nach Draylax, die Monde von Teneebia, Deneva, Denobula oder Trillius Prime durchzuführen. Somit wurden die Frachtercrews die ersten Menschen, die den Kontakt zu anderen Völkern herstellten. Bis Mitte des 22. Jahrhunderts hatten die E.C.S.-Schiffe eine Region sporadisch erkundet, deren Radius ungefähr 25 Lichtjahre um die Erde betrug. Zudem versorgten die Frachter irdische Kolonien mit Gütern, darunter Vega, Altair oder Proxima. 

 

Aufgrund der Länge der Frachtflüge hatten die Frachtercrews ein ganz anderes Verhältnis zu ihren Schiffen, auf denen sie die meiste Zeit ihres Lebens verbrachten. Im Laufe mehrerer Generationen bildete sich eine eigenständige Lebensweise heraus, deren Elemente das eigene Schiff als zentraler Bezugspunkt, enorm begrenzter Raum und begrenzte Ressourcen, fehlende Unterstützung von außen oder insbesondere ein starkes Gruppengefühl waren. Viele Crews, die ursprünglich nur zusammengekommen waren, um gemeinsam Geld zu verdienen, verschmolzen zu regelrechten Frachterclanen, die ihre Schiffe über Generationen betrieben und deren Kinder an Bord von Transportschiffen zur Welt kamen und aufwuchsen. Diese Personen, die später mal als 'Weltraumnomaden' bezeichnet werden sollten, folgten einem harten Arbeitsethos, der Leistung, Kameradschaft und Entbehrungsbereitschaft groß schrieb. Allerdings wurde bei ihnen auch ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber Regierungsorganisationen wie die Transportbehörde und später auch die Sternenflotte immer ausgeprägter.

 

Da die Familien an Bord ihrer Frachter etliche Lichtjahre von der Erde entfernt lebten und oft über Jahre auf sich selbst gestellt waren, war es unvermeidlich, dass sie eigene Lösungen finden mussten, um ihr Überleben zu sichern. Diese Lösungen standen gelegentlich im Widerspruch zu den Statuten und Vorgaben der E.C.S. oder auch der irdischen Politik. So waren manche Geschäftspraktiken nicht immer lauter; es gab manchmal den Versuch, Gewinne an der Muttergesellschaft vorbei einzustreichen. Zudem führten vermehrte Angriffe durch Piraten (insbesondere Nausicaaner) auf den Handelsrouten dazu, dass die Nomaden ihre Schiffe mit Waffen ausstatteten, obwohl diese nicht zu den ursprünglichen Spezifikationen der E.C.S. gehörten (hier entwickelte die Gesellschaft im Laufe der Zeit eine gewisse Toleranz für Updates). Weil die Männer und Frauen an Bord der Transporter wussten, dass sie von niemandem Hilfe erwarten konnten, tendierten sie dazu, Probleme auf ihre eigene Weise zu regeln, was zum Beispiel brutale Abschreckungsaktionen, Entführungen oder auch Rachefeldzüge einschloss.

 

 

Das Auftauchen der Sternenflotte

 

Dieses autarke, eigenbrötlerische Denken und Handeln, das in den Anfängen der interstellaren Handelsflüge nahezu zwingend angelegt gewesen war, wurde später zum Problem, als die Sternenflotte gegründet worden war. Im Jahr 2151 brach die Enterprise, NX-01, erstes Schiff mit einem Warp-fünf-Antrieb, auf und hatte, wie bereits Sternenflotten-Schiffe vor ihr, einige unliebsame Begegnungen mit rücksichtslos handelnden Frachtercrews, die im Umgang mit Piraten und unliebsamen Geschäftspartnern einen ausgeprägten Hang zur Selbstjustiz demonstrierten. Dies nahm die (zwischen 2135 und 2147 entstandene) Weltregierung auf der Erde endgültig zum Anlass, in den kommenden Jahren neue Gesetze und Regularien zu erlassen. Die Vorschriften zielten darauf ab, das Vorgehen und Verhalten irdischer Schiffe stärker zu strukturieren und ermächtigten die Sternenflotte, einen allgemeinen Verhaltenskodex bei sämtlichen von der Erde stammenden Schiffen verbindlich durchzusetzen. Die Weltregierung sah nämlich die Gefahr, dass sich das Agieren eigenmächtig handelnder Frachtercrews eines Tages zum Nachteil der gesamten Erde auswirken mochte und tolerierte entsprechend das Eigenbrötlertum der Weltraumnomaden nicht länger. So erhielt die Sternenflotte die Aufgabe, über die Einhaltung der generellen Regularien zu wachen, und wurde autorisiert, gegen widerspenstige E.C.S.-Schiffe vorzugehen, was mitunter einen Eingriff in die bisher geltende Handelsfreiheit und die Geschäfte der E.C.S. bedeutete.

 

Langfristig ebnete die Gründung der professionell agierenden Sternenflotte in Verbindung mit dem Warp-fünf-Antrieb der Vereinigten Erde den Weg in den Tiefenraum, der bis zur Mitte des 22. Jahrhunderts nicht zugänglich gewesen war. In dieser Zeit begann eine massive Neuorganisation der irdischen Raumfahrt. Die alten Frachterclane im E.C.S-Kontext verloren rapide an Bedeutung, seit die Sternenflotte sich in immer umfassenderer Weise der Erschließung des Alls annahm und die Raumfahrt stärker zu regulieren begann, welchen die Raumnomaden bis dahin ein Dreivierteljahrhundert lang ungestört beflogen hatten.

 

Diese strukturelle Neuausrichtung lief nicht ohne Wachstumsschmerzen ab. So gab es zwischen der Sternenflotte und den E.C.S.-Angehörigen in den ersten Jahren nach dem Start der Enterprise beträchtliche Rivalitäten. Die Frachterfamilien empfanden die Sternenflotte, die nun in der Lage war, erheblich schneller als ihre trägen, oft veralteten Transporter zu fliegen, und als staatliche Institution verschiedenste Missionsprofile wahrnehmen konnte, als Bedrohung ihres angestammten Geschäftsfeldes, das tatsächlich durch die veränderten Rahmenbedingungen zusehends unter Druck geriet. Zudem fühlten sich viele Frachterfamilien durch die Sternenflotte bevormundet und in ihrem angestammten Lebensstil beschnitten, obwohl den meisten klar war, dass eine neue Phase der irdischen Raumfahrt sich ankündigte. Mittel- und längerfristig war eine weitere Ausweitung der Sternenflotte die Folge, indem viele der E.C.S.-Mitglieder im Laufe der Zeit in die Raumflotte aufgenommen wurden und dort einen Fracht- und Logistikarm begründeten. Allerdings geschah dies auf Kosten des Wettbewerbs. 

 

 

Vermächtnis und Bedeutung

 

In gewisser Hinsicht war die Gründung der E.C.S. ein entfernter Vorläufer der irdischen Weltregierung und der auf diesem Fundament gegründeten Sternenflotte. Weil sich die Vulkanier dagegen sträubten, separaten Handel mit einzelnen Nationen zu fördern, wurde hier ein übergeordneter Zusammenschluss aller Nationen und Gruppen frühzeitig notwendig. Die Leistungen, die die Weltraumnomaden in Jahrzehnten vollbracht haben, können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zum einen halfen sie mit ihren Transportflügen, für die sie ihr Leben hergaben, ganz handfest beim Wiederaufbau der Erde. Zum anderen agierten sie als Pioniere im umliegenden Weltraum und stellten auf ihrer Suche nach neuen, lukrativen Geschäften Kontakte zu einer Reihe von Völkern her. Auf diesem fruchtbaren Boden würde die Arbeit der Sternenflotte beginnen.

 

 

Referenz

TOS TNG DS9 VOY ENT ST-Romane/Comics
        1x01 Lay Down Your Burdens (STC)
        1x02 Apotheosis #3 (STC)
        1x10  
        2x20