Architects of Infinity

Autorin: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: 2018
Seitenzahl: 400
Band: 8.13

Zeitraum: 8/2382

 

Inhalt

 

Das neue und vorletzte Buch des Voyager-Relaunch beginnt mit einem Subraum-Ferngespräch zwischen Kathryn Janeway und dem Sternenflotten-Hauptquartier an. Hierbei ergibt sich die Gelegenheit, die dramatischen Geschehnisse des letzten Buches, A Pocket Full of Lies, Revue passieren zu lassen und sich der einen oder anderen persönlichen Entwicklung zu erinnern. Da stellt man sich als Leser unweigerlich die Frage, ob hier eventuell zugleich irgendeine Art von Foreshadowing betrieben wird. Admiral Janeway ist immerhin nach wie vor äußerst besorgt über das Krenim-Imperium und seine Fähigkeit, die Zeit nach Lust und Laune umzuschreiben. Doch wer eine tatsächliche Anknüpfung an die vorangegangene Story erwartet, muss sich eines Besseren belehren lassen: Die ganze Materie rund um die letzte Mission wird kurzerhand an das Amt für Temporale Ermittlungen weiter geleitet, und die Full Circle-Flotte hat offenbar nichts mehr damit zu tun, jedenfalls fürs Erste. Die Forschungsreise geht stattdessen in neuen Gefilden weiter.

 

Kurz darauf kristallisiert sich dann auch heraus, wie es mit der Forschungsexpedition im Delta-Quadranten weiter geht: Seven of Nine lokalisiert auf einem offenbar unbelebten Planeten, dem sie die Bezeichnung DK-1116 gibt, ein neuartiges Element. Hinzu kommt, dass die unwirtliche Welt sich in einem binären Sternensystem befindet. Dort hat sie als scheinbar einziger großer Himmelskörper eine Katastrophe überstanden, welche vor langer Zeit die übrigen Planeten des Systems in eine Ansammlung interstellaren Schutts verwandelte. Die Spur wird wärmer, und nach einer genaueren Investigation mithilfe der Sensoren ergibt sich, dass vor Tausenden Jahren irgendwer eine größere Zahl von Kraftfeldkuppeln auf der planetaren Oberfläche eingerichtet hat, unter denen atembare Atmosphären und unterschiedliche Ökosysteme konserviert wurden. Zur Erforschung dieser fremden Biosphärentechnologie sowie der konservierten Flora werden mehrere Schiffe der Sternenflotten-Formation abkommandiert. Nichts deutet darauf hin, dass der Aufenthalt auf dem Planeten irgendwem gefährlich werden könnte, und so wird der Forschungsauftrag auf Chakotays Vorschlag hin von Janeway mit einem großzügigen Landurlaub verbunden.

 

Beim Planeten angelangt, werden mehrere Außenteams zusammengestellt, die DK-1116 einen Besuch abstatten sollen. Die spektakulärste Entdeckung macht dabei - wenig überraschend - jenes Team, das aus den leitenden Wissenschaftsoffizieren besteht. Unter der Wasseroberfläche eines Sees machen die vier Szientisten eine ähnliche Entdeckung wie Seven of Nine und Ensign Aytar Gwyn bei einem Shuttleflug zum inneren Asteroidengürtel des Binärsystems: Weder der sonderbare Kataklysmus noch DK-1116 sind auf natürlichem Wege entstanden. Alles deutet darauf hin, dass einst andere intelligente Wesen auf dieser Welt gelebt haben. Doch bald wird klar, dass die Geheimnisse, die auf DK-1116 vergraben liegen, Teil eines größeren Rätsels sind – eines, das auf die Existenz einer Spezies hindeutet, deren Macht, die Galaxis umzugestalten, selbst die der Krenim klein erscheinen lässt…

 

 

Kritik

 

Da A Pocket Full of Lies eine abgeschlossene Geschichte erzählte, irritiert am Beginn von Architects of Infinity die ungewöhnlich ausführliche Rekapitulation der Geschehnisse des Vorgängerromans. Sie ist fehl am Platze und erzeugt vor allem eine falsche Erwartung beim Leser. Tatsächlich geht es im vorliegenden Werk um ein neues, für sich stehendes Abenteuer. Im Grunde hat man hier den Forscherdrang wieder in den Vordergrund gestellt, denn es geht diesmal um einen ominösen Planeten, den es zu entdecken und ergründen gilt – und nebenher wird der auch noch für Landurlaub genutzt (somit lässt in gewisser Weise die TOS-Episode Landurlaub grüßen, wo die Kirk-Crew ebenfalls auf einen eigenartigen Planeten stieß). Fraglos ist das Rätsel um die Biosphären beziehungsweise deren Erbauer prinzipiell interessant, ebenfalls die teils regenerativen Eigenschaften des Planeten, die ein wenig Assoziationen mit Ba’ku aus dem TNG-Film Der Aufstand wecken. Es zeichnet sich relativ früh ab, dass diese heilenden Fähigkeiten für die Rekonvaleszenz eines eines verletzten Crewmitglieds genutzt werden dürften.

 

Ohne allzu viel zu verraten, muss ich aber doch meinen Unmut darüber bekunden, dass man als Leser letztlich ohne echte Auflösung des Planeten- und Erbauer-Mysteriums zurückgelassen wird, und da der VOY-Relaunch sich dem Abschluss nähert, gibt es auch nur wenig Hoffnung, dass diese Geschichte mit weithin offenem Ende noch einmal aufgegriffen werden wird. Dass Beyer zu glauben scheint, der Leser müsse diese Kröte eines so ungelösten Endes einfach schlucken, wo sie ihn zunächst neugierig gemacht hat, ist gerade bei einer so erfahrenen und talentierten Schriftstellerin schon etwas billig. Die Autorin macht es sich deutlich zu leicht, denn sie verzichtet nicht nur auf die Erklärung eines nicht-trivialen Phänomens, sondern auch darauf, darzustellen, warum es bitterschön für die Protagonisten so unerklärbar sein soll. Wie leider so manche Beyer-Bücher in der Vergangenheit scheint der vorliegende Roman erneut mit der Prämisse geschrieben worden zu sein: Bitte keine W-Fragen stellen. Wenn man schon ein Mysterium konstruiert möchte, das über die Geschichte hinaus Bestand hat, so hätte man dies anders tun müssen.

 

Da es, Star Trek-typisch, um die Erforschung des fremden Planeten geht, die erst vergleichsweise spät in eine ernste Situation mündet, wandelt die Geschichte auf ziemlich ruhigen Pfaden, was tendenziell Platz für Charakterarbeit lässt. Entsprechend werden bestimmte Figuren in den Mittelpunkt gerückt. Mit einigen von ihnen weiß Beyer eindeutig etwas Sinnvolles anzufangen und ihre Charakterbögen weiterzuspinnen. Eine Besonderheit von Architects of Infinity ist, dass sich ein Großteil des Romans eher mit Personen aus der zweiten und dritten Reihe befasst, die im Zuge des VOY-Relaunch laufen lernten und nicht zur ursprünglichen Crew der Voyager gehören.

 

Sucht man nach prägenden Figurenkonstellationen in dem Buch, so stehen für mich auf der Haben-Seite ganz klar Chefingenieurin Nancy Conlon und Harry Kim. Die lebensgefährlich erkrankte Conlon erwartet ein Kind, das sie nicht möchte; selbst ist sie jedoch nicht mehr in der Lage, ihre Selbstbestimmung wahrzunehmen. Hier haben wir es, wenn man so will, mit der Überschrift ‚Abtreibung‘ zu tun, die zudem gleich in doppelter Hinsicht vorkommt. Denn es wird auch die Abtreibung der Halb-Kriosianerin Aytar Gwyn erwähnt, welche dies als Jugendliche vornahm bzw. von ihrer Mutter dazu gedrängt wurde. Dies stellt einen bewussten Kontrast zur Geschichte um Conlon dar, um aufzuzeigen, wie komplex und vielschichtig die Thematik ist. Zweifelsohne wird die Problematik auch gut eingefangen und ist an dieser Stelle so etwas wie Star Trek in Reinkultur, selbst wenn die Auflösung ein wenig enttäuscht, denn hier hat man gar keine andere Wahl, als das Kind zu retten und der Mutter die Entscheidungsgewalt abzunehmen. Ein wenig zwischenmenschliche Dramatik wird im letzten Drittel des Buches dadurch erzeugt, dass Gwyn, indem sie der lebensbedrohlich erkrankten Conlon bei der Heilung zu helfen sucht, selbst erhebliche gesundheitliche Risiken eingeht. Dank Gwyn erhält man auch Einblicke in die kriosianische Kultur, was ich als weiteren Pluspunkt verbuche. Auch Icheb erhält in diesem Buch seinen Part und wird geschickt mit Fähnrich Gwyn verknüpft. Hier wird er mit seiner aufkommenden Homosexualität konfrontiert, die in vergangenen Romanen am Rande erwähnt wurde, doch hier erstmals etwas tiefer gehend thematisiert wird.

 

Ansonsten fehlt teils der verbindende Faden zwischen Leser und manchen weniger bekannten Charakteren. Denn wo Beyer zu Anfang eine ausschweifende Zusammenfassung des vergangenen Romans leistet, lässt sie es vermissen, einige der handelnden Personen gebührend einzuführen. Das Problem der gemischten Außenteams, die DK-1116 untersuchen, besteht darin, dass an ihnen auch sehr viele Offiziere der vier Schiffe teilnehmen, zu denen man als Leser bislang wenig Bezug hatte, die zumeist in zweiter Reihe standen oder noch gar nicht vorgekommen sind. Bis auf Lieutenant Devi Patel, die einen Landtrupp anführt, bleiben diese Personen eher sehr blass. Auch das Agieren Patels erscheint oftmals künstlich und beinahe ein wenig dümmlich.

 

Die anderen Charakterszenen sind zumeist Kleinigkeiten und eher Beiwerk. Ich gestehe gerne, dass mich das heile Familienidyll von Torres und Paris ein wenig gelangweilt hat; ähnliches gilt für die Szenen zwischen Janeway und Chakotay, die einfach nicht viel Neues im Verhältnis der beiden Figuren mitgebracht haben.

 

Trotz mancher charakterlicher Lichtblicke und des Leitthemas ‚Abtreibung‘ finde ich, dass die Handlung eindeutig zu dünn für eine Geschichte in Romanlänge ist, zumal die ganzen Nebenhandlungsstränge einzelner Figuren letztlich nichts zur Lösung des Planeten-Rätsels beitragen und genauso gut in einer anderen Story hätten erzählt werden können. Somit kommt eine unausgegorene Mischung an Inhalten heraus, die sich schwerlich unter eine gemeinsame Klammer bringen lassen. Diese Art von wildem Gemischtwarenladen beschrieb leider schon so manchen der zurückliegenden VOY-Romane.

 

 

Fazit

 

Man könnte es positiv framen, indem man sagt: Dieses Buch ist nach all den Turbulenzen der letzten Missionen mal ein bewusst entschleunigter Forschungsauftrag für die Voyager und ihre Flotte oder primär Charakterstudie und weniger Abenteuer. Aber das wäre Schönfärberei. Charakterseitig war der Komplex zum Thema Abtreibung stark, allerdings klar zu wenig, um einen ganzen Roman zu rechtfertigen. Die eigentliche Forschungsmission ist eine herbe Enttäuschung und löst nichts groß auf. Somit bleibt am Ende der Eindruck, dass nicht allzu viel passiert ist und man über die Architekten der Unendlichkeit kaum mehr weiß als zu Beginn.

 

Leider komme ich nicht umhin, mein ohnehin eher negatives Urteil über diese Geschichte vor dem Hintergrund meiner inzwischen eingesetzten Ermattung über Beyers fortgeschrittenen VOY-Relaunch zu sehen. Denn eine Reihe der zurückliegenden Romane waren eben keine Überflieger, hatten Längen oder waren schlichtweg nur begrenzt interessant. Andere wiederum hatten maue Auflösungen wie insbesondere der mit Protectors beginnende Dreiteiler. Bei mir ist somit die Bereitschaft ein gehöriges Stück geschwunden, mich mit ständigen Fortsetzungen aus Beyers Feder auseinanderzusetzen, die irgendwie weder Fisch noch Fleisch sind. Zweifellos hat Beyer das große und bleibende Verdienst, dereinst den VOY-Relaunch nach Destiny reanimiert zu haben. Sicher wäre es aber klug gewesen, auch andere Autoren in den Relaunch einzubinden, um für etwas frischen Wind zu sorgen. Vielleicht war die VOY-Fortsetzung in den letzten Jahren auch einfach zu ziellos unterwegs und hätte mehr narratives Rahmenwerk nötig gehabt.

 

Ganz zum Schluss kracht es dann doch noch, und es bleibt nur noch der Ausblick auf ein neues und finales Abenteuer der Full Circle-Flotte. Hoffentlich wird der Abschluss besser…

 

4/10 Punkten.

6-2022