To Lose the Earth

Autorin: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: 2020
Seitenzahl: 360
Band: 8.14

Zeitraum: 9/-11/2382

 

Vorbemerkung

 

Da mit dem Aufkommen neuer Star Trek-Streaming-Serien im 24. Jahrhundert der Stab über die zwanzig Jahre nahezu eigenständigen Serien-Relaunches von TNG, DS9 und VOY gebrochen wurde, kommt die Kontinuität der Roman-Fortsetzungen zu einem Ende, und auch Voyager hat mit To Lose the Earth sein Finale erreicht.

 

Inhalt

 

Eine ganze Weile ins wieder ins All gezogen seit Kirsten Beyers letztem Buch, Architects of Infinity. Das ist insofern relevant, als To Lose the Earth in direkter Weise an diese Geschehnisse anschließt. Man sollte sich also noch einmal dringend in Erinnerung rufen, was im zurückliegenden Roman so alles passiert ist.

 

Hier eine kleine Rückschau: Auf den letzten Seiten von Architects of Infinity bestaunten die Mannschaft der vier beauftragten Raumer der Full Circle-Flotte (Voyager, Vesta, Demeter, Galen) die Hinterlassenschaft eines von den ominösen Edrehmaia auf dem Planeten DK-1116 zurückgelassenen Mechanismus. Dieser bewirkte es, dass ein Stern des Sonnensystems aus seiner Position katapultiert und auf eine Fahrt durchs All geschickt wurde. Kaum war dies erfolgt, erschien wie aus dem Nichts ein kugelförmiges Gebilde, das ohne Vorwarnung auf die U.S.S. Galen feuerte und das Schiff (vermeintlich) vernichtete.

 

Nun erfahren wir allerdings, dass die Galen zwar beschädigt, aber intakt ist und anderswohin teleportiert wurde, nämlich in einen unbekannten Winkel des Delta-Quadranten. Aufgrund der schwerwiegenden Verletzungen des Captains schlägt Harry Kims Stunde, der kurzerhand den Befehl über das verunglückte Hospitalschiff übernimmt. Zur Erinnerung: Kim befand sich lediglich an Bord, weil seine Gefährtin Nancy Conlon an einer schweren degenerativen Krankheit leidet und ihr gemeinsames Kind – ein erst wenige Wochen alter Fötus – in einem Inkubator heranwächst. Jetzt steht Kim vor der Herausforderung, die Galen zu reparieren und einen Kontakt mit dem in der Nähe des Schiffes befindlichen Edrehmaia herzustellen.

 

Die drei übrigen Schiffe finden indes heraus, dass die Galen womöglich doch nicht zerstört wurde. Als die Voyager und ihre Begleitschiffe Hinweise auf eine Teleportation entdecken, ermitteln sie auf DK-1116 weiter nach den Edrehmaia. Letztlich ergibt sich ein Weg, wie man erneut deren Interesse wecken könnte, um mit ihnen in Kontakt zu treten…

 

 

Kritik

 

Kam der letzte Roman eher schwerfällig in Bewegung, überstürzen sich die Ereignisse nun geradezu. Ehe man als Leser einigermaßen Revue passieren lassen kann, was sich alles im letzten Buch abgespielt hat, befindet man sich an Bord der Galen, wo Harry Kim gefühlt an allen Fronten gleichzeitig kämpfen muss wie ein kleiner Superheld. Schade und enttäuschend ist, dass Kim und die Galen trotz all ihrer Bemühungen am Ende kaum etwas zur Lösung des Dilemmas beitragen werden.

 

Dennoch: Der Druck auf Kim ist hier enorm. Während er den Befehl der ordentlich ramponierten Galen übernimmt und eine schwierige Erstkontaktmission leiten muss, hat Kim zu verkraften, dass seine Freundin infolge einer besonderen medizinischen Behandlung ihre Erinnerungen an ihn verliert. Es ist insofern über Strecken des Buches völlig ungewiss, ob beide Figuren ihr persönliches Happy End erleben werden.

 

Neben Kim stehen die neuen Charaktere Aytar Gwyn und Devi Patel im Vordergrund, die sich ihre platonischen Gefühle füreinander eingestehen. Entgegen der Erwartungen werden sie also kein Liebespaar. Leider ist rückwirkend der Moment, da Gwyn den Tod ihrer Freundin ansehen muss (und auf dem zu lange herumgeritten wird), komplett entwertet. Andere Personen haben zwar auch mitunter ein paar kleinere Szenen; so dürfen etwa O’Donnell und Atlee Fife erneut auftreten. Der Schwerpunkt liegt jedoch klar auf den vier erstgenannten Figuren.

 

Negativ aufgestoßen hat das Verhalten von Admiral Janeway und Captain Farkas gegenüber Doktor Sal, der Vesta-Chefärztin. Tatsächlich las ich in To Lose the Earth nichts Kritisches über ihre medizinische Behandlung von Nancy Conlon und Aytar Gwyn, obwohl das ganz sicher ein Fall für eine Ethik-Kommission gewesen wäre.

 

Einige Charakterentwicklungen wirken aufgrund des Wissens der Autorin um das nahende Ende des Voyager-Relaunch seltsam abgewürgt und dahin gebogen. Ein gutes Beispiel ist Reginald Barclay, der eigentlich die letzten Romane immer selbstsicherer und stabiler wurde, hier aber fast schon wieder der Hypochonder aus TNG-Zeiten ist. Auch die Hochzeit von Janeway und Chakotay wirkt ein wenig wie auf den letzten Metern erzwungener Kitsch, um eine Art von Ende gut, alles gut-Feeling zu erzeugen. Musste das unbedingt sein? In meinen Augen nicht.

 

Natürlich kann man dieses Buch nicht rezensieren, um über die Auflösung des Edrehmaia-Rätsels und den Abschluss der bisherigen Voyager-Mission zu sprechen. Die Fremdartigkeit der Aliens wird immerhin gut dargestellt. Tatsächlich beantwortet der Roman einige offene Fragen aus Architects of Infinity, auch wenn viele Einzelheiten ungeklärt bleiben. Die Erstkontaktmission ist mal erfrischend anders dargestellt und kommt ohne Gewaltanwendung aus. Jedoch war die Lösung, wie eine funktionierende Verständigung hergestellt wurde, doch ein wenig billig-klischeehaft und kam überhastet. Wir erfahren, dass die Edrehmaia die galaktische Barriere durchdringen wollen und sich aufmachen zu ganz neuen Gestaden. Da das Gelingen dieses Vorhabens am Ende kurz bevorsteht, stellt sich natürlich die Frage, was mit 0 (Null) ist, der ja dort draußen lauert.

 

Admiral Janeways plötzliche Besessenheit, mit den Edrehmaia in eine andere Galaxis reisen zu wollen, erschließt sich für mich nicht wirklich, außer dass es zum hingebogenen offenen Ende der Reihe hinleiten soll. Die Voyager beginnt dann also den dritten Zyklus ihrer langen, wahrscheinlich nie mehr endenden Sternenfahrt. Dank des Slipstreamantriebes ist eine Rückkehr in einigen Jahren zumindest möglich. Irgendwie macht es schon den Eindruck, das der Autorin am Ende nichts Neues mehr einfallen wollte, und so ist der Name der Show weiterhin Programm. Immerhin, der neue Aufbruch wird nicht mehr gezeigt, sodass viele Fragen nicht beantwortet werden. Theoretisch hätten spätere Autoren so die Chance, das Ganze doch noch einmal zu revidieren. Aber aufgrund der Coda-Trilogie wird es dazu nicht mehr kommen. Sie wird die Relaunches im 24. Jahrhundert definitiv beenden, da die neuen ST-Serien, allem voran Picard, die Geschichte seit Star Trek: Nemesis anders weitererzählen.

 

Am Ende steht ein Buch, das in meinen Augen trotz des ernsthaften Bemühens, die Edrehmaia interessant darzustellen, weitgehend spannungsarm ist und relativ simple Problemlösungen bevorzugt. Zudem wird kein wirkliches Finale-Feeling vermittelt (wie schon im eher durchwachsenen Zweiteiler Endspiel am Ende von Season sieben). Stattdessen wird die Voyager mal eben auf eine neue Odyssee geschickt.

 

Man fragt sich als Leser schon ein wenig, weshalb man so lange beim inzwischen nicht gerade kurzen Voyager-Relaunch am Ball blieb, immer wieder Zeit und Geduld investierte, wenn am Ende keine wirkliche Identität dieser Serienfortsetzung steht. Beyer hat in einem In-universe-Zeitraum von gerade mal etwas mehr als einem Jahr seit dem großartigen Full Circle verschiedenste Abenteuerfeuerwerke abgebrannt, doch nur wenige davon konnten richtig überzeugen. Im Zuge der fortlaufenden Romane fiel zusehends auf, dass die Autorin ein Stück weit das Interesse an den alten Hauptfiguren verloren hat und sich neue Fokuscharaktere gebacken hat (von denen jedoch viele höchstens lauwarm waren). Das war nicht unbedingt eine schlechte Entscheidung, doch in Verbindung mit der Flotten-Formation zerfaserte zusehends das Zentrum der Reihe. So wie die Voyager nur noch eines von mehreren Schiffen war, waren auch die alten Recken (an denen ja die Fangemeinde nichtsdestotrotz hängt) nur noch ein paar unter vielen. Hinzu kommt die Problematik, dass der Voyager-Relaunch die Verbindung zum Rest des Romanuniversums nicht halten konnte, die ja dereinst mit Full Circle wieder mühsam hergestellt worden war.

 

Trotz einiger Weichenstellungen zum Abschluss ist To Lose the Earth für mich ein durchweg enttäuschendes Finale für den Voyager-Relaunch, dem eindeutig schon längst die Puste ausgegangen ist und der meiner Ansicht nach viel zu lange mitgeschleift wurde. Ich hoffe, dass Janeway und Co. auf jenen Reisen, die wir nun nicht mehr verfolgen können, Interessanteres erleben. Bye, bye.

 

 

Fazit

 

Das Alien-Rätsel aus dem Vorgängerroman wird abgebunden, und es wird ein Erstkontakt hergestellt. Mehr als ein Arbeitserfolg ist das nicht, denn Spannung und Interesse wollen über die Geschichte hinweg kaum aufkommen.

 

Dann muss alles schnell hingebogen werden, um die Voyager in den Sonnenuntergang segeln zu lassen. Der (geplante) Aufbruch in eine andere Galaxis, natürlich mit (fast) allen bekannten Charakteren, wirkt etwas einfallslos. So bleibt leider ein Abschluss zurück, der überhastet und erzwungen wirkt, und damit nicht recht überzeugen kann.

 

4/10 Punkten.

8-2022