The Last Best Hope

Autorin: Una McCormack
Erscheinungsjahr: 2020
Seitenzahl: 330
Band: -

Zeitraum: 2381-85

 

Vorbemerkung

 

Der Roman The Last Best Hope beinhaltet die offiziell genehmigte Vorgeschichte zu Star Trek: Picard, das im Erdenjahr 2399 angesiedelt ist. In der Funktion eines Prequels schildert das Buch die Ereignisse zwischen den Jahren 2381 und 2385, die die neue Ausgangssituation im Alpha- und Beta-Quadranten und damit das galaktische Grundszenario der Serie begründen. Im vom Buch abgedeckten Zeitraum findet eine gigantische Langzeitmission statt, die Picards großes Vermächtnis hätte werden können, aber in einer Katastrophe endete.

 

 

Inhalt

 

Stellarkartografische Experten und Astrophysiker der Föderation finden heraus, dass die Sonne des romulanischen Heimatsystems dabei ist, sich in kurzer Zeit in eine Supernova zu verwandeln. Damit sind nicht nur die Zentralwelten Romulus und Remus dem Untergang geweiht, sondern auch zahlreiche andere Welten und Protektorate des eigentlich so mächtigen Sternenimperiums starren in einen Abgrund. Denn die Supernova wird auch auf Planeten, die sie nicht unmittelbar zerstört, klimatische Bedingungen irreparabel zugrunde richten und angestammte Versorgungslinien abreißen lassen. Aus diesem Grund müssen diese akut gefährdeten und äußerst dicht besiedelten Gebiete in der Herzkammer des romulanischen Raums so schnell wie möglich evakuiert werden und die dort lebenden Romulaner auf andere Planeten umgesiedelt werden.

 

Nur zögerlich und mit deutlich vernehmbarem Zähneknirschen räumt die romulanische Regierung ein, dass die Messungen der Föderationswissenschaftler bezüglich der Veränderung ihrer Sonne auch den eigenen Beobachtungen entsprechen. Trotz großer Vorbehalte müssen Prätor und Senat bald schon erkennen, dass ihnen angesichts einer bevorstehenden Evakuierungsmission von galaktischen Ausmaßen - Milliarden Personen müssen von ihren Welten geschafft werden - nichts anderes übrig bleibt, als die Hilfe des alten Erzfeindes, der Föderation, anzunehmen. Dabei ist eine Mithilfe bei der Evakuierung des romulanischen Zentralsystems für die Föderation tabu, aber die imperiale Regierung gestattet immerhin, dass sie im föderationswärts gelegenen 'Vorhof' die Räumung von Welten mit beinahe einer Milliarde Bewohnern übernehmen darf.

 

Es ist absehbar, dass der gewaltige Ressourcenhunger, der mit einer Evakuierungsmission dieses Ausmaßes einhergeht, erhebliche Auswirkungen auf die Kernmission der Sternenflotte haben wird. Das bedeutet nicht nur, dass ehrgeizige Forschungsmissionen vorerst vom Tisch sind. Auch die Ingenieure und Wissenschaftler werden ihre eigentlichen Projekte auf viele Jahre vertagen müssen. Um innerhalb der Föderation die nötige politische Akzeptanz für eine solche Mission zu schaffen, werden massive Kraftanstrengungen seitens des Sternenflotten-Oberkommandos – namentlich durch Admiral Bordson und Captain Clancy – vonnöten sein. Es ist fraglich, wie weit die Bereitschaft gehen wird.

 

<<Diese Mission – sie ist riesig, beispiellos. […] Es könnte die Sternenflotte eine ganze Generation lang beschäftigen. […] Sind wir bereit, Opfer zu bringen, um etwas in diesem Maßstab auf die Beine zu stellen? All die geplanten Forschungsmissionen? […] Gibt es überhaupt genug Schiffe, die dafür umfunktioniert werden können? Was wird sonst noch gekürzt werden müssen? Kultivierung von Grenzwelten? Terraforming-Projekte? Was denken Sie, wie das bei den Bürgern der Föderation ankommen wird?>> (Captain Clancy)

 

Die herkulische Aufgabe, die Evakuierungsmission zu leiten, wird Jean-Luc Picard angetragen. Als sich die Dinge in kurzer Zeit überschlagen und Picard den Ernst der Lage erkennt, erklärt er sich auf Bitten des Oberkommandos bereit, das Kommando über die U.S.S. Enterprise-E kurzfristig abzutreten (Ersatz ist mit seinem XO Worf zum Glück schnell gefunden) und sich zum Admiral befördern zu lassen. Er ist entschlossen, so viele Leben wie möglich zu retten; dem ordnet er nun alles andere unter. Kurz darauf beginnt Picard, den Oberbefehl über ein beispielloses Aufgebot an Mann und Material zu übernehmen und trifft die logistischen und politischen Vorbereitungen für ein Anlaufen der Evakuierungsmission. In diesem Zuge erhält er ein neues Schiff, die U.S.S. Verity, welche die Evakuierungsflotte anführt.

 

Doch die Verity und ihre Begleitschiffe sind nur ein erster Schritt und bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es darum geht, sage und schreibe neunhundert Millionen Romulaner rechtzeitig umzusiedeln. Daher bittet Picard seinen bisherigen Chefingenieur, Commander Geordi LaForge, ebenfalls von seinem alten Posten auf der Enterprise Abschied zu nehmen, und betraut ihn mit einem Leitungsposten in den Utopia Planitia-Flottenwerften im Marsorbit. LaForge soll dafür sorgen, dass möglichst rasch eine gewaltige Rettungsarmada bestehend aus Abertausenden Schiffen entstehen soll. Dabei muss LaForge längst nicht nur mit anti-romulanischen Ressentiments der Ingenieure umgehen, deren Projekte nun vielfach zugunsten der in aller Munde liegenden Rettungsmission auf Eis gelegt werden. Viel gravierender ist, dass es auf konventionellem Weg etliche Jahre brauchen würde, all diese Schiffe zu bauen. Daher muss LaForge sich etwas einfallen lassen, um das Verfahren erheblich zu beschleunigen. Zusammen mit seinen Kollegen kommt er auf den Gedanken, dass nicht-empfindungsfähige Arbeitsandroiden die Lösung sein könnten. LaForge gelingt es, Dr. Bruce Maddox vom Daystrom-Institut für dieses Unterfangen ins Boot zu holen, der von seiner unkonventionellen und ehrgeizigen Doktorandin Agnes Jurati unterstützt wird.


Schon sehr bald zeigt sich, dass die Föderation ein Gejagter der Zeit ist. Denn Astrophysikerin am Astronomie-Institut von Cambridge Amal Safadi findet heraus, dass die Destabilisierung des romulanischen Sterns in immer erschreckenderem Ausmaß voranschreitet, sodass die ursprünglichen Berechnungen rasch Makulatur sind. Die romulanische Sonne wird also erheblich schneller als allgemein erwartet zur Supernova werden und weitere Welten im imperialen Gebiet mit in den Abgrund reißen. Doch während die Föderation auf diese neue Erkenntnis reagiert, versucht die romulanische Führung die Wahrheit zu vertuschen, um ihr Gesicht zu wahren - selbst wenn dies auf Kosten der eigenen Bevölkerung geht.

 

<<Diese konzentrischen Kreise, dachte Picard, während sie Safadis neues Modell begutachteten, sie schienen sich jedes Mal, wenn er sie ansah, weiter auszubreiten. Jede neue Welle brachte eine Vielzahl von Auswirkungen mit sich – soziale, politische, kulturelle und natürlich die Konsequenzen, die es auf die benötigten Ressourcen haben würde. Mehr betroffene Welten – von denen einige sogar für die Neuansiedlung eingeplant waren –, mehr betroffene Personen. Das bedeutete mehr Schiffe […].>>

 

In der Zwischenzeit tun Admiral Picard und sein neuer Erster Offizier, Raffi Musiker, alles in ihrer Macht Stehende, um so viele Romulaner wie möglich aus dem Einflussbereich der Supernova zu schaffen. Erste Kolonien können mit großem Aufwand erfolgreich evakuiert werden. Doch im Zuge der Umsiedlungsbemühungen kommt es immer wieder zu problematischen Zwischenfällen, bei denen permanent die Gefahr einer Verstrickung der Sternenflotte in innerromulanische Angelegenheiten besteht. Angesichts widriger Umstände und des hohen Zeitdrucks sieht Picard sich schließlich sogar gezwungen, romulanische Flüchtlinge durch die Neutrale Zone zu bringen und auf Föderationswelten wie Vashti oder Torrassa anzusiedeln, was teilweise enormen Widerstand bei den indigenen Bevölkerungen produziert. Zudem ist er immer wieder mit dem Vorwurf der romulanischen Regierung konfrontiert, Kulturimperialismus zu betreiben und die romulanische Gesellschaft in Wahrheit zersetzen zu wollen. Auf Seiten der Föderation entsteht teils der Eindruck, die Romulaner seien undankbar, was nicht ohne Auswirkungen auf die öffentliche Zustimmung zur Rettungsmission bleibt.


Dies ist das Gemisch, das dazu führt, dass die Rettungsmission innerhalb der Föderation zunehmend an Rückhalt verliert. Ehrgeizige Politiker aus den kleineren Grenzwelten nutzen geschickt die Lage, um Zweifel und Missgunst an Picards Evakuierungsbemühungen reifen zu lassen. An ihrer Spitze steht Olivia Quest, anfangs Juniorratsmitglied der kleinen VFP-Welt Estelen im Föderationsrat. Quest moniert zunächst, dass innerhalb der Föderation ein Machtkartell der „Großen Vier“ (Erde, Vulkan, Andoria, Tellar) bestehe und diese den kleineren, entlang der Neutralen Zone gelegenen Mitgliedswelten massive politische und ökonomische Einschnitte bescheren, um romulanische Leben zu retten. Im Laufe der Zeit wird Quest sogar zur Wortführerin einer regelrechten innerföderalen Opposition von insgesamt vierzehn Welten, droht unverhohlen mit einer Sezession und macht in der Öffentlichkeit gegen die Rettungsmission mobil.

 

<<Ist das jetzt die offizielle Politik? Werden alle Welten entlang der Grenze gebeten, romulanische Siedler aufzunehmen? Wird der Punkt kommen, an dem wir dazu genötigt werden? Natürlich fühlen wir mit diesen Leuten in Not, doch man wird wohl noch die Frage stellen dürfen, ob dies wirklich die beste Lösung ist. Die Destabilisierung der Grenze. Eine Flut von Flüchtlingen.>> (Olivia Quest)

 

Unter diesen schwierigen Gesamtbedingungen schreitet Picards Arbeit in mühsamer Kleinarbeit voran. 2385, vier Jahre nach Beginn der Evakuierungsmission, steht Utopia Planitia davor, eine gigantische, nie dagewesen große Rettungsflotte fertigzustellen. Vorher kommt es bei den Arbeitsandroiden jedoch zu einer ominösen Fehlfunktion, in deren Folge sie sämtliche Werftanlagen und damit fast die ganze Rettungsflotte vernichten.

 

Der Föderation fehlen nun nicht nur die Ressourcen - auch bricht die seit ehedem wackelige Unterstützung seitens des Föderationsrats endgültig zusammen. Ohne Picards Rettungsmission hätte es die Arbeitsandroiden nie gegeben. Die Sternenflotte muss ihre Bemühungen im romulanischen Raum mit sofortiger Wirkung einstellen. Am Ende wird die Verity samt ihrer Begleitschiffe zurück zur Erde beordert. Picard protestiert beim Oberkommando aufs Schärfste, erreicht aber nichts mehr und tritt letztlich zurück. Ihm steht ein einsames, frustriertes Leben in La Barre bevor...

 

 

Kritik

 

The Last Best Hope ist ein Tie-in-Novel und bildet innerhalb der Star Trek-Romane eine Ausnahme, denn es handelt sich hierbei tatsächlich um eine von den Serienmachern autorisierte und als solche angekündigte "offizielle Vorgeschichte" zu Star Trek: Picard. Damit setzt sich der Roman von vorneherein auf ein hohes Ross. Zudem hat das Buch ganz offensichtlich den Anspruch, einen möglichst großen Bogen im Zeitraum zwischen dem letzten TNG-Film Nemesis (spielte Ende 2379) und dem Beginn der Serie (2399) zu schlagen.

 

Wir sollten nicht lange um den heißen Brei herumreden: Ich war leider nicht angetan von diesem Buch. Das hat sehr unterschiedliche Gründe.

 

Der wohl simpelste und oberflächlichste Grund betrifft die Erzählweise. Da der Roman einen jahrelangen Zeitraum abdeckt, wird viel mit dem Zeitraffer gearbeitet und episodenhaft erzählt, in regelrechten Bruchstücken. Dadurch entsteht teilweise und gerade was Picards Mission angeht eher der Eindruck einer lückenhaften Chronik als einer epischen Geschichte. Mag sich die sprachbegabte, gebildete und zweifellos intelligente Una McCormack bemühen, diese Art der Darstellung durch gehaltvolle und unterhaltsame Gedankengänge auszuschmücken, leidet dennoch die Involvierung des Lesers. Vielleicht wäre hier eine mehrteilige Erzählung besser gewesen, die eine stärker geschlossene Darstellung bietet. Es ist aber offensichtlich, dass dieser Roman unter hohem Zeitdruck geschrieben wurde und zeitgleich mit dem Start der Picard-Serie auf den Markt geworfen werden sollte.

 

Was den Inhalt des Romans angeht, muss ich sagen: Er hat kaum eine meiner Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, vertiefte Einblicke zu erhalten und die Hintergründe und vielen Ungereimtheiten von Star Trek: Picard zu sortieren bzw. besser zu erklären. Dabei ist noch das Geringste, dass die ganze Story überstürzt geschrieben wirkt und gerade in der ersten Hälfte teilweise auf dem Niveau einer Fan-Fiction-Story daherkommt.

 

Was mich am meisten stört, ist, dass das ganze Szenario rund um die Zerstörung von Romulus überhaupt nicht authentisch und vor allem nachvollziehbar geschildert wird. Dabei ist dies der eigentliche Aufhänger und das Setting, wenn man so will. Schon Star Trek 11 und der (jetzt nun doch nicht mehr zum Canon gehörende) Comic Countdown gingen allzu eilig darüber hinweg: Es ist kein bisschen klar, WARUM diese Supernova im romulanischen Raum entsteht, welche physikalischen Vorgänge dahinter stecken, was sie von ‚normalen‘ Novae unterscheidet und in welchem Zeitraum dies geschieht (wie wäre es mal mit etwas SCIENCE in der Fiction?). Klärung wäre in diesem Feld umso dringlicher gewesen, weil bisher in inoffiziellen Quellen kolportiert wurde, ein Stern namens Hobus außerhalb des romulanischen Heimatsystems habe sich in eine stetig wachsende 'Subraumnova' verwandelt. Star Trek: Picard jedoch sagt ziemlich klar, die Sonne des Romulus-Systems selbst habe sich in eine Nova verwandelt.

 

Das Buch hält sich viel zu wenig mit der Darstellung der Ursachen und der Entwicklung dieses Übels von galaktischen Dimensionen auf, um nicht zu sagen GAR nicht. Anstatt dass Picard, als er bei der Admiralität zu Besuch ist, einmal fragt, was der Hintergrund für die drohende Supernova ist, sagt er einfach nur „Merde!“ und – als sei es das Einfachste der Welt – ist man schon beim Thema ‚Helfen und Evakuieren‘. Hallo? Der bevorstehende Untergang der Herzkammer des Romulanischen Imperiums aufgrund einer riesigen Nova-Explosion, die etliche Systeme verschlingt? Hätte man hier nicht ein bisschen mehr Background schaffen können? Das kann doch nicht so schwer sein.

 

Anschließend gibt Picard dann mal eben nach all den Jahren die Enterprise auf, als wäre es eine Kleinigkeit für ihn. Es lässt einen alles kalt, weil es auch lieblos runtergeschrieben ist. Die Erklärung, warum er die Enterprise aufgeben muss, ist geradezu lächerlich und nicht glaubwürdig. Die Enterprise sei ein Schiff, das die Romulaner als Feindschiff ansehen würden. Wieso? Die Enterprise ist doch nicht gegen das Sternenimperium in die Schlacht gezogen. Und warum wird dann aber gerade Picard auserkoren, die Evakuierungsmission zu leiten? Das passt nicht zusammen.

 

Zudem – und das stört mich vielleicht am allermeisten – gibt es überhaupt keine befriedigenden Einsichten in die politischen Interaktionen zwischen der Föderation und der romulanischen Regierung (und auch was seit Nemesis da alles passiert ist). Immerhin ist es doch eine riesige Sache, wenn eine Föderationsflotte in romulanischen Raum eindringt und dort Evakuierungsmaßnahmen durchführt. Natürlich herrscht Not im Sternenimperium, schon klar, doch hätte man gerne die Schritte gesehen, die Prätor und Senat gehen mussten, um sich einverstanden zu erklären, die Föderation um Hilfe zu rufen (es hätte ja auch zum Beispiel Paranoia geben können, jemand habe die Nova künstlich geschaffen, um den Romulanern zu schaden!). Daraus hätte man ein tolles politisches Szenario machen können – aber Fehlanzeige. Mal abgesehen davon, dass die romulanische Nation inklusive Vasallenvölkern selbst sehr groß sein dürfte und sich daher die Frage stellt, wieso diese nicht in der Lage ist, mehrere Welten selbst zu evakuieren und warum ausgerechnet der größte Antagonist, die Föderation, um Hilfe gerufen werden muss (eine Frage, die ich mir schon beim Schauen der ersten Folgen der neuen Serie stellte). Haben die Romulaner sonst niemanden?

 

Und auch das Verhalten der Föderation kann hinterfragt werden: Wäre es nicht besser gewesen, eine Allianz verschiedener Völker zu schmieden, die ALLE vereint den Romulanern helfen? Wäre das nicht effizienter und auch im ST-Sinne konsequenter gewesen anstatt dass die Föderation bei Utopia Planitia Abertausende Schiffe aus dem Boden stampfen muss (bzw. der arme Geordi LaForge, den Picard zu dieser Aufgabe verdonnert hat)? Und wie wäre es eigentlich mit einer ordentlichen Beschlagnahmung ziviler Schiffe gewesen (Picard wählte doch selbst in Episode 1 die Analogie zu Dünkirchen!). Hier ist das Buch rundherum eine Enttäuschung. Die ganze Rahmenhandlung ist oberflächlich und fühlt sich nicht wirklich glaubwürdig an.

 

Das Hineinfummeln der Maddox-Androiden-Handlung ist hier genauso konstruiert (ich gehe an dieser Stelle mal nicht genauer darauf ein, dass die Beziehung zwischen Maddox und Jurati im Kitsch versinkt, nicht zu zwei so verschrobenen Charakteren passt und überhaupt zu viel Platz frisst). Der Roman ergießt sich in einer Herleitung und Begründung, weshalb die Föderation ausgerechnet eine Armee von ‚Billig‘-Androiden ins Leben rief, um bei Utopia Planitia gewaltige Evakuierungsflotten in kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen. Doch was schon in der ersten Staffel der Serie wenig plausibel erscheint, wird auch hier trotz des emsigen Bemühens und Ausschmückens der Autorin nicht viel besser. Zum Bau und zur Administration der riesigen Rettungsflotte braucht es nun einen Haufen bioneuraler, nicht-empfindungsfähiger Androidensklaven. Ernsthaft?! Die Föderation ist dermaßen riesig, und man kriegt es bei diesem Technologie- und Automatisierungsniveau nicht mal hin, Minimalcrews zusammenzustellen und eine ordentliche Menge Computerunterstützung zu leisten? Ich gehe hier mal nicht genauer darauf ein, dass die Föderation nebenbei mal einen aus Wem gehört Data? aufgestellten ethisch-juristischen Grundsatz knallhart bricht.

 

Und wo wir schon dabei sind: Weshalb braucht es gerade Androiden bzw. „Synths“? Es gibt doch auch noch die hoch entwickelten Hologramme, die auch in Picard noch herumlaufen wie in früheren Serien. Schon in Voyager sahen wir ausgemusterte Hologramme, die zum Dilithium-Schürfen verdonnert wurden. Und dann gleich noch eine Frage: Wieso wird die Rettungsflotte eigentlich nur über dem Mars hergestellt? Es gibt Aberdutzende großer Werftanlagen im Föderationsgebiet (ich nenne jetzt mal spontan die Antares- oder 40-Eridani-A-Flottenwerft). Offenbar hat man nicht daran gedacht, diese auch noch in den Fertigungsprozess einzubeziehen. Hier hat man fast das Gefühl, das Buch trägt eher noch dazu bei, Schwachstellen und Ungereimtheiten der Picard-Serie zu verschlimmern anstatt sie besser zu erklären.

 

In alldem agiert Picard zwar idealistisch wie wir ihn kennen, aber doch irgendwie wie ein Statist. Sein Charakter wird nicht mit der Tiefe dargestellt, die man sich wünschen würde - insbesondere, weil uns die Serie ja einen stark veränderten und ein Stück weit verbitterten Picard präsentiert. Zudem ist der Admiral die ganze Zeit über derart stark von seinen hehren humanistisch-moralischen Zielen (Rettung möglichst vieler Romulaner!) bestimmt, dass er fast naiv herüberkommt. Er legt nicht jene Cleverness an den Tag, die nötig ist, um die Rahmenbedingungen seiner Mission am Laufen zu halten. Den intelligenten, strategisch denkenden Captain aus TNG-Zeiten, der zwischen eigenen Zielsetzungen und politischen Zwängen geschickt zu manövrieren versteht (ich nenne hier als Beispiel nur an sein Vorgehen während des klingonischen Bürgerkriegs), vermissen wir sträflich. Ja, Picard wirkt beinahe etwas einfältig, weil er mit dem Kopf durch die Wand will, um "das Richtige" zu tun, wo ihn Captain Clancy immer wieder darauf hinweisen muss, dass der Föderationsrat als das Parlament letzten Endes die politische Akzeptanz stiftet und das finale Wort hat.

 

Dass Picard fast die ganze Zeit über mit der Verity im romulanischen Raum unterwegs ist anstatt selbst die politische Rückendeckung für seine Operation zu organisieren, ja, in den hohen Hallen der VFP-Politik kraft seiner Reputation gezielt zugunsten der Rettungsmission zu intervenieren, hat sich mir über den gesamten Verlauf des Buches nicht erschlossen (auch wenn McCormack hierzu im Laufe der Geschichte eine Erklärung zu geben versucht, es habe etwas mit Picards Eidverständnis als Offizier zu tun). Dieses Verhalten erscheint mir nicht sehr weise für einen Mann, der angesichts seiner reichhaltigen Erfahrung eigentlich wissen müsste, dass es nicht immer genügt, hehre Prinzipien zu vertreten, sondern dass manchmal zu deren Durchsetzung die Niederungen der Realpolitik zu meistern sind. Picard muss einer Art Altersstarrsinn verfallen sein; so hätte er sich jedenfalls in TNG nicht verhalten. Trotzdem ist es durchaus anrührend zu verfolgen, wie der Admiral letztendlich in eine Situation gerät, in der er keinen anderen Weg mehr sieht, als seinen Dienst zu quittieren.

 

Die Figur der Raffi Musiker, die mich schon in der Serie aufgrund ihrer abgedrehten Art nicht anspricht, ist hier oftmals so anders dargestellt, dass man genauso gut irgendeine andere Person hätte nehmen können. Und weshalb Picard gerade zu ihr ein so inniges Verhältnis entwickelt, die sie wie Kai aus der Kiste zu ihm stößt und die große Ehre haben wird ihn „J-L“ zu nennen, bleibt mir rätselhaft. Raffis ganzer Way of Life und ihre blumig-vulgäre Sprache passt nicht ins 24. Jahrhundert und zu den menschlichen Charakteren, die wir bis dato kennengelernt haben. Sie wirkt durchgeknallt, aber zugleich wenig interessant, da aufgesetzt. Die Rolle der Geheimdienstexpertin kaufe ich ihr nicht ab; solche Leute stelle ich mir verschwiegen, reflektiert und kühl vor und nicht so temperamentvoll und geradeheraus. Dass Picard sich so rasch für Raffi als seine XO entscheidet, wirkt überhastet (by the way: Bräuchte er nicht einen Captain anstatt einen XO?).

 

McCormack hat einige fantastische Romane zur cardassianischen Kultur geschrieben, darunter The Never-ending Sacrifice. In The Last Best Hope gelingt es ihr jedoch nicht, einen ähnlichen Wurf für die Romulaner zu landen. Was man im Roman von der romulanischen Kultur geboten bekommt, ist oft oberflächlich und versatzstückhaft, sodass kein kohärentes Bild von diesem Volk entsteht, das wir in Star Trek schon so lange kennen und das doch stets ein Enigma geblieben ist (übrigens hat die Picard-Serie das gleiche Problem). In The Last Best Hope sind die Darstellungen über die romulanische Zivilisation und ihre Gruppierungen häufig so allgemein, dass es auch irgendein anderes Volk mit nicht-demokratischer oder Kastentradition sein könnte (die ganzen Ergänzungen, z.B. die Qowat Milat, sind in meinen Augen unnötiges Füllmaterial und passen nicht wirklich hinein). Die von der Autorin geschilderte romulanische Angewohnheit, ihre Leben auch und ihre Häuser mit Geheimnissen zu bemänteln und Fremde in die Irre zu führen (ich denke hier etwa an Picards Besuch bei einem Senator), wirkt streckenweise arg überzogen und mit Metaphoriken überfrachtet.

 

Eine der wenigen positiven Ausnahmen bei der Romulanerdarstellung ist der geradezu dystopische Nebenplot rund um den romulanischen Astrophysiker Vritet, der ursprünglich das Entstehen der Supernova entdeckte, dann aber von der romulanischen Regierung und dem Tal’Shiar bezüglich der vollen Auswirkungen mundtot gemacht wird. Hier entsteht eine Vorstellung darüber, was chronische Paranoia (auch in Bezug auf den alten Feind Föderation), Propaganda, unbedingter Machtwille der Eliten und kollektiver Selbstbetrug mit einer Gesellschaft anrichten können (und diesbezüglich scheinen die Romulaner noch ein ganzes Stück extremer zu sein als die Cardassianer). In diesem Fall führt dieses toxische Gemisch geradewegs in die Selbstzerstörung. McCormack erwähnte in einem Interview, dass sie beim Schreiben dieser romulanischen Realitätsverweigerung auch an den Umgang mit dem menschengemachten Klimawandel habe denken müssen.

 

Was mir etwas sauer aufstößt, ist, dass das, was Star Trek 11 über Spock gesagt hat, sich nicht in der Geschichte wiederfindet oder angeteasert wird. Spock bekommt zwar einen kurzen Auftritt spendiert, aber seine Rolle beim Versuch, Romulus zu retten, wird überhaupt nicht thematisiert. Es ist doch ein wenig traurig, wenn es ein Prequel-Buch nicht mal schafft, diese beiden losen Enden miteinander zu verbinden (selbst wenn wir berücksichtigen, dass Spocks Aktionen eher kurz vor Romulus' Vernichtung 2387 stattfinden und dieser Roman 2385 aufhört).

 

Der einzige Part, der mir ohne Wenn und Aber zugesagt hat, war, welche politischen Wellen die romulanische Flüchtlingskrise bzw. der bevorstehende Zusammenbruch der romulanischen Großmacht innerhalb der Föderation schlägt. Obwohl auch hier das Ganze besser ausgearbeitet und entwickelt hätte werden können, wird doch die Zwangslage für die Sternenflotte mehr als deutlich. Einerseits werden sie angesichts immer schlimmer werdender Krisenentwicklungen und Prognosen über das Ausmaß der bevorstehenden Novaexplosion immer tiefer in die Evakuierungsbemühungen hineingezogen und müssen ihrem humanitären Auftrag gerecht werden, den Picard nicht müde wird zu betonen. Andererseits steht die Föderation vor der reellen Gefahr, eine ganze Reihe von Welten in der Peripherie des romulanischen Raums zu verlieren. Diese fühlen sich nicht nur durch Unmengen von Flüchtenden und von der Sternenflotte auf ihre Welten notumgesiedelte Romulaner bedroht, sondern monieren auch, dass die Föderation die ihnen zugedachten Ressourcen zugunsten des Einsatzes für den „alten Feind“ massiv beschneidet. Das ist ein echtes politisches Pulverfass und erinnert mich an die Spannungen innerhalb der Europäischen Union in der Hochphase der Flüchtlingskrise 2015, teilweise auch an den Brexit. Ehrlich gesagt kann man auch Parallelen zum Slogan "America First" eines Donald Trump finden - die Bürger der Föderation fragen sich in zunehmendem Maße, wieso sie ihre Ressourcen und Möglichkeiten nicht ausschließlich zu ihrem eigenen Wohlergehen einsetzen sollen (Isolationismus). Solche Anspielungen auf unsere Gegenwart sind nur zu begrüßen und verleihen dem Buch zweifellos ein Potenzial.

 

Über Picards weiteres Leben seit seinem Ausstieg aus der Sternenflotte schweigt sich der Roman vollständig aus. Es fehlen sämtliche Erklärungen, wie und warum er letztlich in La Barre gelandet ist – eigentlich doch ein Ort, mit dem er angesichts seines autoritären Vaters und seines traditionsverliebten, missgünstigen Bruders Robert gar keine so positive Erinnerungen verbindet. Im Gegenteil, La Barre stand in der Serie in meiner Interpretation immer ein wenig für das, was Picard, der schon als Junge immer mit seinen Gedanken zwischen den Sternen war, überwinden wollte. Das Buch hätte hier mit mehr Charakterarbeit eine wichtige Lücke schließen können, die ein besseres Verständnis ermöglicht, wie Picard sich als Persönlichkeit gewandelt hat und warum er gerade im alten Familien-Weingut seine Zuflucht fand, ja man könnte sagen: warum er sich gewissermaßen am Ende doch wieder in den Dienst der Familie stellte. Und was ist eigentlich mit seiner Schwägerin passiert? Die ist regelrecht vom Erdboden verschluckt. Mit Marie hatte Picard sich doch vergleichsweise gut verstanden. Ich hätte es schön gefunden, wenn nicht nur zwei aus dem Hut gezauberte Romulaner, sondern eben auch Marie seine Entourage in seinem selbst gewählten französischen 'Exil' gebildet hätten.

 

Noch ein Wort zur Sprache der Figuren in diesem Roman - die ist in vielerlei Hinsicht ein abrupter Bruch mit allem, was wir aus Star Trek kennen. Nicht nur Raffi, die schon in der Serie ein sehr loses Mundwerk hat, benutzt Aussprüche wie „Rockt das Ding!“. Auch andere Personen wie Geordi LaForge (der in TNG unverdächtig war, Kraftausdrücke zum Besten zu geben), bedient sich ungeniert der Fäkalsprache. Von Captain Clancy ganz zu schweigen, die manchmal regelrechte Eskapaden hat. Wenn im späten 24. Jahrhundert angesiedelte Figuren aus dem Herzen der Sternenflotte allenthalben „Scheiße“, „Fuck“, „Leck mich“ oder Schlimmeres von sich geben, reißt einen das absolut aus dem Leseerlebnis heraus. Allerdings muss fairerweise eingewandt werden, dass schon die Picard-Serie in Bezug auf den Umgang mit Sprache einen Kurs fährt, der eklatant im Widerspruch zu früheren Serien steht. Mich persönlich stört dieser neue Stil enorm, da er einen Fremdkörper in den Gewohnheiten des landläufigen Trekkers bzw. Trekkies darstellt.

 

 

Fazit

 

Die Erwartungen an ein Buch, das eine Art Prequel zu Star Trek: Picard darstellt, waren hoch. Zu hoch, wie sich herausgestellt hat. Es mag zwar Aspekte geben, durch die die Vorgeschichte der neuen Serie um den ehemaligen Enterprise-Captain vertieft wird. Alles in allem entsteht daraus aber kein stimmiges Gesamtbild, und auch größere Aha-Effekte bleiben für mich aus. Stattdessen vergrößert The Last Best Hope teilweise Irritationen, die die ersten Episoden jedenfalls bei mir ausgelöst haben. Vielen Fragen, die man mit sich herumträgt, werden nicht (zufriedenstellend) beantwortet und zugunsten einer recht simplen Geschichte unter den Teppich gekehrt, die hauptsächlich einige Ausschnitte der Evakuierungsmission schildert.

 

Nicht einmal Spock wird so in die Geschichte integriert, dass die über ihn aus Star Trek 11 bekannten Informationen organisch mit der Picard-Serie verwoben werden. Böse Zungen mögen zischen, es gelingt nicht einmal, zwei Enden des von Alex Kurtzman geschaffenen Universums miteinander zu verbinden, wo Kurtzman sich seit Star Trek: Discovery ohnehin den Ruf erworben hat, weite Teile des etablierten Star Trek-Kosmos mit Füßen zu treten und eher dümmliche Geschichten zu erzählen.

 

Vor allem aber ist das Buch in meinen Augen nicht politisch genug. Das Szenario, das einem als Vergleich in den Sinn kommt, ist die Zerstörung von Praxis im sechsten Star Trek-Kinofilm. Damals erhielten wir einen gekonnten Einblick, was für eine politische Sprengkraft der drohende Zusammenbruch einer jahrzehntelangen militärischen Supermacht wie dem Klingonenreich bereithält. Doch in Una McCormacks Buch fehlt eine ernsthafte Ausleuchtung der politischen Sphäre. Wo ist der Föderationspräsident? Was ist mit dem romulanischen Prätor und dem Senat? Wo sind die Verhandlungen? Das alles hätte ich jedenfalls gerne gelesen. Einzig positiv tritt das zunehmende 'Rumoren' innerhalb der Föderation in der Erzählung zutage, das die ganze Zerrissenheit der Planetenallianz angesichts der sich anbahnenden galaktischen Katastrophe offenlegt. Auch der Subplot rund um den romulanischen Astronomen Vritet weiß zu gefallen, weil hier die Paranoia der romulanischen Gesellschaft greifbar wird.

 

Den großen, edlen Captain aus The Next Generation erkenne ich zwar anhand seines ungebrochenen Idealismus und Humanismus, die er im Roman teilweise wie eine Monstranz vor sich her trägt. Doch er ist dennoch ein Zerrbild seiner selbst, denn ihm scheint sein strategisches Denken abhanden gekommen. So vergibt er seine Chance, in der Föderation wirksam für die Akzeptanz der großen Rettungsmission zu trommeln, und schaut dem Unheil, das sich dort zusammenbraut, mehr oder weniger passiv zu.

 

Unter dem Strich eine Geschichte, die schon für sich genommen nicht begeistert. Als groß angekündigte Vorgeschichte zur Picard-Serie ist sie für mich eine Enttäuschung. Ich wünschte, es wäre anders.

 

4/10 Punkten.

2-2020