The Next Generation Season 1 & 2:

 

Aller Anfang ist schwer

 

Als seinerzeit in den 1960er Jahren die Originalserie von Star Trek ausgestrahlt wurde, fand sie kein breites Publikum – sie sollte erst im Laufe der Siebziger zum Kult werden. Daher entschied sich das (Science-Fiction-Serien gegenüber ohnehin eher skeptisch eingestellte) Studio dafür, das Experiment Star Trek als gescheitert anzusehen, und setzte die Show nach dem dritten Jahr ab. Doch Gene Roddenberry kämpfte hartnäckig dafür, dass seine Zukunftsvision eines Tages wieder auf die Fernsehschirme zurückkehrte. Er bewies einen sehr langen Atem. Bis mit Star Trek: The Motion Picture ein Kinofilm realisiert wurde, dauerte es geschlagene zehn Jahre. Noch einmal ein knappes Jahrzehnt sollte vergehen, bis die nächste Star Trek-Serie in den Startlöchern stand: The Next Generation.

Roddenberry wollte den Kern der klassischen Serie und deren Botschaften beibehalten. Allerdings sah er die Notwendigkeit, eine Serie zu produzieren, die den späten Achtzigern angemessen war. Analog zum Titel der neuen Show, wurde Star Trek in die Zukunft verlegt, um etwa einhundert Jahre ins 24. Jahrhundert. Dort sollte eine neue Enterprise mit einer neuen Besatzung auf Entdeckungsreise im Weltraum gehen. An ihrer Spitze: Patrick Stewart als Captain Jean-Luc Picard, ein kahlköpfiger Franzose. In seinen Anfängen dachte man bei The Next Generation von Folge zu Folge. Der Erfolg der Serie war nämlich alles andere als eine ausgemachte Sache – immerhin gab es abgesehen von Star Wars im Kino noch keinen wirklichen Markt für Science-Fiction im TV. Hinzu kamen interne Schwierigkeiten, die die junge Serie belasteten: Immer wieder gab es Friktionen zwischen Roddenberry und dem Autorenstab. Ersterer neigte dazu, ganze Skripte ohne Rücksprache umzuschreiben. Als Roddenberry sich im Laufe des zweiten Jahres dann aufgrund schlechter werdender Gesundheit mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurückziehen musste, brachen Machtkämpfe unter den Drehbuchschreibern aus – mit negativen Folgen für die Episodenentwicklung. Erst ab dem dritten Jahr kehrten mit dem neuen Führungstandem aus Rick Berman und Michael Piller Stabilität und ein neuer Kurs ein. So sind die ersten beiden Staffeln auch als eine Mischung aus Testlabor und kontinuierlichem Entwicklungsprozess zu sehen, bis TNG ab Season drei die Selbstfindung gelang, begleitet von deutlich steigenden Zuschauerzahlen.

 

Im Pilotfilm Der Mächtige/Mission Farpoint begegnet die Enterprise gleich auf ihrem Jungfernflug zum entlegenen Farpoint-Außenposten am Ende des erforschten Weltraums einer omnipotenten Lebensform namens Q, die die Menschheit der Barbarei anklagt. Q bezweifelt, dass die Terraner sich in den letzten Jahrhunderten entscheidend weiterentwickelt haben, sondern sieht in ihnen nach wie vor eine brutale, primitive Rasse, die einem ewigen Kreislauf von selbstverschuldetem Leid und Zerstörung unterliege. Q stellt Picard und den Kommandostab des Schiffes, stellvertretend für die gesamte Menschheit, vor ein Gericht. Falls die Angeklagten den Prozess verlieren, lautet das Urteil Vernichtung der gesamten Menschheit. Die Farpoint-Mission wird von Q als erster Test für Picard und seine Leute auserkoren. Picard gelingt es zwar, mit dem erfolgreichen Abschluss des Einsatzes einen Beweis für die Weiterentwicklung der Menschheit zu erbringen, doch Q sieht den Prozess damit nicht als beendet an und verspricht, wiederzukommen.

Obwohl der Pilotfilm schleppend anläuft und nur mühsam in Fahrt kommt, gelingt es, mit Q ein zentrales, wiederkehrendes Element zu setzen und der Serie frühzeitig die richtige Richtung vorzugeben. Qs Auftritte im Laufe der Serie werden zu einer Art Rahmen, der ständig daran erinnert, worum es in TNG eigentlich geht: zu demonstrieren, dass die Menschheit sich entscheidend weiterentwickelt, dass sie ihre zuweilen grausame Geschichte endlich abgestreift hat und im Angesicht der Sterne zu einer friedlichen, moralisch geläuterten Gesellschaft geworden ist. Dadurch ist TNG von seiner Anlage her nicht einfach nur eine Entdeckerserie über fremde Völker und Welten (Outerspace), so wie seinerzeit TOS. Es ist zugleich eine Serie über die Erforschung der Menschheit und der Menschlichkeit in der Zukunft (Innerspace). Vor allem in den Begegnungen mit anderen Lebensformen soll sich nach Roddenberrys Vorstellung das moralisch fortgeschrittene Wesen der Menschheit spiegeln. Q wiederum ist eine konsequente Fortsetzung der Götterdarstellung in TOS: physisch ohne Grenzen, ethisch und sozial aber höchst fragwürdig. Er wird der Enterprise noch häufig Besuche abstatten, und das bis zum Ende der Serie mit Gestern, Heute, Morgen, wo sich sein Storybogen schließt. Und jeder dieser Auftritte wird ein Lehrstück sein: entweder für Picard oder für den gottgleichen Quälgeist selbst. Beide werden eine äußerst ambivalente Beziehung entwickeln, die sich dadurch auszeichnet, dass mal der eine, mal der andere etwas beizubringen hat. In Staffel eins und zwei steckt dieses Potenzial jedoch noch in den Kinderschuhen, und noch ist nicht so richtig klar, worum es Q eigentlich geht, von seinen persönlichen Motiven und seiner inneren Zerrissenheit ganz zu schweigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Entfaltung kommen.

 

Jenseits der Einführung von Q sind die ersten zwei Staffeln gespickt mit Einzelepisoden, in denen es allzu oft um die Entdeckung neuer Planeten und Lebensformen geht. Bezeichnend ist hier eine Parallelität der Nicht-Kenntnis: Während in späteren Staffeln durchaus oft Völker für den Zuschauer zum ersten Mal in Erscheinung treten, die jedoch im Star Trek-Universum schon bestens bekannt sind (z.B. Bajoraner, Cardassianer), kennen in diesem Frühstadium der Serie weder der Zuschauer noch Picard und seine Leute die Spezies, auf die sie stoßen. Meistens wird ein Planet betreten, der irgendein schönes oder unschönes Geheimnis bereithält, das sich schon bald offenbart (z.B. Der Wächter, Rikers Versuchung, Die Waffenhändler, Die schwarze Seele, Begegnung mit der Vergangenheit, Hotel Royal). Häufiger begegnet man auch Raumphänomenen, die sich dann als merkwürdige, geheimnisvolle Lebensformen entpuppen (u.a. Die geheimnisvolle Kraft, Illusion oder Wirklichkeit, Die Zukunft schweigt). Die Wesen, auf die man trifft, sind oftmals mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet und beeinflussen den Fortgang der Handlung durch willkürliche Akte. Ein solches Konzept, wie es die TNG-Frühphase fährt, lässt die Handlungen häufig sehr vorhersehbar, aber auch konstruiert wirken. Vor allem erinnert es noch sehr stark an TOS, zumal fast immer Studiokulissen der billigeren Sorte (gemalter Hintergrund, Pappfelsen etc.) anstelle von echten Außenaufnahmen zum Einsatz kommen.

Umso gespannter ist man natürlich auf die Folgen jenseits der altgewohnten Entdeckungsreisen. Doch diese enttäuschen beinahe noch mehr, weil sich in ihnen die chronische Schwäche des Storytellings in den TNG-Anfängen offenbart. So ist die Episode Prüfungen in der zweiten Hälfte von Staffel eins ein absoluter Tiefschlag. Endlich einmal erhalten wir die Gelegenheit, etwas über die Aufnahmeprüfung an der Sternenflotten-Akademie zu erfahren, und wir hören sogar, dass offenbar eine Verschwörung in der Sternenflotte im Gange ist. Doch was wir daraus gemacht? Wesleys Tests mitzuverfolgen ist in gleich mehrfacher Hinsicht eine Zumutung, und auf der Enterprise wird Picard erst aus äußerst seltsamen Gründen verdächtigt, ehe ihm Hals über Kopf das Angebot unterbreitet wird, Akademiedirektor zu werden. Nichts passt hier zusammen; die Elemente der Handlung und die Darstellung der Sternenflotte ebenso wenig wie das Verhalten der Charaktere. Immerhin zeigen sich in Staffel zwei bei den Geschichten und Figuren bereits moderate Verbesserungen, aber mit der Frage, wie sich die Sternenflotte versteht (Eliteclub versus offen für alle?), wird sich die Serie noch eine Weile schwertun.

 

Ein weiteres Element der ersten beiden Staffeln ist das Roddenberry’sche Gesetz, dass keine Episode auf eine andere Bezug nehmen darf. Hier wird dies noch sehr konsequent, ja beinahe dogmatisch durchgehalten. Im weiteren Verlauf der Serie, insbesondere nachdem Rick Berman zum Executive Producer aufsteigt, erkennt man, dass diese Vorgabe viele Möglichkeiten für die Show künstlich einengt, da man keine komplexeren Handlungen erzählen kann, von den Entwicklungsmöglichkeiten der Figuren ganz zu schweigen. So ist es ein Markenzeichen der ersten Staffeln, dass Aliens auftauchen und Dinge passieren, die schon in der nächsten Folge vergessen sind – selbst, wenn eine Hauptfigur das Zeitliche gesegnet hat, wie das Beispiel Tasha Yar demonstriert. Am Ende ist der alte Status quo stets wiederhergestellt, die Gedächtnisse scheinen gelöscht und das Abenteuer kann aufs Neue beginnen.

Wegen der Erzählung in abgeschlossenen Einzelfolgen bleiben die Spezies oft sehr holzschnittartig. Trotzdem bemerkt man schon in der ersten Hälfte der ersten Staffel die Bemühungen der Serie, nach neuen Bedrohungen zu suchen, die man in verschiedenen Folgen zurückkehren lässt. Zunächst versucht man es mit den Ferengi (Der Wächter, Die Schlacht von Maxia, Galavorstellung). Da sie jedoch eher wie seltsame Piratenzwerge anmuten, verwirft man dieses Feindbild rasch. Sieht man sich die Entwicklung an, die die Ferengi bis in die Tiefen von Deep Space Nine durchmachen, so hat ihre spätere Darstellung kaum noch etwas mit ihrem ursprünglichen Auftritt in Der Wächter gemein. Eine Bauchlandung legte man auch mit den Krebswesen aus Die Verschwörung hin, die zwar am Ende der Folge ein Signal ins All senden, aber nie wieder irgendwo auftauchen werden. Weit gelungener ist die Rückkehr der Romulaner, die in Die neutrale Zone ausgesprochen geheimnisvoll und düster bleiben. Auch und gerade in Staffel drei wird man aus dieser Vorlage noch eine Menge machen. In Zeitsprung mit Q am Ende der zweiten Season (eine der bis dato besten Folgen!) findet man schließlich mit den Borg den neuen, fremdartigen und äußert bedrohlichen Antagonisten für die Föderation (und es gibt sogar eine Erklärung für das rätselhafte Verschwinden von Außenposten entlang der Neutralen Zone).

 

Was in den ersten zwei Staffeln ausgesprochen störend auffällt, ist, dass man nicht müde wird, zu betonen, wie unglaublich fortschrittlich die Gesellschaft im 24. Jahrhundert ist und wie anachronistisch die Zeit davor gegen sie war. Das ist nicht nur altklug und überheblich, sondern führt auch zu unglaubwürdigen und unfreiwillig komischen Situationen. In Die Schlacht von Maxia kann Doktor Crusher es kaum glauben, als Picard sich beklagt, er habe Kopfschmerzen. ‚Kopfschmerzen gibt es in unserer Zeit doch gar nicht mehr, das ist unmöglich.‘ Warum denn in aller Welt? Haben die Menschen keinen Stress und keinen Kummer mehr? In eine ähnliche Richtung geht, dass in Die Iconia-Sonden Doktor Pulaskis Arzt es der modernen Medizin nicht angemessen findet, ein Bein traditionell zu schienen, und diese Kunst auch offenkundig nicht beherrscht. Aber ist so etwas nicht obligatorischer Bestandteil des Grundkurses Medizin? Verlassen sich die Menschen im 24. Jahrhundert so sehr auf ihre heilige Technik, dass sie nicht einmal mehr imstande sind, einfache Heilverfahren anzuwenden, wenn diese Technik einmal nicht zur Verfügung steht?

Die Reihe dieser seltsamen Situationen kann noch lange fortgesetzt werden. Picard stellt beispielsweise heraus, früher hätten die Menschen Flaggen mit Symbolen darauf verwendet, das sei jedoch längst vorbei. Dafür sehen wir aber viel zu oft das Logo der Föderation und anderer Spezies in Star Trek. In Die neutrale Zone werden drei aus den 1990er Jahren stammende, aus der Kryostasis geweckte Menschen dafür belächelt, dass sie Fernsehen schauen und sich über ihre finanzielle Situation informieren wollen. Riker weist in Die geheimnisvolle Kraft sehr selbstsicher darauf hin, dass Menschen sich schon seit Generationen nicht mehr von Fleisch ernähren. In dieser Totalität kaum vorstellbar, so gesund ein solcher Lebensstil auch sein mag. Picard sagt, dass Kriminalfälle in der technisierten Welt der Zukunft nicht mehr möglich seien. Wieso? Gibt es keine Kriminalität mehr? Es zeichnet TNG in seiner Frühphase aus, dass immer sehr hochtrabend und plakativ vom vermeintlichen zivilisatorischen Progress der Menschheit gesprochen wird. In späteren Episoden wird nicht mehr so viel darüber geredet und sich selbst auf die Schulter geklopft, sondern der Fortschritt anhand von Taten und Verhaltensweisen demonstriert: Zum Beispiel indem Picard als kluger, humanistischer Diplomat agiert oder die Prinzipien der Nicht-Einmischung verteidigt. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt immerhin die Episode Die Seuche. Insgesamt werden wir auch erleben, dass TNG in nachfolgenden Staffeln allmählich von seinem hohen Ross herunterkommt, als den Produzenten und Autoren klar geworden sein muss, dass eine vollständig perfekte Welt sterbenslangweilig ist. Zaghaft wird man beginnen, auch einige Schattenseiten des 24. Jahrhunderts vorzuführen (diverse Irrwege und Intrigen innerhalb der Sternenflotte, z.B. Das Standgericht, Fähnrich Ro, Das Pegasus-Projekt). Deep Space Nine wird das Ankratzen des Lacks, die Infragestellung der perfekten Föderationsgesellschaft, dann auf die Spitze treiben (man denke nur an Sektion 31). Dieser Einzug von mehr Realismus wird Star Trek sehr gut tun, denn nur so kann es die Gegenwart gebührend aufgreifen und verarbeiten.

 

Viele der Hauptfiguren haben bereits in der ersten Staffel ihre Szenen, aber die meisten von ihnen wirken dabei noch überzeichnet und nicht so vielschichtig wie in späteren Seasons. Picard ist zu sehr der autoritäre, manchmal etwas grobe Kommandant ("Sind die Leute verrückt?", "Sind denn hier alle taub?!", "Sie gackern ja wie eine Glucke!"), Riker hingegen der coole, draufgängerische XO, Worf der temperamentvolle, leicht reizbare Klingone, Troi die emotive, sich allzu ernst nehmende Schiffspsychologin usw. Einzig Datas Charakter ist bereits ab Staffel eins in weiten Zügen gekonnt ausgearbeitet. Er ist dann auch die Figur, die viele schlechte Folgen durch sein pinocchiohaftes Mienenspiel und seine Versuche, menschliches Verhalten zu imitieren und zu verstehen, rettet (auch wenn er hier noch ein wenig zu oft zu direkt grinst). In der Hoffnung, TNG mehr TOS-Flair zu verleihen, wurde Gates McFadden zwischen Staffel eins und zwei überraschend entlassen und durch Diana Muldaurs Katherine Pulaski ersetzt. Diese spielte eine reizbare, ruppige, aber talentierte Ärztin. Ihre wiederkehrenden Probleme mit Picard und dem Androiden Data sollten Erinnerungen an das neckische Verhältnis zwischen Spock und McCoy wecken. Man kommt jedoch nicht herum, einzuräumen, dass dies krachend gescheitert ist (ebenso wie im Übrigen der Versuch, mit dem Hallodri Okona eine Kopie des Harry Mudd aus TOS zu erstellen). Es war nur folgerichtig, die charmante Beverly Crusher in Staffel drei zurückzubringen. Sie ist zwar kein A-Charakter, fügt sich aber als gute Seele sehr reibungslos in den Cast ein.

Eine definitive Überbetonung erfährt Crushers Sohn, Wesley. Der Junge, der auf Geheiß des TNG-Schöpfers eine Anspielung auf Roddenberry selbst sein soll, stört unseren Ausflug in die Zukunft. Wenn man sieht, wie ein vierzehnjähriger Knabe die Enterprise spielend bedient und auseinandernimmt, untergräbt das unsere Hochachtung für die komplexe Technologie des 24. Jahrhunderts – auch, wenn bereits an früher Stelle betont wird, bei Doktor Crushers Sohn handele es sich um ein Wunderkind (Der Reisende). Es wäre schön gewesen, wenn man Wesley zumindest irgendwelche Ecken und Kanten verliehen hätte, zum Beispiel ein rebellisches Verhalten. Dies hätte der Figur, die in Fankreisen schnell zur Lachnummer geriet, zweifellos gut getan und die schulstreberhafte Erscheinung, die er letztlich wurde, abgemildert.

 

Obwohl die Charaktere ohne Frage noch große Entwicklungen vor sich haben, gibt es immerhin Marksteine, die gesetzt und auf denen später aufgebaut wird. Beispiele sind die Etablierung von Picards Archäologiefaible in Die Iconia-Sonden oder die Eröffnung über sein künstliches Herz (Das Herz eines Captains). Das Dixon Hill-Motiv aus der ersten Staffel (Die geheimnisvolle Kraft, Der große Abschied, Andere Sterne, andere Sitten) wird zwar im weiteren Verlauf der Serie keine nennenswerte Rolle mehr spielen, dafür kommt aber der achte Kinofilm, Der Erste Kontakt, darauf zurück. Zudem geht die erste Staffel noch relativ stark auf die latent romantischen Gefühle zwischen Picard und Crusher ein, was ernüchternderweise erst zum Ende der Serie wieder ernsthaft aufgegriffen wird. Meilensteine bei Data sind sein Selbstbestimmungsrecht und -wille als künstliche Lebensform (Wem gehört Data?) sowie das Auftauchen seines ungleichen, zynischen Zwillingsbruders Lore (Das Duplikat). Über Worf erfahren wir, dass er innerlich zwischen seiner Natur als Klingone und seiner menschlichen Prägung im Konflikt ist (Worfs Brüder, Rikers Vater, Klingonenbegegnung). Bereits hier ist der Zwischenweltler und Grenzgänger Worf also in Grundzügen erkennbar.

Der Tod Tasha Yars, die sich über die erste Staffel hinweg sicherlich am schlechtesten entwickelt hat, löst gewissermaßen eine kleine Personalrochade aus, die der Serie gut tut: Worf wird Sicherheitschef, Geordi LaForge kurz darauf Chefingenieur; der Fokus auf die verbliebenen Charaktere wird stärker und schärfer. Dass Denise Crosby nach ihrem Abgang zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Serie eingebunden wird, zeugt von einer klugen Selbstreferenzialität von TNG: Der Tod Yars in Die schwarze Seele kommt tatsächlich vollkommen sinnfrei herüber. Das wird zumindest teilweise in Staffel drei korrigiert (Die alte Enterprise). Zu den positiven Überraschungen der ersten beiden Seasons gehören zwei weibliche Gastrollen. Mit Guinan (Whoopi Goldberg) erhält die Enterprise ab Das Kind nicht nur eine eigene Barkeeperin, sondern vor allem Picard eine zentrale Vertrauensperson außerhalb des Kommandostabs. Guinan strahlt Würde und Ruhe aus und hat einen erfrischend mysteriösen Touch. Ihre Bar, das Zehn Vorne, wird zu einem Treffpunkt für intime Gespräche und persönliche Momente - ein unschätzbarer Gewinn für die Serie. Ebenfalls zu einem wiederkehrenden Gastcharakter entwickelt sich Trois Mutter, Lwaxana Troi (gespielt von Gene Roddenberrys Frau Majel Barrett). Unterstützt durch den gleichermaßen stummen wie merkwürdigen Mister Homm, unterbricht die exzentrische Frau während ihrer Besuche die teils ermüdenden Entdeckungsreisen und mischt die Crew mit ihrer divahaften Art ordentlich auf. Insbesondere die Versuche des eher scheuen Picard, den Avancen Lwaxanas zu entgehen, sorgen in Andere Sterne, andere Sitten für ungewohnt ausgeprägten Humor, wie ihn TNG bis dato noch nicht erlebt hat.

 

Wie fällt die Bilanz für die ersten beiden Staffeln aus? Trotz vieler guter Ansätze gibt es nur sehr wenige Episoden, die positiv aus dem Einheitsbrei der 08/15-Entdecker- und Aliengeschichten herausragen. Die Geschichten im ersten Drittel von Staffel eins fallen gar sehr schlecht aus, da sie konstruiert wirken, extrem vorhersehbar sind und die Charaktere wie Statisten agieren lassen. Neben der bereits erwähnten Folge mit Trois Mutter und Zeitsprung mit Q ist das mit Abstand größte Licht der ersten zwei Jahre ganz bestimmt Wem gehört Data?. Die Art und Weise, wie hier erwachsen und moralisch besonnen über die Rechte von Data als Android gerungen wird (insbesondere von Picard!), wirft ein großes Schlaglicht auf das TNG der kommenden Jahre, in denen ethisches Verhalten, Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums noch erheblich stärker betont und herausgearbeitet werden.

Es passt, dass den Abschluss der zweiten Season eine Episode bildet, in der wichtige Ereignisse der vergangenen beiden Jahre Revue laufen (Kraft der Träume). Dies war die erste Phase – wenn man so will der Probelauf – der nächsten Generation, die sich ab dem dritten Jahr selbst finden wird. Auch, wenn das bedeuten mag, sich an der einen oder anderen Stelle etwas von Schöpfer Roddenberry zu distanzieren.

 


Gesamtbeurteilung: Abgesehen von der Einführung Qs, die sich jedoch erst im weiteren Verlauf der Serie so richtig auszahlen wird, sind in Staffel eins und zwei nur wenige Highlights und dafür viele Ausrutscher zu finden. Das hängt unmittelbar damit zusammen, dass die Serie noch zu sehr das TOS-Prinzip nachahmt (reine Entdeckerserie, Alien-of-the-Week-Geschichten, strikt abgeschlossene Einzelepisoden, rundum perfekte Föderationsgesellschaft, keinerlei Konflikte zwischen den Hauptfiguren) und ihre eigene Identität noch nicht gefunden hat. Dementsprechend haben auch viele Charaktere nicht die Form späterer Jahre. Wie wir jedoch wissen, wird sich TNG blendend weiterentwickeln. Insofern sind die ersten Staffeln notwendiger Teil seiner Erfolgsgeschichte. Mit einigem Wohlwollen gibt es daher auch vier Sterne.

 

 

Anmerkung: Die Gesamtbeurteilung ist keine bloße Addition aller Einzelbewertungen, sondern gewichtet prominente bzw. staffelbezeichnende Episoden stärker.

 

 

Einzelbewertung: Staffel 1

1.01

Der Mächtige

1.02

Mission Farpoint

1.03

Gedankengift

1.04

Der Ehrenkodex

1.05

Der Wächter

1.06

Der Reisende

1.07

Die geheimnisvolle Kraft

1.08

Das Gesetz der Edo

1.09

Die Schlacht von Maxia

1.10

Rikers Versuchung

1.11

Die Frau seiner Träume

1.12

Der große Abschied

1.13

Das Duplikat

1.14

Planet Angel One

1.15

11001001

1.16

Die Entscheidung des Admirals

1.17

Die Sorge der Aldeaner

1.18

Ein Planet wehrt sich

1.19

Prüfungen

1.20

Worfs Brüder

1.21

Die Waffenhändler

1.22

Die Seuche

1.23

Die schwarze Seele

1.24

Begegnung mit der Vergangenheit

1.25

Die Verschwörung

1.26

Die neutrale Zone

 

Einzelbewertung: Staffel 2

2.01

Das Kind

2.02

Illusion oder Wirklichkeit

2.03

Sherlock Data Holmes

2.04

Der unmögliche Captain Okona

2.05

Der stumme Vermittler

2.06

Das fremde Gedächtnis

2.07

Die jungen Greise

2.08

Der Austauschoffizier

2.09

Wem gehört Data?

2.10

Die Thronfolgerin

2.11

Die Iconia-Sonden

2.12

Hotel Royal

2.13

Die Zukunft schweigt

2.14

Rikers Vater

2.15

Brieffreunde

2.16

Zeitsprung mit Q [B]

2.17

Das Herz eines Captains

2.18

Der Planet der Klone

2.19

Andere Sterne, andere Sitten

2.20

Klingonenbegegnung [K]

2.21

Galavorstellung

2.22

Kraft der Träume

K = Klingonen/Worf-Handlungsbogen

B = Borg-Folge

 

Legende

Outstanding Episode (Prädikat: besonders wertvoll)
gute bis sehr gute Episode
durchschnittliche Episode
schlechte Episode
hundsmiserable Episode (Fremdschämen und/oder zu Tode langweilen garantiert)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

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