Brinkmanship

Autorin: Una McCormack
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenzahl: 350
Band: 13

Zeitraum: 9/2383

 

Inhalt

 

Lange Zeit blieb die Venette-Konvention unabhängig und zeigte kaum Interesse für andere Weltenbündnisse und Planeten. Nichtsdestotrotz war eine Mitgliedschaft in der Föderation für sie nicht unattraktiv. Das sachte Interesse der Venetaner wurde von der Föderation jedoch nicht rechtzeitig erwidert, denn vorher brach der Dominion-Krieg über sie herein, und der planetare Völkerbund erlebte eine abrupte Verschiebung seiner Prioritäten.


Nun, beinahe ein Jahrzehnt später, scheint der Zug, die Venetaner doch noch aufzunehmen, beinahe abgefahren. Dabei wäre eine Aufnahme der Konvention für die Föderation in Anbetracht eines nie dagewesenen kalten Kriegs, den die Milchstraße derzeit erlebt, dringender denn je. Umso dramatischer wiegt da, dass sich die Tzenkethi – Mitglieder und aggressive Antreiber des antagonistischen Typhon-Pakts – jüngst an die Venetaner herangemacht haben. Kürzlich entstand ein Übereinkommen, das den Tzenkethi Zugang zu drei Sternenbasen gewährt, die nahe den Gebieten der Khitomer-Vertragspartner liegen: eine an der Peripherie zur Föderation, eine zweite nahe der Ferengi-Allianz, die dritte strategisch heikel in der Nähe der Cardassianer.


Weil die Föderation und ihre Verbündeten darin eine gefährliche Entwicklung sehen, die das mühsam etablierte ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ kippen lassen könnte, wird die Enterprise mit einem eigenen diplomatischen Corps, das auch Cardassianer und Ferengi beinhaltet, für Verhandlungen zu den Venetaner geschickt. Das Ziel ist es, die Venetaner irgendwie davon zu überzeugen, dass ihr kürzlich geschmiedetes Abkommen mit den Tzenkethi mehr Nachteile als Vorzüge besitzt – und sie im Gegenzug stärker mit den Khitomer-Staaten zu assoziieren.


Dass die Tzenkethi dies um jeden Preis verhindern wollen, lässt sich bereits erahnen. Ein Tauziehen um das Vertrauen einer Spezies beginnt, die plötzlich zum Brennpunkt des neuen Dauerkonflikts im Quadrantengefüge wird. Welche verhängnisvolle Dynamik diese Situation zu entfalten imstande ist, zeigt sich jedoch erst später… 

 

 

Kritik

 

In mittlerweile zahlreichen Bänden wurde der Typhon-Pakt als neuer (Dauer-)Feind der Föderation und ihrer Alliierten etabliert. Wir erlebten die Entstehung des neuen Machtblocks, erhielten Einblicke in dessen komplexe innere Tektonik, wurden Zeuge erster und sich steigernder Intrigen und Ränkespiele, die der Typhon-Pakt gegen die Planetenallianz zu spinnen begann. Doch in die unmittelbare Nähe eines richtigen Kriegs kam man – ausgenommen die Ereignisse in David Georges Zweiteiler Plagues of Night/Raise the Dawn nur selten. Mit Brinkmanship wird jetzt eine weitere Eskalationsstufe gezündet – und möglicherweise die letzte.


Denn der Roman aus der Feder von Una McCormack macht von vorneherein deutliche Anspielungen auf die historisch brisante Kuba-Krise – einen entscheidenden Wendepunkt im Kalten Krieg zwischen USA und Sowjetunion. Im Mittelpunkt steht dabei ein massiver Tzenkethi-Konvoi, der sich den drei genannten Stationen in Reichweite der Khitomer-Grenzen nähert. Dabei schießen Spekulationen ins Kraut, was sich an Bord dieser Schiffe befindet. Das Wesen der feindseligen, ordnungsfanatischen Tzenkethi und die bisher so schlechten Erfahrungen mit ihnen lassen jedoch nichts gerade Erfreuliches vermuten. Mancher Hinweis deutet darauf hin, auf den drei Sternenbasen könnten in absehbarer Zeit biochemische Waffen stationiert werden, doch letztendliche Belege fehlen.

 

Während diese ungewisse Bedrohungslage rund um den sich weiterhin nähernden Konvoi weiter schwelt, beginnt die Mannschaft der Enterprise den Verhandlungsmarathon mit den Venetanern. Dabei wird rasch ersichtlich, dass nicht nur die venetanische Art, Diplomatie zu betreiben, äußerst speziell ist, sondern auch die Tzenkethi immer wieder geschickt Intrigen streuen, die dazu führen, dass das Vertrauen der Konvention in die Föderation stets aufs Neue untergraben wird. Dann schließlich beginnt das politische Engagement der Khitomer-Staaten unter vermeintlich hausgemachten Problemen zu leiden: Die cardassianische Delegation sorgt mit dezidiert aggressivem Auftreten für mehrere Eklats, die in einen Abbruch der Gespräche zu münden drohen.


Bedauerlicherweise ist hier mit die schwächste Stelle des Buches – der Leser kommt recht schnell dahinter, dass irgendetwas anderes außer Paranoia oder verletztem Stolz das auf den ersten Blick grob fahrlässige Verhalten der Cardassianer bestimmen muss, dass die Cardassianer vielmehr eine ganz bestimmte Strategie fahren. Diese Vorhersehbarkeit hängt unmittelbar mit einem zusätzlichen Plot zusammen, der bereits zu Anfang von Brinkmanship einsetzt und eine cardassianische Agentin auf der Tzenkethi-Heimatwelt begleitet. Jener Handlungsbogen, über den an dieser Stelle nicht mehr verraten sei, wird sich im weiteren Verlauf der Geschichte auch zur Lösung des allgemeinen Dilemmas entwickeln. Hier hätte McCormack nicht ganz so offensichtlich agieren und den Leser mehr im Ungewissen lassen können.

 

Trotzdem ist Brinkmanship spannend zu lesen. Immer wieder versucht die Delegation auf Venette dosierte Befreiungsschläge, versucht Captain Dax an Bord der Aventine Klarheit über die wahren Absichten der Tzenkethi zu gewinnen und Schritte zu ergreifen, um einen drohenden Krieg abzuwenden. Doch eine Mischung aus Pech, unterschätztem Risiko, Nervosität und Überhitzung sowie den gewieften Schachzügen der Tzenkethi (man denke zum Beispiel an die Separatverständigung mit den Ferengi!) sorgt dafür, dass die politische Krise sich immer weiter auswächst, Handlungsspielräume immer kleiner werden. Dabei bleibt lange Zeit offen, wie kriegslüstern die wenig sympathischen Tzenkethi tatsächlich sind.


Was mir persönlich am Buch, das sicherlich durch die Bank grundsolide bis beeindruckend kreativ geschrieben ist, besonders gefallen hat, ist der schleichende Wandel im Agieren der Föderation und ihrer Aktanten. Man merkt, da ist etwas in Bewegung geraten. Versuchte die Planetenallianz in den vergangenen Romanen noch, den Typhon-Pakt eher einzudämmen und durch die Herstellung eines breiten Defensivbündnisses (Ausweitung der Khitomer-Verträge) auszubalancieren, gibt es nun Politiker und Sternenflotten-Offiziere, die durchaus bereit scheinen, einen bewaffneten Konflikt mit dem Pakt zu riskieren. Das mag verschiedene Gründe haben.

 

Nach beinahe zwei Jahren der ständigen Konfrontation mit dem neuen, vielgesichtigen Gegner mögen manche Nerven blank liegen, aber es brechen auch wieder Eigenschaften an die Oberfläche, die der Dominion-Krieg und die spätere Borg-Invasion der Föderation haben angedeihen lassen. Die Gefahr eines Erstschlags besteht damit über weite Teile des Romans tatsächlich, und es ist durchaus als bezeichend zu sehen, dass diese Gefahr vor allem deshalb Gestalt annimmt, weil die Föderation einen Bewusstseinswandel erfährt. In Brinkmanship wird fühlbar, wie das Gemisch aus ständiger Angst, chronischer Nervosität und schlimmen Erfahrungen in Paranoia umschlagen kann. Dieser Mechanismus verselbstständigt sich und trägt maßgeblich dazu bei, dass am Ende der unter keinen Umständen gewollte Krieg zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Womöglich ist dies vom Psychogramm des kurz vor dem Ersten Weltkrieg unter 'Einkreisungsparanoia' leidenden Deutschen Reichs gar nicht so weit entfernt.

 

Deshalb ist es an und für sich auch so brisant, dass McCormack eine deutliche Analogie zur Kuba-Krise aufbaut: Der Tzenkethi-Konvoi nähert sich der Föderationsperipherie, und auch nur ein kleines Scharmützel könnte schlagartig beide antagonistische Bündnissysteme aktivieren – mit der Folge eines umfassenden Kriegs, der sich über Alpha- und Beta-Quadrant erstrecken würde. Hier wird der kalte Krieg vielleicht so erfahrbar wie nie zuvor im Star Trek-Universum, obgleich sich McCormack die Kritik wird gefallen lassen müssen, dass eine Konfrontation der Blöcke nichts mehr ist, was uns in unserer gesellschaftlichen Gegenwart noch groß beschäftigt. Die Herausforderungen sind heute andere. Star Trek aber hat sich stets Mühe gegeben, unsere soziale und politische Realität zu reflektieren. Von daher hätte es dem Roman sicher gut getan, wenn die Anspielungen auf den kalten Krieg an der einen oder anderen Stelle nicht ganz so plakativ ausgefallen wären; selbiges gilt für den Ausgang der Handlung. Dass man auch andere Möglichkeiten gehabt hätte, die Story interessant zu gestalten, zeigt zum Beispiel Ezri Dax‘ besonderes Verhältnis zu den Venetanern.

 

Eine Frage, die die Geschichte aufwirft, hat mich besonders interessiert: Aus welchen Gründen haben sich die Venetaner den Tzenkethi zugewandt? Erst ein Handelsabkommen, dann geht ihr Vertrauen plötzlich so weit, dass sie strategisch wertvolle Raumstationen an sie vermieten. Leider habe ich vergeblich auf eine plausible Antwort gewartet. Gut, die Venetaner haben sich offenbar jahrhundertelang um eine privilegierte Partnerschaft, später sogar um eine Mitgliedschaft in der Föderation bemüht und wurden durch fragwürdiges diplomatisches Verhalten seitens der Planetenallianz brüskiert. Aber wieso um Himmelswillen wendet sich dieses allen Beschreibungen nach so friedfertige, offene und grundehrliche Volk dann ausgerechnet den aggressiven, territorialen und ziemlich geheimniskrämerischen Tzenkethi zu? Wissen die Venetaner denn so wenig über den Ruf der Tzenkethi-Koalition, oder sind sie einfach nur leichtgläubig? Letzteres scheint mir zuzutreffen, wenn ich mir den Fortgang des Buches so anschaue. Da beteiligen die Venetaner ihre "guten Freunde von der Tzenkethi-Koalition" sogar bei delikaten diplomatischen Gesprächen mit Föderationspersonal. Wie naiv muss man eigentlich sein?

 

Die Venetaner passen einfach nicht zu den Tzenkethi oder zum Typhon-Pakt. So reizvoll das ganze Szenario auch ist, so bleiben die Motive eines zentralen Akteurs, der Konvention selbst nämlich, im besten Fall ziemlich unklar und wirken manchmal annähernd absurd. Das verursacht gewisse Enttäuschungen, zumal den Venetanern klar sein müsste, dass sie sich mit einer politischen Positionierung zugunsten einer Seite zum Brennpunkt erheblicher Auseinandersetzungen machen. Eigentlich müssten sie, um ihre Welt zu schützen, gerade in diesen Zeiten auf strikte Neutralität bedacht sein. So clever ist dieses angeblich so alte, besonnene Volk wohl doch nicht.

 

 

Fazit

 

Nichtsdestotrotz ist mein Fazit eindeutig: Brinkmanship ist eines der besten Typhon Pact-Bücher, die bislang erschienen sind. Das liegt nicht nur an den schwierigen und plastisch geschilderten Verhandlungen sowie vielfach unterhaltsamen Dialogen, sondern auch an einer parallelen Spionagestory auf Ab-Tzenketh, deren Stärke es ist, uns die totalitäre Gesellschaft der Tzenkethi noch ein wenig näher zu bringen und damit ganz auf Linie der bisherigen Typhon Pact-Bände bleibt, die stets die Völker des antagonistischen Blocks beleuchteten. Vor allem aber zeigt Brinkmanship, dass Freiheit und Denken viel mit indirektem Sprechen zu tun haben. Somit ist dies - womöglich der Höhepunkt im Ringen zwischen Föderation und Pakt - vor allem ein Buch über den Zusammenhang von Politik und Furcht.

 

7/10 Punkten.

2-2013