2371/72: Demokratie auf Cardassia

 

 

In den Jahren 2371/72 erlangt der so genannte Detapa-Rat und damit eine Zivilregierung auf Cardassia Prime die Regierungsmacht. Es ist ein nahezu singuläres politisches Ereignis in der jüngeren Geschichte der Cardassianischen Union, im Zuge dessen sich demokratische Kräfte durchsetzen. Diese Entwicklung ist untrennbar verbunden mit der heiklen Vorphase des Dominion-Kriegs.

 

 

Ursachen

 

Bereits im 19. Jahrhundert irdischer Zeitrechnung wurde der Detapa-Rat als Teil des cardassianischen Regierungssystems gegründet. Obwohl ihm die Unionsverfassung technisch gesehen die Rolle des Parlaments und damit des einzigen demokratisch legitimierten Verfassungsorgans zuschrieb, aus dem eine zivile Regierung gegründet wurde, übernahm er in der Praxis nur anfänglich die Kontrolle über die Regierungsgeschäfte. Schon bald hatten die beiden anderen gesellschaftlichen Kräftefelder auf Cardassia - das Zentralkommando und der Obsidianische Orden - hinter den Kulissen eine Konstruktion erarbeitet, die faktischen Administrativvollmachten des Detapa-Rats maximal zu beschneiden. Die Militärregierung, die somit zustande kam, erhielt den Anschein aufrecht, der Detapa-Rat und die von ihm gewählte Regierungsmehrheit sei nach wie vor maßgeblich für die Gesetzgebung in der Union zuständig. Dabei hatte er unlängst nur noch debattierende und beratende Funktion, und die Militärs fällten die wegweisenden inneren und äußeren Entscheidungen.

 

Zentralkommando und Obsidianischer Orden waren niemals so weit gegangen, die Mitglieder des Rats zu inhaftieren oder auszuwechseln, weil so ihre politische Farce aufgeflogen wäre. Oft umgaben sich einflussreiche Militärs sogar mit honorigen Ratsmitgliedern, um ihr gesellschaftliches Ansehen zu erhöhen und sich selbst zu legitimieren. Die Verdrängung aus der politischen Verantwortung hatte selbstverständlich Folgen für das Gremium: Bereits im Laufe des 22. Jahrhunderts wurde der Detapa-Rat zu einem Sammelbecken für regimekritische und reformfreudige Parlamentarier und damit zur Keimzelle eines demokratischen Cardassia. Unter den Ratsmitgliedern befanden sich mehrere Persönlichkeiten, die mit außerparlamentarischen Dissidentenbewegungen verbunden waren. Trotz verschiedenster Initiativen gelang es jedoch nie, dem Rat zu seiner eigentlich vorgesehenen Funktion zurückzuverhelfen - zu übermächtig und autoritär war längst die Militärherrschaft auf Cardassia geworden. Einzige Ausnahme ist eine sehr kurze Phase weniger Jahre im frühen 23. Jahrhundert, in der der Versuch unternommen wurde, eine Republik auf Cardassia zu etablieren, was hauptsächlich dadurch möglich wurde, weil die Konkurrenz zwischen Zentralkommando und Orden zu einer unerwarteten Schwächeperiode der Militärherrschaft führte. Im Zuge eines Staatsstreichs wurde dann die autoritäre Regierung wieder fortgesetzt.

 

Trotz der faktischen Machtlosigkeit des Detapa-Rats gab es allerdings immer wieder Situationen, in denen öffentlich angesehene Akteure der Zivilregierung bestimmte Entwicklungen beschleunigen oder die Militärs politisch unter Druck setzen konnten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Beendigung der cardassianischen Besatzung des Planeten Bajor. Die Entscheidung zum Abzug aller militärischen Truppen wurde ursprünglich von einem einflussreichen Zirkel in der zivilen Führung getroffen (einer der wichtigsten Männer war hierbei Kotan Pa'Dar) und öffentlich angeordnet. Obwohl der Detapa-Rat nicht wirklich über die Möglichkeiten verfügte, einen solchen Entschluss zu exekutieren, setzte er die Militärbefehlshaber angesichts der zunehmend entglittenen Lage auf Bajor und des laufenden Friedensdialogs mit der Föderation derart unter Zugzwang, dass das Zentralkommando eine raschere Beendigung der Besatzung ins Werk setzte als es ohne den Einfluss der zivilen Regierung der Fall gewesen wäre. Dennoch waren diese Momente, in denen sich der Detapa-Rat mit einer gewissen Bedeutung für politische Handlungen der Cardassianischen Union hervortat, eher vereinzelte günstige Gelegenheiten, die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit zu nutzen.

 

 

Machtwechsel

 

Erst Ende 2371 ereignete sich ein wirklicher Machtwechsel, der die zivile Regierung in zentrale politische Verantwortung brachte. Als der Obsidianische Orden im Rahmen einer groß angelegten Jointventureoperation mit dem Tal'Shiar in den Gamma-Quadranten aufbrach, um die Heimatwelt der Gründer ausfindig zu machen und in einem Präventivschlag zu zerstören, erlitt er eine nie da gewesene Niederlage. In der Heimat begannen die Säulen seiner Macht in sich zusammenzustürzen, weil er sich über Gebühr verausgabt und viele seiner Führungspersönlichkeiten verloren hatte. Hinzu kam die öffentliche Diskreditierung: Es tat sich kund, dass der Orden eine eigene Flotte unterhalten hatte, was ihm rechtlich gesehen jedoch nicht zustand. Dies wiederum entfachte eine enorme Welle der Empörung in der cardassianischen Öffentlichkeit ebenso wie innerhalb des Zentralkommandos.

 

Hinzu kam, dass politisch Andersdenkende durch die Schwäche des Ordens nicht länger verfolgt und unterdrückt wurden und so die Gelegenheit nutzen konnten, Stimmung gegen den politischen Status quo zu machen. Ab Herbst 2371 erstarkte die Dissidentenbewegung auf Cardassia massiv. Sie beschränkte sich nicht nur auf die Zivilbevölkerung - sogar in den Reihen des Zentralkommandos gab es seit geraumer Zeit selbstkritische Mitglieder (wie zum Beispiel Legat Tekeny Ghemor und seine Verbündeten), die der Meinung waren, das Militär habe einen zu starken Einfluss auf das Leben der Bürger erhalten. Hinzu kam in der Bevölkerung ein enormes Maß an Unzufriedenheit angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation Cardassias und der anhaltenden Probleme in der Entmilitarisierten Zone.

 

Durch den Wegfall des Ordens als die Militärregierung flankierende und stabilisierende Instanz geriet das autoritäre Regime insgesamt ins Wanken. Das Zentralkommando konnte sich einer vom Detapa-Rat ausgehenden Debatte nicht entziehen, die öffentlich geführt wurde und die Abschaffung des Ordens betraf. Um ihre Gesichter zu wahren, kehrten militärische Oberbefehlshaber wie Gul Dukat ihren langjährigen Verbündeten den Rücken und schlugen sich kurzerhand auf die Seite der Wortführer des Rats. Doch der allgemeine Druck war bereits zu stark geworden. Öffentlich forderte man, dass die Militärregierung abdanken solle. Nach mehr als einem Jahrhundert der Diktatur übernahm der vom Volk gewählte Detapa-Rat wieder die Kontrolle des cardassianischen Gemeinwesens. Das Zentralkommando wurde infolgedessen nicht abgeschafft, aber in seinen Kompetenzen stark beschnitten und personell teils neu geordnet.

 

 

Verlauf und Ende

 

Der demokratische Aufbruch Cardassias fiel in eine Zeit extremer Herausforderungen. Infolge ökologischer Katastrophen und Hitzewellen brachen in zahlreichen Landstrichen der Zentralwelt Hungersnöte aus und führten frühzeitig dazu, dass schnell auf die Unterstützung des von der neuen Regierung ungeliebten Militärs zurückgegriffen werden musste. Auch hatten viele Ratsmitglieder kaum Erfahrung beim Führen der Regierungsgeschäfte, weil die Militärregierung das Parlament lange Zeit zu einer Weltanschauungskirche degradiert hatte. Durch derlei Umstände machte Gul Dukat, eigentlich ein Mann des alten Systems, rasch Karriere in der neuen politischen Realität Cardassias - als oberster Militärberater der neuen Regierung.

 

Der gravierendste Rückschlag für die Festigung der demokratischen Administration ergab sich schon wenige Wochen nach Übernahme der Amtsgeschäfte durch die zivile Regierung. In einer Mischung aus Paranoia und machtpolitischem Kalkül zeigte sich der klingonische Hohe Rat unter Kanzler Gowron davon überzeugt, der demokratische Machtwechsel auf Cardassia sei das Ergebnis einer Infiltration durch Wechselbälger des Dominion. Das Klingonische Reich veranlasste eine immense Mobilmachung und begann - gegen den Protest der Föderation - mit einer Invasion der Cardassianischen Union, woraufhin es zu Kriegshandlungen kam.

 

Zwar stand die Föderation den Cardassianern bei und verhinderte dadurch einen weiteren Vormarsch der klingonischen Verbände, doch der nun ausgebrochene Krieg führte dazu, dass die öffentliche Ordnung auf Cardassia Prime außer Kraft gesetzt werden musste. Die Hoffnungen und Verheißungen vom demokratischen Aufbruch waren schon Makulatur. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen und in der Stunde der Not viele Vollmachten wieder in die Hände des Militärs gelegt. Dies war der ersehnte Anlass für die ehemalige Elite des Zentralkommandos, wieder an die Macht zurückzukehren. Die institutionelle Mitwirkung des Militärs wurde reinstalliert, und der Detapa-Rat verlor nach nicht einmal einem Jahr wieder seine federführende Rolle.

 

Hinzu kam die politische Führungsschwäche der zivilen Administration. Diese war überfordert mit der klingonischen Invasion. Nachdem die Klingonen ihre Positionen im cardassianischen Raum befestigt hatten, fürchtete der Detapa-Rat eine weitere militärische Eskalation und war bereit, auf diplomatischem Wege Konzessionen zu machen. Dies führte in den Reihen des Zentralkommandos zu großem Unmut und verstärkte in den Reihen der Guls den Wunsch, wieder zu einer vom Militär gestellten Führung zurückzukehren.

 

Im Spätsommer 2373 führte Gul Dukat Geheimverhandlungen mit dem Dominion, die binnen kurzer Zeit erfolgreich verliefen. Infolgedessen arrangierte Dukat den Beitritt Cardassias zur Supermacht aus dem Gamma-Quadranten, die zu diesem Zeitpunkt bereits auf einen Krieg gegen die Föderation und deren Verbündete aus war. Dukat erreichte damit nicht nur den politmilitärischen Wiederaufstieg der Cardassianischen Union (damit einhergehend die Vertreibung der Klingonen aus cardassianischem Raum sowie die Vernichtung des Maquis), sondern auch eine unangefochtene Stellung an der Spitze einer neuen Militärregierung.

 

Mit dem Beitritt der Union zum Dominion begann eine beispiellose politische Säuberungswelle, die auch vor den Mitgliedern des Rats keinen Halt machte. Reste demokratischer Institutionen wurden vollständig zerschlagen und ihre Akteure getötet oder inhaftiert. Erst das Ende des Dominion-Kriegs (2373-75) brachte über zwei Jahre später die Hoffnung auf ein demokratisches Cardassia zurück. Doch der Weg bis dorthin würde lang werden. Die Zentralwelt lag in Trümmern, die meisten Parlamentarier lebten nicht mehr, und die Union wurde, geschmäht als einer der größten Kriegsbrandstifter in der Geschichte der Galaxis, bis auf weiteres zum Protektorat von Föderation, Klingonen und Romulanern, um eine weitgehende Entmilitarisierung und Demokratisierung des cardassianischen Staates ins Werk zu setzen.

 

 

Referenz

TOS TNG DS9 VOY ENT ST-Romane/Comics
  6x10 2x05     A Stitch in Time (DS9)
  6x11 3x05     The Never-ending Sacrifice (DS9)
    3x09      
    3x15      
    4x01      
    4x02      
    4x14      
    5x14      
    5x15