2372/73: Klingonischer Krieg

 

 

Anfang 2372 bricht unerwartet der seit den offenen Kampfhandlungen vor über einem Jahrhundert (2267) zweite kriegerische Konflikt zwischen der Vereinigten Föderation der Planeten und dem Klingonischen Reich aus. Er dauert mehr als ein Jahr und steht in engem Zusammenhang mit den Vorbereitungen des im Gamma-Quadranten ansässigen Dominion, eine groß angelegte Invasion des Alpha-Quadranten zu starten.

 

 

Ursachen

 

Nachdem das Dominion infolge der Entdeckung des Wurmlochs durch die Sternenflotte spätestens ab Ende 2370 seine ausgeprägte Feindseligkeit unter Beweis gestellt hatte, begann es nicht auf Anhieb, gegen die Föderation und die Mächte des Alpha- bzw. Beta-Quadranten einen bewaffneten Konflikt zu führen. Stattdessen bedienten sich die Gründer in den kommenden Jahren eines sorgsam vorbereiteten und orchestrierten Vorgehens, in dessen Zentrum Intrigen, Manipulation und psychologische Kriegsführung standen. Während sie teils widersprüchliche Gerüchte um einen baldigen Krieg anheizten, infiltrierten vereinzelte Wechselbälger neuralgische Punkte auf der anderen Seite des Wurmlochs. Auf diese Weise war es möglich, die Mächte im Quadrantengefüge in eine Invasionsparanoia zu stürzen, lange bevor es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam.

 

Mit diesem abgekarteten Vorgehen beabsichtigten die Gründer in erster Linie, einen Keil zwischen die tonangebenden Staaten zu treiben. Konnten anfängliche Versuche dieser Art (2371 sollte beispielsweise ein Krieg zwischen Föderation und Tzenkethi ausgelöst werden) noch vereitelt werden oder versuchten manche eher verfeindete Mächte des Alpha- und Beta-Quadranten sogar kooperativ gegen das Dominion vorzugehen (ebenfalls 2371 gab es ein Jointventure zwischen cardassianischem und romulanischem Geheimdienst), hatten die Wechselbälger spätestens ab 2372 mit ihrer Strategie großen Erfolg. Ausgerechnet das Klingonische Reich sprang auf den Plan des Dominion an.

 

Anfang 2372 reagierten die Klingonen auf Gerüchte, wonach ein Staatsstreich, der auf Cardassia Prime stattgefunden habe (2371/72), auf eine Invasion der Cardassianischen Union durch Formwandler zurückgehe. Der einflussreiche General Martok, wichtigster Berater von Kanzler Gowron, wurde (wie sich erst zwei Jahre später herausstellen sollte) durch einen Gründer ersetzt und manipulierte Gowron, indem er ihn dazu verleitete, einen groß angelegten Angriff auf die Cardassianische Union zu starten. Dabei hatte der falsche Martok ein leichtes Spiel, denn der zunehmend korrupte und von Machtgier zerfressene Gowron stand zu diesem Zeitpunkt innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand und war händeringend auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich als großer und ruhmreicher Anführer zu inszenieren.

 

Wie so viele andere Politiker suchte Gowron sein Heil in der Außenpolitik - und im Krieg. Unter seiner Autorität entsandte der Hohe Rat eine gewaltige Streitmacht in den bajoranischen Sektor, angeblich um die Föderation darin zu unterstützen, ein Bollwerk gegen das Dominion am Wurmloch zu errichten. Nachdem die Klingonen in bajoranischem Raum Eigenmacht und Willkür walten ließen, indem sie Raumschiffe stoppten und durchsuchten, fand die Sternenflotte den wahren Grund ihrer Anwesenheit heraus: Nach einer Rast bei Deep Space Nine sollten sie in cardassianischen Raum einfallen, Territorien und Ressourcen annektieren und sich bis nach Cardassia Prime durchschlagen, um den Detapa-Rat, die neue zivile Regierung, abzusetzen.

 

Die Argumentation der Klingonen, durch die Eroberung Cardassias werde der Alpha-Quadrant sicherer vor dem Dominion sein, überzeugte die Föderation nicht; hinter diesem fadenscheinigen Vorwand schien Gowrons entfesseltes Macht- und Geltungsverlangen durch. Als feststand, dass die Föderation für das Vorhaben des Kanzlers unter keinen Umständen die Hand reichen würde, reagierten die Klingonen, indem sie ihre Flotte ohne weitere Verzögerung in Richtung Cardassia losschlagen ließen. Der Föderationsrat verurteilte den Eroberungsfeldzug aufs Schärfste, woraufhin der Hohe Rat sämtliche Botschafter von der Erde abzog und das Khitomer-Abkommen (2293) widerrief.

 

Es blieb nicht nur bei der gekündigten Freundschaft. Da die klingonischen Angreifer aufgrund der Schwächephase der Cardassianischen Union nahezu widerstandslos die entlegenen cardassianischen Kolonien einnahmen, sah sich die neu gegründete Administration auf Cardassia Prime bald gezwungen, die Flucht zu ergreifen, bestand doch die reelle Gefahr, dass die Heimatwelt eingenommen werden könnte. Während des Transfers wurde der cardassianische Kreuzer Prakesh, welcher die Ratsmitglieder beförderte, von klingonischen Kampfschiffen angegriffen. In dieser Situation blieb der Sternenflotte, repräsentiert durch die U.S.S. Defiant, nichts anderes mehr übrig als die Cardassianer zu schützen. Dieser Vorfall führte in einer sehr dichten Eskalationskette zum Vergeltungsangriff einer klingonischen Schlachtflotte (unter Befehl von Gowron selbst) auf Deep Space Nine. Zwar gelang es der Sternenflotte, die Klingonen abzuwehren, allerdings erklärten sie nun offen den Krieg, da sie annahmen, die Föderation hätte sich gegen sie gewandt. Der gekränkte Stolz Gowrons war hierbei gewiss auch ein entscheidender Faktor.

 

 

Kriegsverlauf

 

In den ersten Wochen des Kriegs begannen die Klingonen, ihre Stellung in den eroberten cardassianischen Gebieten zu festigen. Da sich die klingonischen Kampfflotten nun teilweise auf die Planetenallianz konzentrierten, kamen die Fortschritte im cardassianischen Raum immerhin weitgehend zum Erliegen. Von der Föderation angebotene Verhandlungen ließ der Hohe Rat sofort scheitern. Gowron, von einer Mischung aus Paranoia, Minderwertigkeitskomplex und chauvinistischem Größenwahn erfasst, rief "einen großen Krieg um die Seele des Reichs" aus.

 

Der aggressive Eroberungskurs, der stark an die klingonische Politik im 23. Jahrhundert erinnert, führte beim klingonischen Militär zu einem Blutrausch. Übergriffe auf zivile Niederlassungen der Föderation blieben nicht aus; es kam zu regelrechten Massakern. Auch hinterhältige Taktiken wurden ohne Skrupel eingesetzt (Camouflage-Manöver, getarnte Minenfelder), die teilweise vorzeitig aufgedeckt werden konnten, teilweise viel Schaden anrichteten. Höhepunkte der Konfrontationen mit der Föderation waren die klingonische Besetzung des Archanis-Sektors, der durch das Khitomer-Abkommen der Planetenallianz zugesprochen worden war, oder die Schlacht von Ajilon Prime. Nichtsdestotrotz waren die primär Leidtragenden die Cardassianer, da sie das Hauptziel der klingonischen Feldzüge darstellten.

 

Der Zweifrontenkrieg, welchen sich das Reich leistete, führte zu einem starken Verschleiß von Schiffen und Crews. Schnell zeichnete sich ab, dass ein rascher Sieg über die Föderation, welche die Versorgungslinien der Cardassianer protegierte, unrealistisch war. Daher setzten die Klingonen nun auch auf den Einsatz subtilerer Methoden, um die Föderation zu schwächen. So versuchte die klingonische Diplomatie, Worf, dem einzigen klingonischen Offizier in der Sternenflotte, zur Last zu legen, er hätte ein Schiff mit klingonischen Zivilisten absichtlich zerstört. Ziel dieser Finte war es, die Eskorte cardassianischer Konvois durch die Sternenflotte einzustellen. Da die Sternenflotte auf absehbare Zeit nicht zu besiegen war, hoffte das Reich, das Beistandsbündnis zwischen Föderation und Cardassianern aufzulösen und letztere schneller zu unterwerfen. Dieser Versuch scheiterte allerdings. Hinzu kam, dass der Hohe Rat heimlich alles daran setzte, den Maquis militärisch aufzurüsten, um einerseits von der EMZ her zusätzlichen Druck auf Cardassia auszuüben, andererseits die Kräfte der Föderation stärker zu binden, indem sie gegen die Rebellen im Grenzgebiet vorgehen musste.

 

Eine allmähliche Wendung erfuhr der Krieg erst im Frühjahr 2373, als ein Undercoverteam der Sternenflotte Ty'Gokor, das klingonische Militärhauptquartier, infiltrieren und den Flottenbefehlshaber, General Martok, als Wechselbalg überführen konnte. Durch diesen Einsatz schwächte sich der Konflikt zwischen den beiden Mächten beträchtlich ab, wenngleich er noch nicht eingestellt wurde, wie die Schlacht von Ajilon Prime wenige Monate später bewies. Trotz der Erkenntnis, monatelang gezielt manipuliert worden zu sein, war Gowron immer noch nicht bereit, seinen ausgeprägten Wunsch nach Macht zugunsten der Sicherheit des Alpha-Quadranten zurückzustellen.

 

 

Ende

 

Die Gefahr einer erneuten Eskalation war durch Ajilon deutlich sichtbar geworden. Trotz verschiedener Bemühungen, zu einer Wiederherstellung des Friedens zu gelangen, wurden Waffenstillstandsabkommen immer wieder von klingonischer Seite durchbrochen. Es war nicht abzusehen, wie lange der Krieg noch andauern würde.

 

Erst, als sich im Sommer 2373 unerwartet die Cardassianische Union unter Vermittlung Gul Dukats dem Dominion anschloss und Jem'Hadar-Flotten in großer Zahl durch das Wurmloch strömten, um einen Brückenkopf im Alpha-Quadranten zu errichten, sahen sich Föderation und Klingonen einer so großen Gefahr gegenüber, dass sie den Krieg schnell und relativ unspektakulär einstellten. Noch ohne einen formellen Krieg zu erklären, begann das Dominion rasch, die von den Klingonen besetzten cardassianischen Gebiete zurückzuerobern, woraufhin sich die klingonische Armada unter erheblichen Verlusten zurückziehen musste.

 

Mit der Einsicht, dass das Dominion nur mit Hilfe der Föderation zu schlagen war, setzte Gowron das Khitomer-Abkommen wieder in Kraft. Somit ging der Krieg mit den Klingonen fast nahtlos über in den wesentlich umfassenderen Dominion-Krieg (2373-75), in dessen Verlauf die ehemaligen Konfliktparteien zu einer intensiven Kooperation fanden. Die Ablösung Gowrons als Kanzler durch den (echten) General Martok eröffnete der Föderation-Klingonen-Allianz zudem ganz neue Perspektiven, sodass der Frieden auch nach 2375 gewahrt bleiben und sogar ausgebaut werden konnte.

 

 

Einordnung

 

Seit dem Jahr 2267 gab es keinen offenen Krieg mehr zwischen Reich und Föderation. Mit Blick auf den Krieg von 2372/73 lautet die entscheidende Frage daher, warum sich das Reich ausgerechnet im Angesicht einer so kritischen Situation wie der möglicherweise bevorstehenden Dominion-Invasion auf einen umfangreichen Eroberungsfeldzug gegen die Cardassianische Union einließ. Hier reicht es wohl nicht aus, einzig darauf hinzuweisen, dass die Klingonen sich gern als Retter des Alpha-Quadranten zelebrieren wollten, um so ihren Ehr- und Sicherheitsvorstellungen Genüge zu tun. Wenngleich dies eines ihrer Motive war und propagandistisch verbreitet wurde, würde dieser Beweggrund allein der Komplexität der Gesamtsituation nicht gerecht.

 

Schürft man tiefer, ist unter keinen Umständen zu vernachlässigen, dass der machtgierige Kanzler Gowron und nicht wenige Mitglieder im Hohen Rat eine günstige Gelegenheit witterten, unter dem Vorwand der Rettung vor dem Dominion die ohnehin geschwächte Cardassianische Union in einen Krieg zu verwickeln und auf diesem Weg den eigenen Einfluss im Quadranten massiv zu mehren. Erst durch diese machtpolitische Komponente, die der Klingone Worf als ein "Zurückkehren zu alten Gewohnheiten" beschrieb, ergibt sich ein vollständigeres Bild. Damit verbunden ist ganz gewiss auch der Versuch der korrupten und im klingonischen Volk ungeliebten Führung des Reichs, zusätzlichen innenpolitischen Spielraum zu gewinnen und ihre politische Vormachtstellung zu festigen. Durch seinen radikalen Kurs wurde Gowron von konservativen und revanchistischen Kreisen in der klingonischen Bevölkerung bejubelt und erzeugte eine Mobilisierung. Nicht zuletzt darf auch der Einfluss des Gründers, der General Martok frühzeitig ersetzt und Gowron proaktiv zum Krieg bewogen hatte, auf keinen Fall vernachlässigt werden.

 

Insgesamt muss man also sagen, dass die Motivation, einen Krieg gegen die Cardassianer zu führen, eine Mischung aus vielen Faktoren darstellte. Das allgemeine Klima einer sorgsam geschürten, regelrechten Invasionsparanoia, welche den Alpha-Quadranten in dieser Zeit heimsuchte, stieß im Klingonischen Reich auf spezifische Mentalitäts-, innen- und machtpolitische Gegebenheiten, die einem umfangreichen Konflikt Vorschub leisteten.

 

Dass die Klingonen mit ihrer Kriegserklärung an die Föderation eine zweite Front eröffneten, kann dahingehend interpretiert werden, dass dem Hohen Rat rasch die Kontrolle über die eigenen Handlungen entglitt: Ein Krieg gegen die Planetenallianz mochte zwar keineswegs einkalkuliert gewesen sein, stand aber dennoch in der logischen Konsequenz des Kurses, welchen Gowron und die politmilitärische Führung des Reichs mit der Invasion Cardassias eingeschlagen hatten. Die Dynamik dieser Entwicklung war enorm. Die klingonische Ehre und die Geister, die der Kanzler gerufen hatte, verboten es zudem, den Krieg von klingonischer Seite zu beenden, was die Kämpfe unnötig in die Länge zog und am Vorabend des Dominion-Kriegs bedeutete, dass beide Seiten angeschlagen waren.

 

 

Referenz

TOS TNG DS9 VOY ENT ST-Romane/Comics
    4x01     Taking the Bull by the Horns (STC)
    4x02      
    4x04      
    4x14      
    4x15      
    4x18      
    4x26      
    5x01      
    5x04      
    5x14      
    5x15