Paths of Disharmony

Autor: William Leisner
Erscheinungsjahr: 2011
Seitenzahl: 450
Band: 9

Zeitraum: 11/2382

 

Vorbemerkung

 

Es gab ein wenig Verwirrung, und die war hausgemacht: Spielten die ersten beiden Typhon Pact-Bände, Zero Sum Game und Seize the Fire, im Jahr 2382, ging Nummer drei, Rough Beasts of Empire, chronologisch um ein Jahr zurück – nur damit Band vier, Paths of Disharmony, wieder in der zweiten Jahreshälfte 2382 stattfinden kann. Manch einen Leser mag dieser Umstand nicht stören, da die Geschichten ja auch nicht allzu stark untereinander zusammenhängen und unterschiedliche Serienfiguren fokussieren; dennoch hätte sich vielleicht eine intelligentere Reihenfolge der Typhon Pact-Bände finden lassen können.

 

 

Inhalt

 

Mit Paths of Disharmony sind wir mehr als ein Jahr von der Destiny-Katastrophe entfernt und damit so weit wie noch kein anderer Star Trek-Roman seit der literarischen Zäsur, die gleichsam das Ende des Borg-Kollektivs bedeutete. Das Buch aus der Feder von Dayton Ward fokussiert Picard und die Enterprise als Protagonisten für ein neues Abenteuer gegen die Feinde vom Typhon-Pakt. Und auch diesmal liegt eine wesentliche Absicht darin, eine der antagonistischen Spezies vorzustellen und zu vertiefen. Wie dies hier geschieht und ob es gelingt an späterer Stelle.

 

Aufhänger der Geschichte ist der Niedergang des andorianischen Volkes, den wir bereits seit den Anfängen des DS9-Relaunch (und der Eröffnung, dass es vier Geschlechter und ein handfestes Fortpflanzungsproblem auf Andoria gibt) hautnah miterleben dürfen. Nachdem nun diese historische Gründungswelt der Föderation im Zuge der Borgangriffe reichlich verwüstet wurde, hat sich auch die Fertilitätskrise der Andorianer zu einer handfesten Überlebenskrise ausgewachsen. Denn trotz hoffnungsvoller Zeichen, die sich im Zuge der Mission Gamma-Odyssee der U.S.S. Defiant mit dem Fund der Yrythny-Eier ergaben, scheint bis heute bei der Entwicklung eines Heilmittels, welches das Aussterben der andorianischen Spezies aufzuhalten vermag, kein Durchbruch geglückt zu sein.

 

Angesichts der zahllosen humanitären Brandherde, bei denen die hoffnungslos überforderte Sternenflotte Feuerwehr spielen muss, haben die Andorianer immer mehr den Eindruck, hinten angestellt und mit ihrem drängenden Problem nicht mehr ernst genommen zu werden. So entsteht auf dem Planeten eine immerzu stärker werdende politische Bewegung mit Hang zum Vandalismus, die der Föderation am liebsten den Rücken kehren möchte. Frei nach dem Motto ‚Besser spät als nie‘ reagiert erst jetzt die VFP-Administration unter Führung von Präsidentin Bacco: Sie entschließt sich dazu, den federführenden andorianischen Wissenschaftlerin Einblicke in die düstersten Akten der Föderationsgeschichte zu gewähren – die Aufzeichnungen zu den Eugenischen Experimenten –, um Hilfestellung zu geben.

 

Da diese Geste jedoch noch nicht für einen absehbaren Erfolg ausreicht, entsendet sie auch die Enterprise. Sie soll nicht nur durch ihre hoffnungsvolle Präsenz Ruhe und Ordnung auf dem gebeutelten Eisplaneten stiften, sondern auch eine wichtige VFP-Tagung unterstützen. Bei dieser Konferenz, zu der Experten aus aller Herrgottswelten geladen sind, steht die Frage im Vordergrund, wie sich das andorianische Erbgut modifizieren lässt – aus Sicht der beteiligten Forscher bislang die einzige Hoffnung, die Zukunft Andorias zu sichern.

 

Genau das aber ist Stein des Anstoßes für einen drohenden Volksaufstand: Einige Andorianer nehmen lieber das sichere Aussterben der eigenen Spezies in Kauf als zu Versuchskaninchen für die Erschaffung einer neuen, zweigeschlechtlichen Lebensform zu werden, deren Kultur höchstwahrscheinlich eine vollkommen andere sein wird. Trotz der Anwesenheit von Picard und Co. brechen sich immer größere Unruhen Bahn. Und dann tauchen zu allem Überfluss noch die Tholianer auf und haben eine Botschaft an das andorianische Volk, die Folgen für den Fortbestand der Föderation insgesamt hat…

 

 

Kritik

 

„Hey, Dayton, ich will, dass Du das vorläufig letzte Typhon Pact-Buch schreibst. Hör zu, da muss wirklich etwas Dramatisches passieren. Die Föderation muss so richtig erschüttert werden durch die Machenschaften des antagonistischen Blocks. Diesmal muss er zeigen, wozu er fähig ist…“ So oder so ähnlich könnte die Unterhaltung zwischen Margaret Clark und Autor Ward abgelaufen sein, als letzterer den Zuschlag für Paths of Disharmony erhielt. Nachdem die ersten drei Romane eher den Pakt – auch im Hinblick auf interne Intrigen – vorstellten, aber weniger dramatische Auswirkungen auf die Grundfesten der Föderation zeigten, soll Nummer vier also endlich aus den Vollen schöpfen. Etwas nie Dagewesenes muss passieren, ein Präzedenzfall geschaffen werden, der einen Wendepunkt in der Entwicklung der Föderation markiert – diesem Prinzip wird in Paths of Disharmony, wie der Titel bereits erahnen lässt, alles untergeordnet. Leider gilt dies auch für Logik und Aufbau der ganzen Geschichte, die zudem völlig überhastet geschrieben worden zu sein scheint.

 

Wards Plotstruktur offenbart frühzeitig einen Hang zur Redundanz. Diese ist nicht einfach nur störend, weil aus unterschiedlichen Perspektiven häufig dasselbe erzählt wird (man denke an das Präludium zur Sicherheitskonferenz: Vorbereitungen aus Sicht der Enterprise-Crew mit ‚bösen‘ Vorahnungen, wiederum ‚böse‘ Angriffspläne der Terroristengruppe) und gerade die Einleitung extrem langatmig wird, nein: Die Handlung nimmt durch frühzeitige Vorwegnahmen und planerische Schlampigkeiten schlichtweg Schaden, weil das weitere Geschehen vorhersehbar wird.

 

Das zentrale Manko des Romans ist indes ein anderes. Es hat weniger mit schriftstellerischem Handwerk als der grundsätzlichen Story zu tun. Man merkt, dass von vorneherein die Absicht bestand, eine Gründungswelt mit Pauken und Trompeten aus der Föderation austreten zu lassen – durch fleißige Intervention des Paktes natürlich. Ein einmaliger Vorgang und Schockeffekt am Ende der Reihe. Wenigstens scheint das die Inspiration hinter dem Buch gewesen zu sein. Um ihr Genüge zu tun, hat man eine Geschichte aufgezogen, die auf den ersten Blick zwar spannend anmutet (endlich geht es einmal wieder um Andoria), bei näherer Betrachtung aber nur so vor Ungereimtheiten und Unschärfen strotzt.

 

Nachdem sich der Leser durch die erste Hälfte des Wälzers gekämpft hat – ich lege Wert auf diese Wortwahl, da die ersten zweihundert Seiten vielfach nur mattes Geblähe sind –, kommt mit dem Auftauchen der Tholianer zunächst tatsächlich so etwas wie Nervenkitzel auf. Von ihnen erfährt man, dass die Föderation nicht ganz ehrlich zu den Andorianern war, ihnen eine mögliche Lösung ihrer Fertilitätskrise offenbar seit mehr als einhundert Jahren vorenthält, weil sie (aufgrund ihrer schlimmen historischen Erfahrungen) nicht bereit ist, alle Datenbanken zu genetischer Forschung offenzulegen. Die Tholianer jedoch haben dies in einem Akt der Nächstenliebe, wie sie propagandistisch vorgeben, natürlich vor kurzem getan – und der andorianischen Chefforscherin nichts Geringeres als das Taurus-Meta-Genom an die Hand gegeben. Dies würde den Leser wohl aufhorchen lassen, hätte er Gedächtnisschwund. Doch schon am Anfang des Buches wurde eröffnet, dass die Dame ihre Ergebnisse nicht selbst erarbeitet, sondern von einem anonymen Quelle zugestellt bekommen hat.

 

Die revanchelüsternen Tholianer schlachten ein moralisch bedingtes Verhalten der Föderation gegenüber einer ihrer Mitgliedswelten als Schwachstelle zum Nutzen des Typhon-Pakts aus. Die Idee, da das Meta-Genom hineinzubringen, tut dem Ganzen jedoch nicht unbedingt gut. Denn ohne, dass die Vanguard-Reihe schon zu Ende erzählt worden wäre, wird hier mit plakativem Halbwissen umhergeworfen, ohne dass das Kind beim Namen genannt wird – man will ja nicht das Finale von Vanguard vorweg nehmen. Insgesamt, muss ich sagen, erscheint es mir ziemlich unlogisch, dass die Föderation – trotz mancher ethischer Bedenken aufgrund der Jahrhunderte zurückliegenden Vergangenheit – einer so zentralen Mitgliedswelt wie Andoria wichtiges Wissen vorenthält, das helfen könnte, das Aussterben eines ganzen Volkes zu verhindern. Scheinbar will Ward auf Teufel komm raus unbedingt einen Bruch zwischen den Antennenträgern und der Planetenallianz provozieren, so künstlich dieser auch wirken mag.

 

Ganz und gar in Schwachsinn gleitet die Geschichte aber ab, als Andoria sich zuletzt (wenn auch mit knappem Entscheid) dem Typhon-Pakt zuwendet. Gerade die Position der Terroristen ist nicht mehr nachvollziehbar, wenn sie zuerst gegen die Föderation kämpfen, weil sie Genmanipulation am andorianischen Erbgut verhindern wollen, dann jedoch die Tholianer mit offenen Armen empfangen, um eben dies zu ermöglichen. Das – vorhersehbare – politische Erdbeben am Schluss ist dann auch mit so viel Biegen und Brechen erkauft worden, dass es seine intendierte Wirkung nicht entfalten kann: Andorias Austritt aus dem interstellaren Völkerbund verkommt zu einer kruden und verkorksten Laune der Geschichte.

 

Noch eine Bemerkung: Völlig aus dem Rahmen fällt im Kontrast zur düsteren Handlung diesmal die Stimmung an Bord der Enterprise. Je schlimmer die interstellare Großwetterlage zu werden scheint, desto mehr scheinen Picard und Mannen intern auf Schmusekurs gehen zu wollen. Ich glaube, in bislang keinem Roman gab es eine Liebes- und/oder Familiengeschichte hoch vier. Ward schafft es hier tatsächlich, wahnsinnig viel zu schreiben, ohne irgendetwas Interessantes, Erheiterndes oder Erbauliches auf all den Seiten zu hinterlassen. Dies verstärkt bei mir den Eindruck, dass die Gesamtkomposition von Paths of Disharmony ordentlich misslungen ist.

 

 

Fazit

 

War’s das jetzt mit der Föderation? Ich jedenfalls habe als Leser, mit dem Destiny-Inferno im Rücken, nur noch die Achseln gezuckt. Es gab bereits so viel Verwüstung im Star Trek-Universum, ohne dass irgendetwas Sinnvolles bislang daraus erwachsen ist – mal abgesehen von neuer machtpolitischer Belauerung. So verkommt in der langen Linie, die gerade der TNG-Relaunch seither genommen hat, das vorläufige Ende der Typhon Pact-Reihe zu einem eher müden Versuch, eine neue markerschütternde Bombe hochgehen zu lassen...auf dem Weg zu einem Battlestar-Trek. Ich jedenfalls habe mich im besten Fall gelangweilt. Und nebenbei gesagt: Der Hinweis, dass Picard bald seinen wohl verdienten Ruhestand antreten möchte, lässt einen wenig hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

 

3/10 Punkten.

12-2011