Zero Sum Game

Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: 2010
Seitenzahl: 330
Band: DS9 Post-Season-9/Post-Destiny 1

Zeitraum: 4/-8/2382

 

Vorbemerkung

 

Zero Sum Game spielt im August 2382, also mehr als fünf Jahre nach The Soul Key. Es ist der erste Band der Typhon Pact-Reihe, die sich mit einem neuen, gefügten antagonistischen Machtblock auseinandersetzt. Viel stärker als durch den DS9-Relaunch sind diese Bücher durch die zurückliegenden Ereignisse der Destiny-Trilogie aus dem Jahr 2381 geprägt. In diesem Sinne ist DS9 auch nicht mehr der zentrale Handlungsort; viele Protagonisten haben mittlerweile die Bühne der Station verlassen, und es werden nur noch vereinzelte Figuren aufgegriffen. In Zero Sum Game stehen unter anderem Julian Bashir und Ezri Dax im Vordergrund.

 

 

Inhalt

 

In der dramatischen Destiny-Trilogie sahen wir nicht nur das Ende des Borg-Kollektivs; wir sahen auch, wie die Föderation und der Alpha-Quadrant der Apokalypse ins Antlitz blickten. In ihren verzweifelten Bemühungen, der sicheren Vernichtung durch die kybernetischen Invasoren zu entrinnen, schmiedete die Planetenallianz unter Präsidentin Nanietta Bacco in Rekordtempo ein Waffenbündnis mit nahezu allen wichtigen Mächten im Alpha- und Beta-Quadranten, doch beging sie dabei den einen oder anderen symbolischen Fehler. Wenige Monate später waren die Borg zwar vernichtet, doch in A Singular Destiny fand der Historiker und Politikberater Sonek Pran heraus, dass die Ära nach den Borg die Zeit einer neuen Bedrohung ist: jene des Typhon-Paktes.

 

Getragen von alten Revanchegedanken, neu entbrannter Paranoia und einer gehörigen Portion historischem Zufall, fanden im Nachklang der großen Borg-Invasion sechs Mächte zu einer politmilitärischen Union zusammen, welche die galaktische Sternenkarte revolutionierte. Romulaner, Breen, Tholianer, Gorn, Tzenkethi und Kinshaya - alle vereint in einer Art Anti-Föderation, die den interstellaren Völkerbund und seine klingonischen Alliierten nun mit ihren Territorien umzingelt und sämtliche diplomatischen Beziehungen auf Eis legte.

 

Im ersten Jahr nach der aufrüttelnden Konstituierung des Typhon-Paktes keimte bei den politischen Spitzen der Föderation die leise Hoffnung, die Lage würde vielleicht doch nicht so schrecklich werden, wie sie auf den ersten Blick anmutete. Doch als im April 2382 die Konstruktionsunterlagen des Slipstream-Antriebs aus den Utopia Planitia-Flottenwerften gestohlen werden, fällt es Bacco und ihren politischen Weggefährten wie Schuppen von den Augen: Die Föderation steckt mitten in einem kalten Krieg, der in absehbarer Zeit ein heißer werden könnte.

 

Ermittlungen und Rückverfolgungen durch den Geheimdienst der Sternenflotte in den kommenden Monaten ergeben, dass ein romulanisches Schiff in den Spionageeinsatz im Sol-System involviert war, aber offenbar haben hier mehrere Mächte des Paktes ihre Finger im Spiel. Mehr noch: Offenbar basteln die Breen auf einer ihrer Welten in hoher Geschwindigkeit an einem eigenen Slipstream-Prototypen, den sie nach der Fertigstellung wahrscheinlich mit ihren Paktpartnern teilen werden, nachdem Vergleichbares bereits mit der romulanischen Tarnvorrichtung und der gegenseitigen Perfektionierung von Waffen- und Verteidigungssystemen geschah.

 

Bacco wendet sich auf Empfehlung ihrer SIA-Berater an Commander Julian Bashir, der als so ziemlich letzter der alten DS9-Recken auf der Station weilt und seine Rolle in diesem neuen Zeitalter noch nicht gefunden hat. Obwohl sie bereits mehrere Jahre zurückliegt, hängt ihm die Trennung von Ezri Dax in Unjoined immer noch ein wenig nach, zumal er ein einsamer Wolf geblieben ist. Da wird er plötzlich von Captain Ro Laren, der - oh Wunder! - neuen Kommandantin von DS9 auf die Ops gerufen, ehe die Bajoranerin ihm einen Vertreter des Sternenflotten-Geheimdienstes vorstellt, der Bashir unverhofft für eine dringliche, von der Präsidentin höchst selbst abgesegnete Mission zu rekrutieren gedenkt.

 

Für den Doktor soll es undercover nach Salavat gehen, einer bis an die Zähne bewaffneten Breen-Kolonie, in der die halbfertige Slipstream-Apparatur samt der gestohlenen Datensätze vermutet wird. Es ist dringend geboten, diesen Prototypen unschädlich zu machen und auch die Datengrundlagen zu sabotieren, um den Gegnern der Föderation einen zentralen technologischen Fortschritt zu verbauen. Zugleich gilt es, den Ausbruch eines offenen Kriegs in naher Zukunft zu verhindern.

 

Trotz Bashirs anfänglicher Hemmungen, den Einsatz durchzuführen, verleitet ihn das Auftauchen von Sarina Douglas zum Einlenken. Die - wie er - genetisch erweiterte Frau, der er im Laufe der Serie half, zu sich selbst zu finden (DS9-Episode Chrysalis), ist nach den Jahren, in denen sie sich nicht mehr gesehen haben (und sie offenbar eine Agentin des SIA wurde), wie ausgewechselt und zieht Bashir sofort in ihren Bann. Zusammen mit Sarina erklärt er sich schließlich bereit, als Spion für eine - allerdings einmalige - Mission nach Salavat zu reisen. Dabei erhält niemand anderes als seine Ex, Captain Ezri Dax, den Befehl, beide an Bord ihres Schiffes ins Breen-Territorium einzuschleusen und nach getaner Arbeit wieder von dort abzuholen.

 

Undercover im Reich der Breen angelangt, beginnt für Bashir und Sarina nicht nur ein Wettlauf gegen die Zeit, sondern auch um Informationen. Sie müssen die geheime Produktionsanlage in Kürze finden. Während der riskanten Mission erkennt der Mediziner für sich, dass er endlich die Liebe seines Lebens gefunden hat - und lässt sich (erneut) auf eine Romanze mit Sarina ein, deren Ausgang er unmöglich kennen kann.

 

Über die ominösen Breen geraten im Zuge der Mission indes einige unerwartete Fakten an Tageslicht, die das bisherige Bild von diesem Volk kurzerhand über den Haufen werfen. Und Ezri Dax an Bord der Aventine muss alles daran setzen, Bashir und Sarina bei ihrer Rückkehr in Empfang zu nehmen. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Breenflotte, die Dax tunlichst nicht provozieren darf, auf dass der nächste Schritt tatsächlich in einem neuen, quadrantenübergreifenden Krieg besteht...

 

 

Kritik

 

Nach der Formierung eines neuen, mächtigen Feindes der Föderation stand es irgendwie zu erwarten, dass der Typhon-Pakt früher oder später Gegenstand von Romanabenteuern sein würde. Weil ich mich nicht ständig wiederholen möchte, gehe ich an dieser Stelle nicht weiter auf die Problematik ein, dass die Föderation seit dem Hochkommen des TNG-Relaunch wohl etwas zu sehr in Existenzkämpfe verwickelt wurde, die das Star Trek-Universum zuweilen eher wie ein Star Wars 2.0 anmuten lassen.

 

Lässt man aber die Vergangenheit ein wenig ruhen, läuft sich mit dem Typhon-Pakt in der Tat ein Gegner warm, der statt offenen Konflikten nicht nur einer aus meiner Sicht interessanteren Geheimdienst- und Spionagethematik Tür und Tor öffnet. Auch enthält diese neue Allianz eine Reihe alter 'Bekannter', über die seit ihrem erstmaligem Erscheinen nie wirklich viel eruiert wurde. Man denke an die Gorn oder die Tholianer oder auch an die eher im DS9-Kontext behandelten Breen und Tzenkethi. Der Anspruch der Typhon Pact-Bände ist demnach gleich ein doppelter: Spannende Geschichten in der Post-Destiny-Ära zu erzählen und gleichzeitig manch antagonistische Kultur zu beleuchten. Dies könnte auch die Erkenntnis mit sich bringen, an welcher Stelle zwischen den Paktverbündeten die größten Widersprüche oder gar Rivalitäten untereinander existieren.

 

In Zero Sum Game soll es, wie der Leser bei flüchtigem Blick auf den Klappentext ahnt, um die Breen gehen. Die Darstellung dieses Volkes, das in DS9 zwar vorkam, jedoch eine Schimäre blieb, ist gut, hat aber auch gewisse Schattenseiten. Zwar wird - wie mittlerweile bei guten Star Trek-Romanen üblich - alles an Informationen, die der Canon über eine Spezies (in diesem Fall die Breen) hergibt, zusammengetragen und (vermeintliche) Widersprüchlichkeiten zugunsten einer schlüssigen Erklärung aufgelöst - was Bestsellerautor Mack durchaus anerkennenswert gelingt. Trotzdem führt gerade die erklärende Auflösung des Mysteriums rund um die geheimnisumwitterten, maskierten Breen auch zu einem Verlust an Reiz dieser Spezies.

 

Die Erkärungen, die angeboten werden, sind zwar durch die Bank einleuchtend, aber ein ehemals gesichtsloser Feind, der so detailliert in seiner Alltagswirklichkeit beleuchtet wird, wirkt dadurch plötzlich irgendwie sehr gewöhnlich, anfassbar, ja beinahe menschlich. Wenn die Breen durch Einkaufspassagen schlendern, mit Hochgeschwindigkeitszügen fahren und nach getaner Arbeit in Appartements mit Fernseher und Sofa-Garnitur zurückkehren, wird es schwer, das Bild des erbarmungslosen Gegners aufrechtzuerhalten, das sich zu Serienzeiten aufgebaut hat. An dieser Stelle wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Man hätte dem Leser durchaus Erklärungen an die Hand geben können, ohne dabei das Unbekannte und damit Bedrohliche an den Breen so stark zu lüften.

 

Ein wenig merkwürdig bis unglaubwürdig ist das strategische Grundszenario des Romans, und das hat durchaus auch mit der Darstellung der Breen zu tun. Wenn es den Breen mit romulanischer Unterstützung gelingt, bis ins Herz des Sol-Systems vorzudringen und dort aus einer der best geschütztesten Flotteneinrichtungen der Sternenflotte hochvitale Konstruktionsunterlagen zu entwenden – wieso sind sie dann so leicht hinters Licht zu führen, wenn es darum geht, Spione des Sternenflotten-Geheimdienstes bei ihnen einzuschleusen? Auch hier entpuppen sich die Breen letztlich nicht so gefährlich und verschlagen wie sie zu Beginn des Buches anmuten.

 

Destiny, Typhon-Pakt, Breen... Da ist viel passiert. Wie aber passt die Raumstation Deep Space Nine noch in all das hinein? Mehr schlecht als recht, wie es scheint. Aus gutem Grund macht sich Pocket Books gar nicht mehr die Mühe, den Roman mit 'Deep Space Nine' zu überschreiben. Stattdessen wird mit Bashir der Letzte der alten Garde abberufen und auf ein eigenes Abenteuer geschickt. Seine dauerhafte Abkehrbewegung von seinem alten Posten symbolisiert auch das vergeigte Treffen zwischen Dax und Bashir zu Anfang des Romans. Für Bashir wird es der Beginn eines sehr harten weiteren Lebensweges werden, in dem Spionage und Intrige immer stärker seine Welt dominieren werden (man denke an kommende Bücher wie Disavowed oder Control).

 

Die vorliegende Mission gestaltet sich im besten Sinne eines David Mack-Romans: actionlastig, kurzweilig, durchaus düster und voller Nervenkitzel. Man merkt sehr wohl, dass gravierende Veränderungen für die Milchstraße anstehen. Handwerklich-stilistisch gibt es, abgesehen von ein paar kleineren Logiklöchern (wie etwa der oben angesprochenen schwankenden Breen-'Intelligenz'), kaum etwas an dem Buch zu beanstanden.

 

Auch dass das Ende von Zero Sum Game dabei ziemlich vorhersehbar ist, fällt kaum ins Gewicht, denn die Geschichte besitzt alles, um gut zu funktionieren: eine Beschränkung auf wenige zentrale Figuren, was der gekonnten Charakterzeichnung Macks gebührend Platz einräumt, einen reizvollen, erfrischend anderen Gegner, viele brenzlige Situationen und eine wirklich genial aufgegriffene Liebesgeschichte.

 

Der Schachzug, Bashir und Sarina wieder ein Paar werden zu lassen, erscheint in rückwärtiger Perspektive gegenüber der eher erzwungenen Romanze mit Ezri (frei nach dem Jetzt-darf-der-Bashir-auch-endlich-mal-Motto) durch und durch folgerichtig und passt umso besser zu den inneren Konflikten, die Bashir im Rahmen des DS9-Relaunch mit seiner genetisch erweiterten Identität mehr als einmal ausfechten musste. Hier reiht sich der erwähnte Konflikt zwischen Bashir und Dax, nachdem letztere von seiner Affäre Wind bekommt, wunderbar ein, unterlegt er doch nicht bloß die gewachsene Freundschaft mit der (mittlerweile schwer emanzipierten) Trill, als vielmehr die Folgenschwere seines Bekentnisses zu Sarina (der gegenüber er ab und zu vielleicht zu sehr als Lehrling erscheint).

 

Dagegen sehe ich es eher als ernüchternde Wendung an, dass zuguterletzt Sarina von Sektion 31 'ferngesteuert' wird und Bashir damit wieder einmal das Objekt der Begierde ein- und derselben Organisation ist, die einfach nicht die Finger von ihm lassen will. Funktionierte die Sektion-31-Story Abyss innerhalb des DS9-Relaunch ganz wunderbar, wäre es diesmal fraglos schöner gewesen, hätte man die Geheimorganisation aus dem Spiel gelassen. Wenn schon die Borg aus dem Universum verschwinden, kann man doch erwarten, dass wenigstens die Nachfolger von Sloan mal endlich in ein anderes Horn blasen.

 

Und damit hätten wir bereits das Stichwort genannt, das hier einzig für größere Bauchschmerzen sorgt: DS9 kommt - trotz der Verwendung zentraler Serienprotagonisten - in der Post-Destiny-Ära nicht mehr als eigenständige Größe vor. Gründe hierfür gibt es reichlich: Zum einen ist seit der abgebrochenen neunten Staffel einfach viel zu viel Zeit übersprungen worden, zum anderen befindet sich scheinbar kaum mehr jemand auf der Station, der sie noch interessant machen könnte (bei Ro frage ich mich wirklich, wie sie es zum Captain geschafft haben will). Darüber hinaus - und das ist wohl am gewichtigsten - sind die eher filigranen und speziellen DS9-Themen unter all den Borg und Caeliar und politmilitärischen Ränkespielen begraben worden. Zumal immer dann, wenn das Raumschiff Aventine auftaucht, scheint sich diese Befürchtung zu bewahrheiten.

 

Keine Chance mehr also für DS9-Flair im neuen ST-Zeitalter (gegen das die dritte Star Trek-Serie noch eine Ode an Optimismus und Naivität war) - selbst, wenn im dritten Typhon Pact-Band Rough Beasts of Empire sogar Benjamin Sisko wieder ins Gelände geschickt wird. Die DS9-Figuren stehen nun für sich und sind eingebettet in vollkommen andere globale Abläufe. Damit hat Pocket Books mehr denn je eine Verschemlzung der Serien über das klassische Crossover-Prinzip hinaus erreicht, gleichzeitig aber einen neuen Einheitsbrei kreiert, der dem Leser nun vorgesetzt wird.

 

 

Fazit

 

Wenn man an Zero Sum Game im Speziellen und der Typhon Pact-Reihe im Allgemeinen also etwas Gravierenderes aussetzen möchte, dann an der Entkernung der einst so stolzen und etwas eigenwilligen Marke 'DS9-Relaunch' - übrigens nicht das erste prominente Opfer des Destiny-Erdbebens, das auch der Fortsetzung von Voyager einen gehörigen Schlag verpasst hat.

 

Trotz einer wirklich spannenden und gut geschriebenen Geschichte à la Mack: Nie war ich ein größerer Gegner von Crossovern als heute. Aber die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen, und so steht zu erwarten, dass DS9 kaum noch eine genuine Rolle im Star Trek-Universum spielen wird. Wahrscheinlich treten wir in eine Phase ein, in der die Star Trek-Romane sich komplett von ihren Vorlagen lösen werden. Wenigstens einen Fan werden sie damit aber verlieren.

 

7/10 Punkten.

12-2010