2328-46: Betreka-Nebel-Zwischenfall

 

 

Der so genannte Betreka-Nebel-Zwischenfall ist der Oberbegriff für eine achtzehnjährige kalte Staatsräson zwischen dem Klingonischen Reich und der Cardassianischen Union in der ersten Hälfte des 24. Jahrhunderts. Im größeren Kontext wird er als Nexus großer politischer Umwälzungsprozesse zwischen den vier großen Mächten des Alpha- und Beta-Quadranten verstanden, sodass es sich um viel mehr als ein singuläres Ereignis handelte. In den größeren Zusammenhang des Betreka-Nebel-Zwischenfalls fällt auch die Schlacht von Narendra III (2344), da sie beträchtliche Auswirkungen auf die klingonisch-cardassianische Konfrontation hatte. Selbiges gilt für das sogenannte Khitomer-Massaker (2346), welches gemeinhin als Höhepunkt und Abschluss dieses schwerwiegenden Konflikts angesehen wird. 

 

 

Ursachen

Zwischen den Jahren 2328 und 2331 stießen das Klingonische Reich und die Cardassianische Union ungefähr zeitgleich in den Betreka-Nebel vor, eine große nebulare Ausdehnung mit zahlreichen Ressourcenadern und einer Vielzahl kolonisierbarer Klasse-M-Welten. Bereits nach kurzer Zeit entbrannte ein offener Streit um die Reklamierung von Rohstoffen und Territorien. Zwischen den Expeditionscorps beider Seiten kam es zu offenen Kampfhandlungen, die sich schnell zu regelrechten Brandherden auswuchsen. 

 

Die Vereinigte Föderation der Planeten beobachtete die mit jedem Tag weiter eskalierende Lage im Betreka-Nebel mit großer Besorgnis. Es war das erste Mal, dass Klingonen und Cardassianer ernsthaft aneinander gerieten, zwei expansionistische Großmächte, deren Selbstverständnis weder Innehalten noch Rückzug vorsieht. Aus diesem Grund wollte die Planetenallianz nichts unversucht lassen und lud die politischen Vertreter der Klingonen und Cardassianer zu Gesprächen auf die Erde. Unter Federführung des ebenso erfahrenen wie angesehenen Diplomaten Curzon Dax wurde eine Konferenz abgehalten, die eine Schlichtung der beiden verfeindeten Parteien herbeiführen und einen offenen Krieg um Besitzansprüche im Betreka-Nebel verhindern sollte. Im Zuge zäher und von Rückschlägen begleiteter Verhandlungen gelang dem ausgewiesenen Klingonenkenner Dax nach Monaten ein für unmöglich gehaltener Durchbruch: Der Trill-Botschafter erreichte einen Kompromiss, der im Wesentlichen eine Teilung des Betreka-Nebels in zwei Einflusssphären vorsah.

 

 

Eskalation und weiterer Verlauf

 

Unter wechselnden Regierungen sowohl in der klingonischen als auch cardassianischen Nation vergingen die kommenden zwölf Jahre ohne nennenswerte Friktionen. Beide Parteien hielten sich an die gefundene Lösung und blieben hinter den vereinbarten Perimetern. Dann jedoch fing ein klingonischer Bird-of-Prey per Zufall ein veraltetes Signal auf, das aus dem Herzen der cardassianischen Hälfte des Nebels kam. Offenbar entstammte es einem klingonischen Transponder. Von Neugier ergriffen, drang der Bird-of-Prey unter Verletzung des Vertrags in die cardassianische Zone ein. Am Ursprung des Signals angelangt, machte das klingonische Außenteam auf dem Planeten Persuac IX eine ungeahnte Entdeckung: Man stieß auf die Überreste einer alten klingonischen Kolonie, die vor circa neunhundert Jahren hier begründet worden war.

 

Dieser unerwartete Fund fiel zusammen mit einem heiklen Regierungswechsel auf Qo’noS. Der neu inthronisierte Kanzler Markesh war ein Mann aggressiver Rhetorik. Seine chauvinistischen Parolen hatten bereits im Vorfeld seines politischen Aufstiegs das Verhältnis zur Föderation belastet. Kaum war Markesh an die Macht gekommen, traf er eine Entscheidung, wie sie radikaler kaum sein konnte: Mit sofortiger Wirkung annullierte er den geltenden Kompromiss und erklärte angesichts der jüngsten Entdeckung den rechtmäßigen Anspruch des Klingonischen Reichs auf den gesamten Betreka-Nebel, welchen er von nun an als ‚heiliges Land‘ bezeichnete. Radikale Elemente des klingonischen Militärs und der Bevölkerung bejubelten ihn dafür.

 

Als sich die Cardassianer weigerten, darauf einzugehen und ihre Flotten abzuziehen, gab Markesh – entgegen Curzon Dax‘ inständigem Versuch, die Kontrahenten an den Verhandlungstisch zurückzubringen (es gab den Vorschlag, Persuac IX analog zum Betreka-Nebel in zwei Einflusssphären zu separieren) – den Befehl, eine Großoffensive vorzubereiten. Entlang des cardassianischen Perimeters wurden Dutzende von Raubvögeln und Angriffskreuzern zusammengezogen. Markesh verkündete ein Ultimatum, nach dessen Verstreichen die Waffen sprechen würden.

 

Weitere Versuche, an die Gesprächsbereitschaft von Cardassia und Qo’noS zu appellieren, scheiterten. Im Betreka-Nebel liefen immer mehr Flottenverbände auf, und ein Kriegsausbruch schien nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Nicht einmal ein ungeklärter Zwischenfall, bei dem mehrere Gorn-Schiffe ins klingonische Heimatsystem eindrangen und einen Kamikazeflug auf die Erste Stadt gesetzt hatten (die Schiffe konnten vorher unschädlich gemacht werden), konnte die Klingonen beeindrucken. Obwohl es an Beweisen fehlte, gibt es Vermutungen, dass der cardassianische Obsidianische Orden hinter dieser Aktion stand und mit gekaperten Gorn-Schiffen versuchte, die Aufmerksamkeit der Klingonen abzulenken und ihre Entschlossenheit, gegen Cardassia in den Krieg zu ziehen, zu zerstreuen. Die Sternenflotte entsandte eine Flottille, der unter anderem die U.S.S. Okinawa unter Captain James Leyton angehörte, um die Situation vor Ort zu beobachten.  

 

Wenige Stunden vor Ablauf von Markeshs Ultimatum empfing die Okinawa eine geheime Transmission, die vor dem Abfeuern eines Torpedos auf die klingonische Flotte warnte. Es wurden Koordinaten für die Zielerfassungssensoren genannt. Tatsächlich konnte die Okinawa sich so in letzter Sekunde zwischen beide Flotte manövrieren und den angekündigten Torpedo vernichten. Dieser war nicht von den Cardassianern abgeschossen worden. Zwar existieren wie im Fall des Vorfalls mit den Gorn-Schiffen keine Beweise, doch wird spekuliert, ob die Romulaner mithilfe eines kleinen getarnten Schiffes heimlich ein Projektil zum Abschuss gebracht hatten, sodass es für die Klingonen aussah, als sei die Waffe aus dem cardassianischen Flottenverbund gekommen. Im Eifer des Gefechts hätten sie sofort das Feuer eröffnet, und offene Kampfhandlungen hätten ihren Lauf genommen. Durch die Warnung, die der Okinawa zugespielt worden war, war dieser Fall im buchstäblich letzter Minute abgewendet worden. Hatte sich möglicherweise ein Doppelagent an Bord des getarnten Scoutschiffes befunden?

 

Dass die Romulaner mit dem mysteriösen, letztendlich gescheiterten Vorfall in Verbindung stehen mochten, lässt der Umstand vermuten, dass zur selben Zeit ein Angriff auf die klingonische Grenzkolonie Narendra III erfolgte (2344). Überraschend tauchte eine Schwadron neuer Warbirds auf und eröffnete das Feuer auf den Planeten. Offensichtlich hatten die Romulaner beschlossen, aus ihrer Isolation in Folge des Tomed-Zwischenfalls (2311) schrittweise auszubrechen und sich mit einer spektakulären Aktion in Erinnerung zu rufen. Mit der Blitzattacke im Narendra-System hatten sie eine gute Gelegenheit, Beute zu machen und außen- wie innenpolitisch aufzutrumpfen. Doch der Kriegsausbruch im Betreka-Nebel blieb aus, und Narendra III wurde überraschend vom Sternenflotten-Flaggschiff, der U.S.S. Enterprise-C, protegiert. Der schwere Kreuzer der Ambassador-Klasse opferte sich bei der Verteidigung der Kolonie. Hierdurch wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die die Beziehungen zwischen Föderation und Klingonen neu belebte. Die Bande zwischen beiden Mächten erfuhren eine wesentliche Stärkung, und die Khitomer-Verträge wurden daraufhin zu einer vollwertigen Allianz erweitert.

 

In den nächsten zwei Jahren blieb die Lage im Betreka-Nebel zwar angespannt, erreichte allerdings nicht mehr den kritischen Level wie unmittelbar vor der Schlacht von Narendra III. Obwohl sich die Beziehungen zwischen Föderation und Klingonen rasch erholten, gelang es Dax nicht mehr, eine tragfähige politische Lösung zwischen Qo’noS und Cardassia zu vermitteln. Als ein fehlgeleiteter klingonischer Frachter in die cardassianische Zone des Nebels eindrang, wurde dieser in der Befürchtung, es handele sich um eine Angriffslist, von mehreren Galor-Kreuzern zerstört. Beschuldigungen und Anklagen machten zwischen Qo’noS und Cardassia die Runde. Wie zwei Jahre zuvor liefen Flottenverbände an der Zonengrenze auf, und Kanzler Markesh machte erneut gegen Cardassia scharf.

 

Zu diesem Zeitpunkt erfolgte ein erneuter Angriff der Romulaner auf eine klingonische Kolonie. Diesmal war der Ort des Geschehens Khitomer (2346). Anders als zwei Jahre zuvor konnte kein Sternenflotten-Schiff rechtzeitig eintreffen, um sich den romulanischen Angreifern zu stellen. Etwa viertausend Klingonen verloren im Zuge der rätselhaften Attacke, nach der die romulanischen Schiffe sich rasch wieder zurückzogen, ihr Leben. Auf der klingonischen Heimatwelt löste der erneute romulanische Überfall einen politischen Erdrutsch aus. Getrieben von Entsetzen und Hass der Bevölkerung, vollzog Kanzler Markesh einen radikalen Kurswechsel. Er erklärte den vollständigen Abzug aller klingonischen Verbände aus dem Betreka-Nebel und schloss so schnell Frieden mit der Cardassianischen Union, dass manche Diplomaten in der Föderation sich verwundert die Augen rieben. Die Cardassianer erhielten die vollständige Kontrolle über den Betreka-Nebel und erklärten sich im Gegenzug bereit, Qo’noS freie Hand in anderen umstrittenen Gebieten zu lassen, sodass man einander in Zukunft wieder aus dem Weg gehen würde.

 

 

Folgen

 

Die Tinte unter dem Vertrag mit Cardassia war noch nicht einmal trocken, da erklärte Markesh dem Romulanischen Sternenimperium heißblütig den Krieg. Er verkündete, die gesamte Flotte gegen das „Imperium der ehrlosen Meuchelmörder“ werfen zu wollen, und leitete eine Generalmobilmachung ein. In diesem Moment erkannte Ratsmitglied K’mpec, dass er handeln musste, um eine existenzielle Situation für das Reich zu beenden. Er stellte sich Markesh offen in den Weg und warf ihm vor, die Klingonen vom Regen in die Traufe zu führen. Ein offener, schrankenloser Krieg gegen die Romulaner sei ein noch dramatischerer Fehler als einen gegen die Cardassianer führen zu wollen. Er, Markesh, führe das Reich mit seiner aggressiven und dummen Politik geradewegs ins Verderben. Ehe Markesh sich versah, unterstellte ihm K’mpec schändliches Verhalten, das Kahless‘ Vermächtnis mit Füßen trete, und forderte ihn zum Duell auf Leben und Tod heraus. Es folgte eine harte und lange Auseinandersetzung mit dem Bat’leth, doch letztlich ging K’mpec aus ihr als Sieger hervor und wurde zum neuen Kanzler ernannt.

 

Als erste Amtshandlung widerrief er die Generalmobilmachung und nahm auch Markeshs Kriegserklärung zurück. Gleichwohl kündigte er nicht nur seiner Nation, sondern auch dem romulanischen Feind an, man werde sich eines Tages für das Verbrechen von Khitomer rächen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die formell seit 2311 existierende Allianz endgültig gekündigt. In den kommenden Jahren machte K’mpec mit seinem Versprechen ernst und stellte damit seine Bevölkerung zufrieden: Die Klingonen griffen als Vergeltungsmaßnahme verschiedene romulanische Randkolonien an, darunter Cigonia, wo die Familie des späteren romulanischen Prätors Neral lebte. Nach dieser Welle von Revancheattacken dauerte es nicht lange, bis die Romulaner zurückschlugen. Währenddessen festigte K’mpec die Allianz mit der Föderation wie nur wenige Kanzler vor ihm. Der Schulterschluss mit der Föderation war aus K’mpecs Sicht eine wichtige Voraussetzung und Sicherheitsgarantie für die fortwährenden machtpolitischen Konfrontationen mit den Romulanern.

 

Noch ahnte die Föderation nicht, dass das Ende des langjährigen Betreka-Nebel-Konflikts sehr bald neue Probleme für sie schaffen würde. Ab 2348/49 konzentrierten sich die Cardassianer wieder stärker auf den Widerstand des besetzten Bajors (2328-69) und konnten sich in den kommenden Jahren zunehmende territoriale Herausforderungen der Föderation leisten (2340-75). Die Klingonen wiederum verschrieben sich voll und ganz ihren romulanischen Gegnern, mit denen zwar kein offener Krieg ausbrach, dafür sich aber eine heikle, kalte Staatsraison verfestigte. Diese sollte fortwirken und in den kommenden Jahrzehnten immer wieder zu vereinzelten heftigen Gefechten und Schlachten führen.

 

 

Bedeutung und Nachwirkungen

 

Obwohl der Betreka-Nebel-Zwischenfall nie einen offiziellen Kriegsausbruch hervorgebracht hatte, waren seine direkten Folgen und längerfristigen Konsequenzen für das Quadrantengefüge weitreichender als im Fall vieler Kriege. Alte Konfliktkonstellationen, die Jahrzehnte geprägt hatten, wurden zugunsten neuer Gegnerschaften abgelöst. Dies veränderte die politische Tektonik unter den Großmächten im Alpha- und Beta-Quadranten grundlegend. Damit steht der Betreka-Nebel für einen fundamentalen Beziehungswandel zunächst zwischen Klingonen und Cardassianern, dann zwischen Klingonen und Romulanern. Die Föderation wiederum rückte von einer neutralen, stets um Vermittlung bemühten Macht in der Mitte zum Ende dieser lang anhaltenden Krise in eine Konfrontationsstellung mit den Cardassianern und wurde somit infolge des Betreka-Nebel-Zwischenfalls selbst zur Konfliktpartei. Des Weiteren kann angenommen werden, dass mehrere Geheimdienste großer Mächte im Zeitverlauf ihre Finger im Spiel hatten und versuchten, die Ereignisse in ihrem Sinne zu beeinflussen.

 

Besonderes Augenmerk verdient im Zusammenhang mit dem Betreka-Nebel-Zwischenfall das Verhalten der Romulaner. Es ist auf den ersten Blick nur schwer erklärbar, weshalb das Sternenimperium im Laufe der 2340er Jahre dazu überging, klingonische Kolonien anzugreifen und zu zerstören. Manche Beobachter führen hierfür innenpolitische Gründe an: Der damalige Prätor beging eine Flucht nach vorn, indem er mit Überfällen auf einen alten Kontrahenten Handlungsspielraum und Popularität zurückgewinnen wollte. Eine andere mögliche Deutung dieser Geschehnisse könnte sein, dass - da der Betreka-Nebel-Zwischenfall noch lief - die politmilitärischen Akteure auf Romulus darauf spekulierten, zwischen Cardassianern und Klingonen werde alsbald ein größerer Konflikt eskalieren und letztere eine erhebliche Schwächung erfahren. Unter diesem Gesichtspunkt könnten die romulanischen Überfälle als Versuch eingeordnet werden, das Reich gezielt zu verletzen, um einer größeren Invasion Vorschub zu leisten. Dafür spricht beispielsweise auch die spätere Involvierung der Romulaner in den klingonischen Bürgerkrieg (2367/68).

 

Es bleibt offen für Diskussionen, ob von den Romulanern bedacht wurde, wie ihr Vorgehen sich auf die mittel- und längerfristigen Beziehungen zwischen Föderation und Klingonen auswirken würde. Möglicherweise hatte man darauf gehofft, die Ereignisse würden sich nach dem Ausbruch eines klingonisch-cardassianischen Kriegs überschlagen und Qo'noS keine Zeit mehr dazu bleiben, sich nach neuen Verbündeten umzusehen. Diese Kalkulation scheiterte umfassend. Mit dem Beginn einer vertieften Allianz zwischen Reich und Föderation waren die Romulaner weder um eine Macht- noch um eine Bündnisperspektive reicher. Auch die Cardassianer gingen zu ihnen auf Distanz und sollten sich erst unmittelbar vor dem Dominion-Krieg dem Sternenimperium wieder annähern (2371).

 

 

Referenz

TOS TNG DS9 VOY ENT ST-Romane/Comics
  1x20 4x01     Future Uncertain (STC)
  1x26       Sacrifice (STC)
  3x17       Act of Treason (STC)
  4x07       The Art of The Impossible (Lost Era)
  4x26        
  5x01        
  6x16        
  6x17