The Missing

Autorin: Una McCormack
Erscheinungsjahr: 2015
Seitenzahl: 320
Band: DS9 Post-Season-9/Post-Destiny 10

Zeitraum: 11/2385

 

Inhalt

 

Doktor Katherine Pulaski meldet sich zurück. Und diesmal hat sie Großes vor. An Bord ihres bunt besetzten Forschungsschiffes (Athene Donald) plant sie, in den Gamma-Quadranten aufzubrechen, um dort auf Entdeckungsreise zu gehen. Dieses Projekt ist eine persönliche Idee Pulaskis, die hofft, dass die Wissenschaft möglich machen kann, was Politik und Diplomatie bislang nicht vollbracht haben. Es soll den Großmächten – insbesondere Föderation einerseits und Typhon-Pakt andererseits – helfen, ihr angespanntes Verhältnis beizulegen und mehr zusammenzuarbeiten.

 

Aber als die Reise der Athene Donald von dem schlagkräftigen Schiff einer bislang unbekannten, nicht gerade gutlaunigen Spezies gestoppt wird, stellt sich die Frage: Wird dieser Erstkontakt ihre Besatzung zusammenschweißen oder entzweien? Pulaski sieht sich unerwarteten Herausforderungen gegenüber.

 

Die Spezies, auf die Pulaski und Co. treffen, scheint mit dem Volk der Himmelsweite im Zusammenhang zu stehen, das parallel auf Deep Space Nine aufgetaucht ist und für jede Menge Probleme sorgt. Auf der Station wird Captain Ro Laren in große Herausforderungen verstrickt, als besagtes Volk auf der Station um Asyl bittet. Zusammen mit dem neuen leitenden medizinischen Offizier Doktor Beverly Crusher bietet sie diesen Leuten Unterstützung an. Doch als ohne Genehmigung auf Crushers vertrauliche Daten zugegriffen wird, fällt der Verdacht auf die Asylsuchenden. Als dann noch ein Mitglied von ihnen ermordet aufgefunden wird, kommt es zu enormen Komplikationen und Spannungen.

 

Odo versucht derweil einer cardassianischen Freundin bei der Befreiung ihres Sohnes aus zehnjähriger Gefangenschaft bei den Romulaner zu helfen…

 

 

Kritik

 

Una McCormack hat sich in der Welt der Star Trek-Romane fest etabliert. Unvergessen vor allem das überragende The Never-ending Sacrifice, das sie als absolute Cardassianer-Liebhaberin und -Expertin gesetzt hat. Mit The Missing schreibt sie jetzt nach dem Roman The Crimson Shadow einen weiteren DS9-Relaunch-Roman, der nach den The Fall-Ereignissen angesiedelt ist.

 

Der Roman besteht aus drei voneinander unabhängigen Haupthandlungssträngen. Der erste Plot fixiert Pulaski und ihr Schiff. Die Idee einer gemeinsamen Erforschung des Gamma-Quadranten zwecks Abbau von Misstrauen ist nicht wirklich neu. Dies hatten wir eigentlich bereits in Plagues of Night/Raise the Dawn. Wie bei einem Forschungsschiff wie der Athene Donald nicht anders zu erwarten, dreht sich hier vieles um Fragen des Erstkontakts.

 

Neben dem zweiten Plot auf DS9, bei dem es um die Schwierigkeiten im Zuge der Asylgewährung geht, befasst sich ein weiterer Strang mit der Weiterführung der Geschichte um die Tzenkethi Corazame, die aus McCormacks Typhon Pact-Roman Brinkmanship bekannt ist. Dieser Plot mit Peter Alden und Corazame ist besonders sperrig geraten. Ein Föderationsagent, der auf eine abtrünnige Tzenkethi aufpasst, die ihrerseits auf der Suche nach einem neuen Sinn im Leben ist? Das klingt gewöhnungsbedürftig, und so liest es sich auch. Besonders leicht hat es sich McCormack mit Aldens Taktik gemacht, die DNA der Fremden von der Kette zu bekommen.

 

Tatsächlich gibt es in The Missing noch eine (sehr) kleine Nebenhandlung, die die Cardassianer berührt (und was draußen an der romulanischen Front passiert ist). Ich fand diesen Handlungsbogen sogar interessanter und besser als die drei Hauptplots, und wie immer ist McCormack hervorragend darin, politische Machenschaften und Motivationen zu beschreiben.

 

Die Frage von Vertrauen und Misstrauen findet übrigens in allen drei großen Handlungssträngen des Romans seine Entsprechung. Wir hätten da etwa Pulaskis Misstrauen gegenüber Peter Alden und der Tzenkethi, das Misstrauen des Geheimdienstes gegenüber dem Typhon-Pakt, das notorische Misstrauen der Romulaner wie auch einen Mangel an Grundvertrauen zweier Völker während einer Erstkontaktsituation. Leider ist es auch hier insgesamt so, dass die Typhon Pakt-Story keine substanziellen Fortschritte macht; es ist eher ein ständiges Wiederaufgreifen dieses Konfliktthemas, ohne dass es sich irgendwohin zu entwickeln scheint.

 

Schön ist, dass endlich einmal wieder auf Action verzichtet wird, aber die Handlung ist dennoch nicht sonderlich spannend. Die Story springt zwischen den drei Handlungssträngen hin und her, von denen jeder einzelne vorhersehbar und daher begrenzt interessant ist. Schnell wird erkennbar, dass die Autorin sich zu verzetteln beginnt, da viele Ausschweifungen und Nebenplots den mit 280 eher dünn geratenen Band überfrachten. So hat man es hier nicht mehr nur mit der Athene Donald zu tun (auf diese hätte man sich doch gerne konzentrieren können), sondern ebenfalls mit dem Volk der Himmelsweite, das auch seine eigenen Probleme mitbringt. Angesichts der Kürze des Buches und der vielen Stränge der Geschichte muss die Autorin bei der Darstellung der Fraktion bzw. Spezies Abstriche machen; alles bleibt an der Oberfläche.

 

Daher ist The Missing ein enttäuschendes Buch, das viel Potential besitzt, es jedoch nicht nutzt, weil es tendenziell auf zu vielen Hochzeiten tanzt. Dieses Problem haben indes so manche ST-Romane, die zu viel wollen und dann daran scheitern, frei nach dem Motto ‚Nichts Halbes und nichts Ganzes‘.

 

Mit Pulaski, Crusher und Ro dominieren drei an und für sich interessante, starke Frauenfiguren. Wobei im Fall von Crusher frühzeitig klar wird, dass sie nur einen Gastauftritt hat, da sie sich nach ihrer Familie auf der Enterprise sehnt. Was soll dann überhaupt diese spezielle Besetzung?

 

Kommen wir also zu Katherine Pulaski, dem eigentlichen 'Star' des Buches. Es ist interessant, dass diese Figur im Litverse kaum vorkam. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Pulaski deutliche Beliebtheitsprobleme beim Publikum hatte und deshalb nach nur einer TNG-Season wieder in der Mottenkiste verschwand. Teilweise gelingt es McCormack, sie als taffe und hochintelligente Frau zu zeichnen, für die ein tieferes Verständnis wächst (auch im Hinblick auf ihre zuweilen gewöhnungsbedürftige Art). Trotzdem war es nicht so, dass ich plötzlich in diesem Buch meine große Zuneigung zum Pulaski-Charakter entdeckt hätte. Sie bleibt eine etwas kratzbürstige, besserwisserisch wirkende Dame.

 

Was man mit dem Agenten Peteh Alden und der Tzenkethi Corazame anfangen soll, ist zweifelhaft. Ich finde nicht, dass sie noch einmal hätten auftauchen müssen. Manche Exporte aus früheren Romanen sind definitiv erzwungen. Alden möchte ihr die neue große Freiheit mit ihren vielen Möglichkeiten präsentieren, aber sie hat nur Heimweh. Aber dann ist plötzlich Cory verschwunden, und die Athene Donald wird von dem Schiff eines Fremden unbekannten Volkes gestoppt. Hm.

 

Dann wären da noch ein paar andere Figuren, von denen längst nicht alle überzeugen. Mit Odo, Crusher, Garak, Quark und sogar O‘Brien tauchen altbekannte, liebgewonnene Charaktere auf, aber das ist mehr Fanservice, denn in dem Roman können sie nur sehr begrenzt zur Geltung kommen. Gar nicht abgeholt haben mich die Probleme des Sicherheitsoffiziers von DS9, Steven Blackmer, der aufgrund der Präsenz von Odo und dessen Fähigkeiten so etwas wie Minderwertigkeitskomplexe kriegt. Wirklich?

 

Überhaupt spreche ich dem Buch ab, noch ein DS9-Roman zu sein, da die TNG-Figuren hier beinahe dominieren. Hinzu kommen die flankierenden Logbucheinträge von Picard (wie zum Ende der Geschichte klar wird), die den Eindruck verstärken, es hier eigentlich mehr mit TNG zu tun zu haben.

 

Auch dass Crusher natürlich nur kurzzeitig auf DS9 sein wird, verstärkt den Eindruck, dass an Bord der Station alles irgendwie beliebig geworden und nicht mehr auf Dauer angelegt ist. Es gibt seit geraumer Zeit schon keine eigenständige DS9-Erzählung mehr, und die vielen Crossover-Tendenzen (die ich anfangs ja noch gut fand) haben eher dazu geführt, dass jedes Buch aufs Neue irgendwelche Figuren bunt zusammenwürfelt, auf dass es beim nächsten Mal schon wieder anders ist. Da sehne ich mich doch glatt nach den guten, alten Zeiten geschlossener Serienfortsetzungen zurück… Die alte Qualität des frühen DS9-Relaunch bleibt hier um Lichtjahre unerreicht. Es handelt sich höchstens noch um so etwas wie ein Nostalgie- und Wohlfühlbuch, von dem ich nicht einmal sagen könnte, an welcher Stelle des Litverse es seine klare Berechtigung hat.

 

 

Fazit

 

Es war sicher mutig, sich Pulaski als Charakter anzunehmen, und McCormack zeigt auch in diesem Roman wieder, dass sie sehr wohl die Fähigkeit hat, Figuren mit all ihren Ecken und Kanten zu beleuchten und sie sympathischer zu gestalten. Trotzdem fehlt dem vorliegenden Roman so ziemlich alles, um ihn reizvoll zu machen. Die Geschichte ist teils generisch, teils oberflächlich, plätschert vor sich hin und zerfasert, dass ein mauer Eindruck bleibt. Und vor allem frage ich mich, warum dieses Buch unbedingt in den DS9-Relaunch eingeordnet werden musste. Von letzterem kann man seit Plagues of Night im Sinne einer eigenständigen Erzählung eigentlich kaum noch sprechen.

 

3/10 Punkten.

11-2022