Neue Zeiten, neues Schiff - Die Erfindung der U.S.S. Aventine

 

Dieser Artikel ist erschienen im Sachbuch Maximum Warp: Der Guide durch die Star-Trek-Romanwelten - Von Nemesis zu Typhon Pact, Cross Cult 2013.

 

Mit der Destiny-Trilogie von David Mack bricht ein neues Zeitalter für die Welt von Star Trek an. Das gilt auch für die Armada der Sternenflotte: Im Windschatten der finalen Borgkrise betritt mit der U.S.S. Aventine ein neues Raumschiff die Sternenbühne. Der neue Vorzeigekreuzer entstammt der Vesta-Klasse undist mindestens genauso ungewöhnlich, erfrischend und einzigartig wie ihr Captain – eine Trill namens Ezri Dax. Nicht umsonst hat sie sich binnen kürzester Zeit zum Liebling der Star Trek-Leser gemausert.

 

Quanten-Slipstream – Auf dem Weg ins 25. Jahrhundert

 

Als pünktlich zum achten Star Trek-Kinofilm mit der Enterprise-E eine neue Schiffsgeneration vom Stapel lief, war dies eine folgerichtige technologische Weiterentwicklung: Die moderne Sovereign-Klasse setzte sich in Sachen Ausrichtung und Design von ihren Vorgängern der Galaxy- und Nebula-Klasse deutlich ab und lieferte die Substanz für neuartige Schiffskonzeptionen, die den aktuellen Herausforderungen Rechnung tragen konnten.

 

Das war jedoch zu Beginn der 2370er Jahre. Mittlerweile befinden wir uns im Destiny-Zeitalter, das heißt, mehr als ein Jahrzehnt in der Zukunft. Angesichts der neuen Bedrohungen und Missionsanforderungen, denen sich die Sternenflotte stellen muss, waren ihre Ingenieure in Utopia Planitia und anderen Entwicklungswerften nicht untätig: Der große Durchbruch dieser Tage ist die Vesta-Klasse, ein leistungsfähiger Kreuzer, der sogar über einen Quanten-Slipstream-Antrieb verfügt (vgl. Roman TNG: Greater Than The Sum).

 

Ein solches Triebwerkssystem galt bislang als theoretisch, heikel und hochexperimentell: Es beruht auf dem Gedanken, dass ein Raumschiff eigenständig einen Subraumtunnel generiert und innerhalb dieses Korridors besonders hohe Geschwindigkeiten erreichen kann. Streng genommen bedeutet diese Idee eine Verkehrung des klassischen Warpprinzips, bei dem innerhalb des Normalraums ein Warpfeld erzeugt wird, die Warpblase selbst jedoch den Normalraum nie verlässt. In der Spitze ist ein Quanten-Slipstream-Antrieb um bis zu 6000 mal schneller als ein bei hoher Warpgeschwindigkeit fliegendes Schiff.

 

Die Entwicklung des Slipstream-Antriebs, den sich die Vesta-Klasse zunutze macht, wäre wohl ohne die Vorerfahrungen der U.S.S. Voyager nicht in so kurzer Zeit möglich gewesen. Auf ihrer Rückreise durch den Delta-Quadranten begegneten Captain Kathryn Janeway und ihre Crew einem solchen Antriebssystem und versuchten es, auf die technologischen Bedingungen der Sternenflotte zuzuschneiden (vgl. Voyager 4x26: In Furcht und Hoffnung; 5x06: Temporale Paradoxie). Der Versuch, die Quanten-Slipstream-Technologie zu adaptieren, misslang zwar, dafür sammelte die Voyager aber äußerst wertvolle Informationen, die von der Planungsabteilung nach ihrer Rückkehr dankbar aufgegriffen wurden.

 

Heute verfügt die Sternenflotte über die Möglichkeit, entlegene Ziele deutlich schneller erreichen zu können. Noch ist der Quanten-Slipstream-Antrieb vorwiegend ihren neuesten Einheiten vorbehalten, bis er zu Genüge getestet worden ist. Dies ist auch eine Aufgabe für die Aventine.

 

Avtentine – Mehr als just another starship

 

Die U.S.S. Aventine ist einer der ersten Kreuzer der Vesta-Klasse und wird im Jahr 2381 in Dienst gestellt. Zu diesem Zeitpunkt repräsentiert sie den aktuellen technologischen Stand der Sternenflotte und ist, zusammen mit einigen Schwesterschiffen, der Prototyp, an dem sich kommende Schiffsdesigns orientieren sollen. War die U.S.S. Titan von Captain William Riker noch stark am Modell der Sovereign-Klasse orientiert und in erster Linie auf Forschung ausgelegt, verkörpert die Aventine eine sehr viel grundlegendere Innovation, die sich bereits an ihrer äußerten Form ablesen lässt.

 

Hinter diesem ganz besonderen Neuzugang in der militärischen und wissenschaftlichen Raumflotte der Föderation steht der CG-Künstler Mark Rademaker. Fragt man den jungen Niederländer nach den Anfängen dessen, was sich in der Erschaffung der Aventine perfektionierte, kommt er ins Grübeln. Bescheiden sagt er dann nur, 3D-Modellieren sei seine große Leidenschaft, solange er denken könne. Seine Liebe für das Basteln an Plastikbausätzen von Raumschiffen habe sogar dazu geführt, dass er seine Bäckerlehre nicht weiterverfolgte und stattdessen Systemmanager wurde.

 

In den Jahren 2006 und 2007 lieferte Rademaker bereits beeindruckende Star Trek-Bilder für die jährliche erscheinenden Franchise-Kalender. Dennoch bedeutete die Erfindung der Aventine bedeutet eine weitere Steigerung in seiner Laufbahn als Schiffsdesigner. „Zum einen wollte ich den Fans ein Schiff präsentieren, das es so noch nicht gegeben hat.“, sagt er, wohlwissend, wie viele Kähne der unterschiedlichsten Farbe, Form und Substanz in über vier Jahrzehnten Star Trek bereits die Augen des Publikums gekreuzt haben. „Zum anderen wollte ich dieser neuen Schiffsklasse eine Geschichte geben und sie streng nach dieser Geschichte konstruieren.“ Damit meint Rademaker vor allem den Umstand, dass ein Quanten-Slipstream-Schiff anders auszusehen hat als ein Warpschiff. Die visuelle Entstehung der Vesta-Klasse musste konform gehen mit ihren technologischen Potenzialen und Neuorientierungen.

 

Schnittig und elegant – Von Kurven und besonderen Stellen an der Aventine

 

„Ich machte mir eine Liste der Systeme und Neuerungen, die die Vesta-Klasse auszeichnen.“, erläutert der Grafiker, der sogar mit Andrew Probert, Designer der Enterprise-D, während seiner Erfindungsarbeiten in Kontakt stand. „Diese Liste wurde letztlich mehr als fünf Seiten lang. Erst danach skizzierte ich mir die Form und dachte darüber nach, was wohl wohin gehörte.“ Am wichtigsten seien dabei die architektonischen Konsequenzen gewesen, die sich aus dem neuen Antrieb ergeben, so Rademaker. „In Voyager hat man bereits ein Schiff, das mit Quanten-Slipstream-Antrieb reist, gesehen. Die Dauntless entpuppte sich zwar später nicht als Sternenflotten-Schiff; trotzdem gab ihr Äußeres wichtige Hinweise darauf, wie sich ein solcher Raumer optisch vom klassischen Warpdesign absetzen sollte.“

 

Rademaker stellte sich das Ganze so vor: Ein Slipstream-Antrieb belastet die strukturelle Integrität der Hülle; durch die extrem hohen Reisegeschwindigkeiten müssen mögliche Reibungspunkte minimiert werden, weshalb er sich nach eigener Aussage an der glatten, hydrodynamischen Form eines Hais inspiriert habe. Anschließend habe er Anknüpfungspunkte bei der Sovereign-Klasse gesucht, um die technologische Kontinuität erkennbar zu machen.

 

Nicht nur die grundlegende Form der Aventine ist der Neuausrichtung des Antriebssystems unterworfen, sondern auch zentrale Komponenten des Schiffes haben gegenüber vorangegangenen Kreuzergenerationen entscheidende Modifikationen erfahren. Der wichtigste Punkt ist dabei wohl der massive, mandelförmige Hauptdeflektor: Da die Energie beim Slipstream aus dem Antriebskern nicht durch Warpgondeln geleitet wird, sondern über den Hauptdeflektor vor das Raumschiff projiziert wird, benötigt die Aventine einen untypisch großen Deflektor mit extremer Leistungsfähigkeit. Wo er bei anderen Raumschiffen nur Schutt aus der Warpflugbahn befördert und nette Bonusfunktionen bereitgestellt hat, übernimmt er bei der Vesta-Klasse die Hauptfunktion bei der Erzeugung des Quanten-Slipstream-Tunnels.

 

Die anderen designtechnischen Aspekte belaufen sich auf Systemverbesserungen und stehen, anders als das revolutionäre Antriebssystem, mehr in der Kontinuität der früheren Sternenflotten-Schiffe. Die Aventine verfügt zum Beispiel über ein konventionelles Warptriebwerk, falls es mit dem experimentellen Antrieb unerwartete Probleme geben sollte. Da aus diesem ‚normalen‘ Triebwerk jedoch noch mehr herausgeholt werden kann als bei der Voyager, ist ein neues Kühlsystem notwendig geworden, was die Gondeln nach Rademaker dünner und länger gemacht hat. Zudem gibt es verbesserte Typ-XII-Phaserbänke, optionale Transphasen-Torpedos und eine besonders belastbare Ablativhülle. Schließlich verfügt der Kreuzer über ein Flugdeck, auf dem Besucherschiffe parken können, die zu groß für den regulären Hangar sind. Dies alles fördert das kompakte, runde und fließende Erscheinungsbild, das die fertige Aventine abgibt.

 

Sie ist dabei jedoch alles andere als ein kleines Schiff. Mit einer Besatzungsstärke von rund 750 Mann bewegt sie sich auf dem Niveau der Enterprise-E, weist auch in etwa die gleiche Länge (670 Meter) und genauso viele Decks (23) auf. Das alles ist als Indiz dafür zu werten, dass sie eine Art Nachfolgegeneration der Sovereign-Klasse verkörpert. Von ihrer Spezifikation her geht sie mit den Anforderungen eines modernen Multizweckkreuzers konform, der jedoch auch in brenzligen Kampfsituationen hervorragend eingesetzt werden kann.

 

Wie das Schiff, so die Mannschaft – Gesichter an Bord der Aventine

 

So ungewöhnlich die neue Aventine für den erfahrenen Star Trek-Fan daherkommt, so verblüffend ist auch ihr Captain. Ob es ein Zufall ist, dass ausgerechnet Ezri Dax durch eine Reihe widriger Umstände zur Kommandantin des monumentalen Kreuzers ernannt wird, der in den rauen Zeiten von Destiny gegen Borg und andere Bedrohungen kämpft? In jedem Fall hat die Trill, seit Deep Space Nine eine achte Staffel in Romanform spendiert bekam (s. Romanreihe DS9-Relaunch), binnen sieben Jahren eine beispiellose charakterliche Emanzipation hingelegt, die sie weg aus ihrem alten Leben und letztlich in den Kommandosessel der Aventine befördert. Dabei demonstriert Dax mehr als nur einmal, dass sie sich ihrer neuen Rolle als Kommandantin sehr wohl bewusst ist und jeder Zeit bereit, harte Entscheidungen zu fällen.

 

An ihrer Seite steht Commander Sam Bowers, ehemals taktischer Offizier auf der Defiant, also für sie ein alter Bekannter und eine enge Vertrauensperson, wenn es um die Führung der Besatzung geht. Ihr ebenfalls aus früheren Tagen bekannt ist der leitende medizinische Offizier, Doktor Simon Tarses. Weitere Gesichter sind der Zweite Offizier, Gruhn Helkara, seines Zeichens Zakdornianer, die takaranische Sicherheitschefin Lonnoc Kedair und Chefingenieurin Mikaela Leishman.

 

Borg und Typhon-Pakt – Die Missionen der Aventine

 

Kaum hat die Aventine das Raumdock verlassen, müssen Dax und ihre Leute sehr schnell erwachsen werden. Im Orbit von Acamar kommt es während der Borgkrise zu einem ersten großen Kampf, bei dem mehrere Crewmitglieder getötet werden, darunter auch der ursprüngliche Captain (Dexar) und der Erste Offizier (Tovak). Dax sieht sich in dieser Situation gezwungen, das Kommando zu übernehmen – von diesem Zeitpunkt an untersteht ihr das Schiff.

 

Während die Föderation von Borgkuben überrannt wird und um ihre Existenz kämpft, begibt sich die Aventine in den Gamma-Quadranten, um das Wrack der U.S.S. Columbia zu untersuchen. Dax kommt einem Mysterium auf die Spur, bei dessen Auflösung die Mannschaft der Aventine möglicherweise den Schlüssel für die Rettung des Quadranten bereithält. Zusammen mit der Enterprise und der Titan wird sie diesem Geheimnis nachjagen und den Borg die Stirn bieten.

 

Aber selbst, nachdem die Borgkrise vorbei ist, wird die Aventine viel zu tun haben. Sie befördert diplomatische Bannerträger, die in wichtigen außenpolitischen Angelegenheiten verhandeln (vgl. Roman A Singular Destiny). Auch wird sie in Aktivitäten des Geheimdienstes zunehmend verwickelt sein, als herauskommt, dass sich mit dem Typhon-Pakt eine neue gefährliche Supermacht gegen die Föderation in Stellung gebracht hat (vgl. Roman Typhon Pact: Zero Sum Game).

 

So oder so: Die Missionen, die auf Captain Dax und ihre Besatzung warten, sind nichts für schwache Nerven. Der Leser weiß das zu schätzen, denn innerhalb kurzer Zeit und im Zuge erst weniger Auftritte ist die Aventine zu einem der beliebtesten Sternenflotten-Schiffe in den Star Trek-Romanen aufgestiegen. Nicht wenige Fans wünschen sich derweil eine eigene Serie, die die Abenteuer des funkelnagelneuen Vesta-Fegers behandelt. Wer weiß, vielleicht geht dieser Wunsch eines Tages in Erfüllung. Spock jedenfalls würde dazu sagen, es gibt immer Möglichkeiten – erst recht bei einem so beeindruckenden Schiff wie der Aventine.